Skjöldunga saga
Die Skjöldunga saga, auch Skjoldungernes saga (‚Saga von den Skjöldungen‘), ist eine verlorengegangene isländische Saga, die vermutlich am Ende des 12. oder zu Anfang des 13. Jahrhunderts verfasst wurde. Die Saga berichtete über das legendarische dänische Herrschergeschlecht der Skjöldungen (oder Skyldingen) der vorgeschichtlichen Zeit und die Abstammung der königlichen Linie von Odin.
Hintergrund
Die Reihe der mythischen dänischen Könige aus dem Geschlecht der Skjöldunge beginnt bei Skjöld (Skjold oder Scyld, altisländisch Skjǫldr), der ein Sohn Odins gewesen sein soll. Sie reicht bis zu König Gorm dem Alten, der um 945 gelebt hat. Sie war ein Gegenstück zur Ynglinga saga (‚Saga über die Ynglinge‘). In der Skjöldunga saga wurde von der Schlacht auf dem Vänersee berichtet und sie endete bei den Söhnen Ragnar Lodbroks. Dabei wurden die Sippenfehden, die sich zwischen den Skjöldungen untereinander oder mit den Schweden abspielten, ausführlich behandelt. Die Saga erzählte auch von Hrólfr kraki und der Schlacht von Bråvalla. Aus einer älteren, ausführlicheren Bearbeitung vom Anfang des 13. Jahrhunderts entnahm Snorri Sturluson für seine Snorra-Edda die Geschichte Frá Hrólfi kraka (Hrólfs saga kraka), die sich auch in der Ynglingasaga finden lässt. Eine jüngere, chronikartige Bearbeitung aus dem Jahr um 1260 basiert auf der älteren Bearbeitung. Sie sollte ursprünglich als Einleitung für die Knýtlinga saga dienen, die Geschichte der dänischen Könige von Harald Gormsson bis Knüt Valdimarsson (Als Fragment erhalten in der isländischen Schrift Sögubrot af nökkrum fornkonungum i Dana ok Svia veldi über die Kämpfe zwischen Dänen und Schweden).[1] Die späteren Autoren und Historiker nutzten etwa von 1200 bis 1600 diese Saga als Quelle für ihre Werke oder Forschungen. Diese erhaltenen Versionen ermöglichten eine inhaltliche Rekonstruktion der Saga.
Im altenglischen Gedicht Beowulf ist angegeben, dass der erste König Skjöld (hier Scyld genannt) als Kleinkind allein auf einem Schiff über das Meer in das königslose Dänemark gekommen sei. In der isländischen Bearbeitung ist er der Sohn Odins und soll mit Gefjon[2] verheiratet gewesen sein, woraus sich der Stammbaum der Könige ableitet. Er wird dort mit dem sagenhaften König Sceaf gleichgesetzt, der eines Tages auf mysteriöse Weise als kleines Kind in einem unbemannten Boot an der Küste Skandinaviens anlandete. Von diesem leitet sich ebenso die Stammlinie der angelsächsischen Könige ab und als Stammvater wird Wotan (Odin) angegeben.
Entstehung und Quellen
Die Skjöldunga saga basiert vorrangig auf mündlichen Quellen. Darüber hinaus stützte sie sich auf eine schriftlich festgehaltene Genealogie, die vermutlich von dem isländischen Gelehrten Sæmundur fróði auf dem Hof Oddi im südlichen Island zusammengestellt wurde. Die Zusammenstellung verknüpft das Häuptlingsgeschlecht von Oddi genealogisch mit den Skjöldungen.[3][4]
Die Saga wurde zwischen 1180 und 1200 aufgeschrieben oder ist vielleicht auch noch älter. Das Fragment Sögubrot af nokkrum fornkonungum stammt vermutlich aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Der unbekannte Verfasser stammte wohl aus dem Umkreis des Bischofs Páll Jónsson, der von sich behauptete, ein Nachfahre aus dem Geschlecht der Skjöldungar zu sein. Möglicherweise verfasste dieser die Sage selbst oder hatte Einfluss auf die Zusammenstellung.[3] Dabei lag das Hauptanliegen darin, einen genealogischen Zusammenhang zu dem schwedischen Geschlecht der Ynglinge zu knüpfen und die Entwicklung Dänemarks zu einem Reich mit eigener Identität und Geschichte zu beschreiben. Formal gehört die Saga zu den Konunga sögur („Königssagas“), sie steht inhaltlich jedoch den Fornaldarsögur („Vorzeitsagas“) nahe.[5]
Die Originalhandschrift ist nicht erhalten. Ihr Inhalt und Umfang lässt sich zum Teil aus anderen Quellen erschließen, darunter die Rerum Danicarum fragmenta, eine in Latein verfasste Geschichte der Dänen in 14 Kapiteln. Sie wurde 1596 von Arngrimur Jonsson lerdi („der Gelehrte“) auf Veranlassung von Niels Krag geschrieben. Lange wurde angenommen, dass Jónsson seine Quelle stark gekürzt hatte, unter anderem von dem Sprachforscher Jakob Benediktsson (1907–1999). Dieser Annahme widersprach Bjarni Guðnason 1963; er ging stattdessen von einer Nacherzählung aus, die der Quelle recht nahe folgte.[3][6]
Snorri Sturluson verwendete die Saga, unter anderem für den Prolog der Edda und die Skáldskaparmál. In seiner Ynglinga saga aus der Heimskringla heißt es zu einer Schlacht am Vänern, bei der König Aðils und Hrólfr kraki beteiligt waren:
„Fra þessi orrostu er langt sagt i Skjǫldunga sǫgu …“
„Von dieser Schlacht wird in der Skjöldunga saga ausführlich erzählt (englisch ‘A long account of this battle is given in Skjǫldunga saga’) …“
Forscher wie Axel Olrik und Bjarni Guðnason argumentieren, dass die Skjöldunga saga in zwei verschiedenen Versionen existiert haben muss, einer älteren und einer jüngeren. Snorri Sturluson soll die ältere verwendet haben, Arngrímur Jónsson hingegen die jüngere. Zur jüngeren Version gehört auch ein erhaltenes Fragment, das Sögubrot af nokkrum fornkonungum. Weitere mögliche Fragmente der Skjöldunga saga sind in der Ólafs saga Tryggvasonar („Saga von Olaf Tryggvason“) und der Jómsvíkinga saga enthalten. Ein mittelalterliches Manuskript der Skjǫldunga saga befand sich im Jahr 1416 im Kloster von Möðruvellir.[3] Ein mittelalterliches Manuskript der Skjoldunga saga befand sich im Jahr 1416 im Kloster von Möðruvellir.
Erhaltene Auszüge (Auswahl)
- Axel Olrik: Skjoldungasaga i Arngrim Jonssons udtog (= Aarbøger for nordisk Oldkyndighed og Historie. Band 2, Nr. 9). 1894, S. 83–164 (Textarchiv – Internet Archive – Zusammenstellung der zur Skjöldunga saga gerechneten Teile der Werke).
- Carl af Petersens, Emil Olson (Hrsg.): Sǫgur danakonunga. 1. Sǫgubrot af fornkonungum. 2. Knytlinga saga (= Samfund til udgivelse af gammel nordisk litteratur. Band 46). Kopenhagen 1925 (nb.no).
- Jakob Benediktsson: Arngrimi Jonae Opera Latine conscripta (= Bibliotheca Arnamagnæana. Band 9–12). Ejnar Munksgaard, Kopenhagen 1950–1957.
- Bjarni Guðnason (Hrsg.): Danakonunga sögur. Skjöldunga saga, Knýtlinga saga, Ágrip af sögu Danakonunga (= Íslenzk fornrit. Band 35). Íslenzka Fornritafélag, Reykjavik 1982 (isländisch).
Übersetzungen
- Karsten Friis-Jensen, Claus Lund: Skjoldungernes saga: Kong Skjold og hans slægt, Rolf Krake, Harald Hildetand, Ragnar Lodbrog. G. E. C. Gad, Kopenhagen 1984, ISBN 87-12-78081-2 (dänisch).
Literatur
- H. Ehrhard: Skjöldunga saga. In: Lexikon des Mittelalters. Artemis-Verlag, München / Zürich 1977, ISBN 3-7608-8904-2, Sp. 1975–1976 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
- Kirsten Wolf: Skjǫldunga saga. In: Medieval Scandinavia – an encyclopedia. Garland, New York 1993, ISBN 0-8240-4787-7, S. 597–598 (englisch, Textarchiv – Internet Archive).
- Alexander M. Bruce: Skjöldunga saga. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 29, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-018360-9, S. 5–7 (englisch).
Forschungsliteratur
- Andreas Heusler: Zur Skiöldungendichtung. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Band 48, Heft 1–2. Weidmannsche Buchhandlung, August 1906, ISSN 0044-2518, S. 57–87, JSTOR:20652068 (digizeitschriften.de – Rezension zu Axel Olrik: Danmarks Heltedigtning, Band 1).
- Bjarni Guðnason (Hrsg.): Um skjöldungasögu. Bókaútgáfa Menningarsjóðs, Reykjavik 1963 (isländisch, Dissertation).
- Paul Acker: Part I. “Fragments of Danish History” (Skjöldunga saga). In: ANQ: A Quarterly Journal of Short Articles, Notes and Reviews. Band 20, Nr. 3, 2007, ISSN 0895-769X, S. 3–9, doi:10.3200/ANQQ.20.3.3-9 (englisch).
Weblinks
- A fragment of the younger redaction of the lost Skjöldunga saga manuscript.ku.dk (dänisch)
Einzelnachweise
- ↑ Die ältere Sköldungreihe. In: Saxo Grammaticus Erlaeuterungen zu den ersten neun Büchern. 1922, S. 142–144 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Gefjon. In: A. Quak, Paula Vermeyden (Hrsg.): Van Ægir tot Ymir. Personages en thema’s uit de Germaanse en Noordse mythologie. 2000, ISBN 90-6168-661-X, S. 77–78 (niederländisch, dbnl.org).
- ↑ a b c d e Kirsten Wolf: Skjǫldunga saga. In: Medieval Scandinavia – an encyclopedia. Garland, New York 1993, ISBN 0-8240-4787-7, S. 597–598 (englisch, Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Alexander M. Bruce: Skjöldunga saga. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 29, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-018360-9, S. 5–7, Sp. 11 (englisch).
- ↑ H. Ehrhard: Skjöldunga saga. In: Lexikon des Mittelalters. Band 7: Planudes bis Stadt (Rus’). Lexma-Verlag, München 1977, ISBN 3-7608-8907-7, Sp. 1975–1976 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
- ↑ Alexander M. Bruce: Skjöldunga saga. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 29, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-018360-9, S. 5–7, Sp. 10 (englisch).