Skimpflation
Als Skimpflation wird in der Volkswirtschaftslehre und Wirtschaft eine Art der Inflation bezeichnet, bei der erhöhte Produktionskosten. z. B. infolge gestiegener Rohstoff-Preise durch (stillschweigende bzw. heimliche) Verringerung einer Produkt- oder Dienstleistungsqualität (bei gleichbleibenden Verkaufspreisen) ausgeglichen werden;[1] hierzu zählen auch Einschränkungen bei Dienstleistungen.[2]
Etymologie
Skimpflation ist ein Kofferwort aus englisch to skimp, dt. „knausern“ oder „einsparen“ und Inflation;[3] der Begriff wurde 2021 vom US-amerikanischen Radiosender National Public Radio (NPR) geprägt.[4][5]
Beispiele
- Während des Zweiten Weltkrieges wurden in den Vereinigten Staaten Fleischerzeugnisse rationiert und Preiserhöhungen verbote – die Hersteller fügten vielen Produkten kostengünstige und geschmacksneutrale Füllstoffe wie Kartoffeln oder Sojabohnen hinzu und es wurde Fleisch mit erhöhtem Fettgehalt und von anderen Tieren, z. B. Pferden oder Bisamratten untergemengt.[6][7]
- Hotelzimmer werden – bei gleichbleibenden oder gestiegenen Zimmerpreisen – nicht mehr täglich gereinigt, sondern nur noch zwischen Abreise des Gastes und Neubelegung des Zimmers. Diese Sparmaßnahme wird teils als Umweltschutzmaßnahme beworben. Bei der Bewirtung von Gästen wird vermehrt auf Selbstbedienung und vorgefertigte bzw. abgepackte Produkte gesetzt.[8]
- 2017 reduzierte der italienische Süßwarenproduzent Ferrero ohne plausiblen Grund bei seiner Nuss-Nougat-Creme Nutella den Anteil an teurem Kakao und erhöhte den Anteil an günstigem Milchpulver. Da es zu dieser Zeit keinen Engpass an Rohstoffen gab, kam die Verbraucherzentrale Hamburg zu dem Schluss, dass diese Änderung lediglich der Gewinnmaximierung diente.[9]
- Nach dem Beginn des Russisch-Ukrainischen Angriffskriegs im Februar 2022 wurde Sonnenblumenöl knapp und teuer, weil russische Seestreitkräfte den Export der Sonnenblumenkerne aus der Ukraine über das Schwarze Meer blockierten: Mehrere Hersteller von Pommes frites und von Speisefetten und Speiseölen ersetzten daraufhin Sonnenblumenöl durch Palmöl; die meisten von ihnen kehrten auch nach dem Ende des Engpasses nicht mehr zur ursprünglichen Rezeptur zurück.[2][10]
- Laut einer Mitte 2025 von der Verbraucherzentrale Hamburg veröffentlichten Liste mit 40 Produkten reduzierte z. B.[11]
- die deutsche Handelskette Netto bei ihrer Lieblings Nuss-Nougat-Creme den Haselnussanteil von 20 auf 13 %;
- der Lebensmittelhersteller Knorr bei seiner Feinschmecker-Zitronen-Butter-Sauce den Butter-Anteil von 25 auf 10 % – Anwendende sollten nun selbst fünf Gramm Butter hinzufügen;
- der Hersteller beim Schmelzkäse Milkana cremig leicht den Käse-Anteil von 65 auf 42 % – laut dem Markeninhaber Savencia, um die Qualität zu verbessern: Nun sei statt Käse auch Butter im Produkt, dabei der Fettanteil höher und auf der Verpackung stehe „Jetzt noch leckerer“.
- Beim Ketchup der Kaufland-Eigenmarke Classic würden statt bislang 73 % „doppelt konzentrierten“ Tomatenmarks nun 72 % einfach konzentriertes verwendet.
Reaktionen
Hersteller
In vielen Fällen beziehen sich Lebensmittelhersteller darauf, nur den aktuellen Wünschen ihrer Kunden nachzukommen: Z. B. senke ein erhöhter Wasseranteil in Brotaufstrichen den physiologischen Brennwert und mache das Produkt gleichzeitig streichfähiger; bei Schokoladenerzeugnissen sorge ein geringerer Kakaogehalt für einen milderen Geschmack.[3][12] Die positiven Nebeneffekte werden dabei in der Werbung oft durch Aussagen wie z. B. „verbesserte Rezeptur“ oder „extra cremig“ hervorgehoben und suggerieren den Kunden eine gesteigerte Produktqualität, obwohl in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall ist.[3][10]
Außerdem seien die Maßnahmen eine „notwendige Reaktion“ z. B. auf stark gestiegene Rohstoffpreise, gestörte Lieferketten, neue gesetzliche Vorgaben oder auch freiwillige Selbstverpflichtungen zur Reduzierung von Zucker-, Fett- und Salz-Gehalten.[11]
Interessensverbände
Deutsche Verbraucherschützer fordern eine klare und verpflichtende Kennzeichnung von Rezepturänderungen.[11]
Kunden
Bei einer Kundenbefragung des Marktforschungsunternehmens Gartner Inc. aus dem Jahr 2022 gaben 62 % der befragten Kunden an, Produkte nicht mehr zu kaufen, wenn die Hersteller zur Kostensenkung die Produktgröße (Shrinkflation) oder die Produktqualität (Skimpflation) gesenkt hätten.[13]
2023 registrierte die Verbraucherzentrale Hamburg einen Anstieg der Beschwerden wegen verschlechterten Lebensmittel-Rezepturen.[3]
Regelmäßige Benchmarks von großen Dienstleistungsunternehmen wie beispielsweise FedEx, McDonald’s oder Ritz-Carlton ergaben, dass die Kundenzahl durch eine Verschlechterung des Services stärker sinke als durch gestiegene Preise.[14]
Politik
Der Ausschuss für Konsumentenschutz des österreichischen Parlaments begann im März 2023, sich mit dem Phänomen zu befassen: Es soll zukünftig Herstellern gesetzlich verboten sein, Produkte unter gleichem Namen zu verkaufen, falls bei deren Herstellung im Lauf der Zeit auf billigere Grundstoffe umgestellt wird.[15]
Weblinks
- Neuer Trend Skimpflation: Bei diesen Produkten hat sich die Qualität verschlechtert. n-tv, 12. September 2023.
- Vittoria Helzer: Mogelpackungen im Supermarkt: Wenn weniger Inhalt genauso viel kostet. ZDF, 28. September 2023.
- Alexis Benveniste: „Skimpflation“: An even sneakier form of shrinkflation. BBC, 4. Oktober 2023 (englisch).
- Rebecca Brooks: 4 Trends For Brands To Watch In 2022. Forbes, 13. Dezember 2021 (englisch).
- Markt (NDR), ardmediathek.de: Skimpflation: Lebensmittel-Qualität immer schlechter? (2023, 8 min)
Einzelnachweise
- ↑ Marnik G. Dekimpe, Harald J. van Heerde: Retailing in times of soaring inflation: What we know, what we don’t know, and a research agenda. In: Journal of Retailing. Band 99, Nr. 3, September 2023, ISSN 0022-4359, S. 322–336, doi:10.1016/j.jretai.2023.07.002 (englisch).
- ↑ a b Antje Erhard: Phänomen „Skimpflation“: Weniger Qualität bei höheren Preisen. In: tagesschau.de. Tagesschau, 9. September 2023, abgerufen am 14. Oktober 2023.
- ↑ a b c d Skimpflation: Lebensmittel von schlechterer Qualität. In: vzhh.de. Verbraucherzentrale Hamburg, 15. September 2023, abgerufen am 11. Oktober 2023.
- ↑ Greg Rosalsky: Meet skimpflation: A reason inflation is worse than the government says it is. In: npr.org. National Public Radio, 26. Oktober 2021, abgerufen am 15. Oktober 2023 (englisch).
- ↑ Billiges Fett, luftgefüllte Verpackungen: Wie der Handel Verbraucher mit versteckten Preiserhöhungen narrt. In: focus.de. Focus Online, 13. Januar 2023, abgerufen am 14. Oktober 2023.
- ↑ Greg Rosalsky: Price Controls, Black Markets, And Skimpflation: The WWII Battle Against Inflation. In: npr.org. National Public Radio, 8. Februar 2022, abgerufen am 14. Oktober 2023 (englisch).
- ↑ Richard Lingeman: Don’t You Know There’s a War On? The American Home Front 1941–1945. 1. Auflage. Putnam, New York 1970, ISBN 0-399-50359-5 (englisch).
- ↑ Jeannette N. Bennett: Beyond Inflation Numbers: Shrinkflation and Skimpflation. (PDF; 180 kB) In: stlouisfed.org. Federal Reserve Bank of St. Louis, Dezember 2022, abgerufen am 15. Oktober 2023 (englisch).
- ↑ Andreas Dörnfelder: Rohstoffpreise. Nutella ist jetzt heller. Das neue Rezept schmeckt vor allem dem Hersteller. In: handelsblatt.de. 31. Dezember 2017, abgerufen am 19. Oktober 2023.
- ↑ a b Ruth Fend: Skimpflation: Darf’s noch etwas schlechter sein? In: zeit.de. Die Zeit, 12. September 2023, abgerufen am 14. Oktober 2023.
- ↑ a b c Badische Zeitung: Verbraucherschützer warnen vor Skimpflation. 13. Juli 2025, abgerufen am 14. Juli 2025.
- ↑ Armin Valet: »Downgrading-Liste«: Lebensmittelindustrie spart an den wertvollen Zutaten. (PDF; 1,2 MB) In: vzhh.de. Verbraucherzentrale Hamburg, 23. Februar 2018, abgerufen am 14. Oktober 2023.
- ↑ Katie Costello, Matt LoDolce: Gartner Marketing Survey Finds 62 % of Consumers Will Stop Buying From Brands That Compromise Products to Cut Costs. In: gartner.com. Gartner Inc., 25. Juli 2022, abgerufen am 14. Oktober 2023 (englisch).
- ↑ Roberta S. Russell, Bernard W. Taylor: Operations and Supply Chain Management. 11. Auflage. Wiley, Hoboken 2023, ISBN 978-1-119-90567-7, Kapitel 2: Quality Management, S. 76, Quality Attributes in Services (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Korinna Schumann et al.: 369/A(E)-BR/2023: Entschließungsantrag. (PDF; 619 kB) In: parlament.gv.at. Österreichisches Parlament, 16. März 2023, abgerufen am 20. Oktober 2023.