Silberblättrige Goldnessel

Silberblättrige Goldnessel

Silberblättrige Goldnessel (Lamium argentatum)

Systematik
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie: Lamioideae
Gattung: Taubnesseln (Lamium)
Art: Silberblättrige Goldnessel
Wissenschaftlicher Name
Lamium argentatum
(Smejkal) Henker ex G.H.Loos

Die Silberblättrige Goldnessel (Lamium argentatum), auch Silber-Goldnessel oder Florentiner Goldnessel genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Taubnesseln (Lamium), Untergattung der Goldnesseln (Galeobdolon), innerhalb der Familie der Lippenblütengewächse (Lamiaceae). Diese Art ist als Hybride in Gartenkultur neu entstanden. Sie ist eine beliebte Gartenpflanze, die außerdem verwildert und als Neophyt in der mitteleuropäischen Flora weit verbreitet ist. Über die taxonomische Einordnung der Pflanzensippe gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Beschreibung

Laubblätter
Blüte in Nahaufnahme

Vegetative Merkmale

Die Silberblättrige Goldnessel[1] ist eine wintergrüne, ausdauernde krautige Pflanze. Sie bildet Ausläufer. Die beblätterten, oberirdischen Kriechtriebe bewurzeln und können mehr als 1 Meter Länge erreichen. Die aufrechten blühenden Triebe erreichen eine Wuchshöhe von meist 20 bis 45 Zentimeter (15 bis 50 Zentimeter).

Bei den Laubblättern der Kriechtriebe sind einfachen Blattspreiten rundlich bis breit-eiförmig und der Blattrand unregelmäßig einfach bis doppelt gekerbt-gesägt, mit kurzem Endzahn, mehr oder weniger gerundet; ihre Spreitenbasis ist breit- und kurz-keilförmig oder gerundet, selten leicht herzförmig. Die kreuzgegenständigen Stängelblätter sind bei einer Länge von 1 bis 4,5, selten bis zu 5 Zentimetern sowie einer Breite von 1 bis 1,5 Zentimetern lang-eiförmig bis eilanzettlich. Auffällig auf allen Laubblättern ist eine markante, silbrigweiße Fleckung (Panaschierung), die das ganze Jahr hindurch erkennbar ist und oft mehr als die Hälfte der Spreitenfläche, beiderseits einer grün bleibenden Zone entlang der Mittelrippe, einnimmt. Diese weißen Flecken treten auch bei anderen Goldnessel-Sippen bisweilen auf, sind dann aber weniger ausgedehnt und nur zeitweise vorhanden. Die Laubblätter gehen ohne scharfe Abgrenzung in die Tragblätter des endständigen Blütenstands über.

Generative Merkmale

Die Tragblätter sind schmaler, die oberen meist zugespitzt, aber nicht in einen langen und spitzen Zahn auslaufend. Die vierkantigen Blütentriebe sind, an den Kanten dichter als auf den Flächen, anliegend oder halb abstehend behaart, sie sind oben, innerhalb des Blütenstands, markant querrunzelig-gerippt.

Meist fünf bis zehn (drei bis zwölf) Blüten befinden sich in etagenförmigen Scheinquirlen. Die fünf Kelchzähne sind dreieckig und angedrückt behaart. Die gold-gelb Lippenblüten sind mit etwa 21 bis 26 Millimeter Länge im Vergleich mit den verwandten Sippen auffallend groß. Die Oberlippe der Blütenkrone ist stark gewölbt und randlich abstehend gewimpert. Wie typisch für alle Goldnesseln, trägt die Unterlippe eine bräunliche Zeichnung.

Nach Untersuchung an polnischen Pflanzenexemplaren ist Lamium argentatum auch anhand der Oberflächengestaltung der Nüsschen der Klausenfrüchte von den verwandten Sippen differenzierbar.[2]

Chromosomensatz

Lamium argentatum ist tetraploid mit 2n = 4x = 36 Chromosomen und stimmt darin mit Lamium montanum überein, während die Gewöhnliche Goldnessel meist einen diploiden Chromosomensatz aufweist. Die Existenz von Hybriden mit der Berg-Goldnessel Lamium montanum mit intermediärer Ausprägung der Merkmale erscheint wahrscheinlich.[3]

Systematik und botanische Geschichte

Goldnesseln mit silbrig geflecktem Laub sind in der Gartenkultur seit langer Zeit bekannt, sie wurden meist als Kultivare Lamium galeobdolon ‚Florentinum‘ oder Lamium galeobdolon ‚Variegatum‘ aufgefasst. 1975 wurden sie durch den an der Prager Karlsuniversität forschenden Botaniker Miroslav Smejkal unter dem Basionym Galeobdolon argentatum als neue Art beschrieben.[1]

Die Taxonomie der Sippe ist verwickelt, da weder über ihren Status als Art, Unterart oder Form noch über den Status und den korrekten Namen der Goldnesseln generell Einigkeit besteht[4], die je nach Botaniker als weit gefasste Sammelart, als Untergattung oder als eigene Gattung Galeobdolon (syn. Lamiastrum) aufgefasst werden. In seiner Revision der Gattung Lamium[5] fasste Jacob Mennema die Silber-Goldnessel als Form der Gewöhnlichen Goldnessel innerhalb der Gattung Lamium auf und benannte sie Lamium galeobdolon forma argentatum. Zahlreiche neuere Autoren betrachten sie allerdings weiterhin als Unterart oder sogar als eigenständige Art. Die Einstufung als Unterart wurde zuerst 1987 von Jacques Duvigneaud in Bulletin du Jardin Botanique National de Belgique Band 57, Seite 459 durchgeführt; als Art wurde sie 1997 von Götz Heinrich Loos in Floristische Rundbriefe. Zeitschrift für floristische Geobotanik, Populationsökologie und Systematik Band 31(1), Seite 43 (1997) eingestuft, der den Namen von Heinz Siegfried Henker übernommen hat.

In einer neueren Würdigung der morphologischen und genetischen Daten kamen Katarzyna Krawczyk und Kollegen zu dem Schluss, sie derzeit am besten als Unterart Lamium galeobdolon subsp. argentatum (Smejkal) J.Duvign. zur Gewöhnlichen Goldnessel, nahe verwandt zur Berg-Goldnessel, zu stellen, betonen aber die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen dazu.[6] Nach phylogenomischen Untersuchung der Gattung Lamium durch Mika Bendiksby und Kollegen 2011[7] erscheint eine Entstehung durch Polyploidisierung innerhalb der (diploiden) Lamium galeobdolon subsp. galeobdolon naheliegend. In der Datenbank Floraweb des Bundesamtes für Naturschutz[8] ist sie weiterhin als Galeobdolon argentatum im Artrang aufgeführt.

Habitus im Habitat

Verbreitung

Die Art ist, soweit bekannt, in Kultur, im Garten, entstanden, echte Wildvorkommen sind nicht bekannt. Erste Vorkommen existierten schon im 19. Jahrhundert[9], die Sippe wurde aber lange Zeit verkannt und nicht beachtet. Sie ist aber verbreitet, oft durch Ablagerung von Gartenabfällen[10][11], innerhalb von Wäldern verwildert und dort als Neophyt eingebürgert. Regional, so etwa in den Niederlanden[5], ist sie dort heute häufiger als die autochthone Gewöhnliche Goldnessel. In Deutschland wird sie vom Bundesamt für Naturschutz als invasive Art in der sogenannten Managementliste der Warnliste invasiver Gefäßpflanzenarten in Deutschland aufgeführt. Stellenweise werde in siedlungsnahen bzw. lichten Wäldern Deutschlands und Österreichs die Bodenvegetation fast ausschließlich von der Silberblättrigen Goldnessel gebildet, wodurch heimische Arten verdrängt werden können. Außerdem bedroht sie durch Hybridisierung das genetische Potenzial der, gebietsweise bestandsbedrohten, anderen Goldnessel-Sippen.[9] Diese Art gehört zu den Agriophyten, das sind diejenigen neophytischen Arten, die nicht nur in gestörten Lebensräumen Fuß fassen, sondern die in die natürliche Vegetation eindringen können.

Einzelnachweise

  1. a b Miroslav Smejkal (1975): Galeobdolon argentatum sp. nova, ein neuer Vertreter der Kollektivart Galeobdolon luteum (Lamiaceae). In: Preslia (Praha), Band 47, S. 241–248.
  2. Aneta Czarna & Lestek Bednorz (2011): New diagnostic features of taxa within Lamium subg. Galeobdolon (Lamiaceae). In: Roczniki Akademii Rolniczej w Poznaniu 15, S. 49–51.
  3. R. Rosenbaumová, I. Plačková, J. Suda (2004): Variation in Lamium subg. Galeobdolon (Lamiaceae) — insights from ploidy levels,morphology and isozymes. In: Plant Systematics and Evolution 244 (3/4), S. 219–244.
  4. Eckehart J. Jäger, Friedrich Ebel, Peter Hanelt, Gerd K. Müller: Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland: Band 5 Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Springer-Spektrum, Berlin und Heidelberg 2007, ISBN 978-3-662-50419-2, S. 24 und S. 510.
  5. a b Jacob Mennema: A taxonomic revision of Lamium (Lamiaceae). In: Leiden Botanical Series, Band 11, Leiden University Press, Leiden, New York, Kobenhaven, Köln 1989, ISBN 90-04-09109-2, S. 45–46.
  6. Katarzyna Krawczyk, Tadeusz Korniak, Jakub Sawicki (2013): Taxonomic status of galeobdolon luteum Huds. (Lamiaceae) from classical taxonomy and phylogenetics perspective. In: Acta biologica Cracoviensia. Series botanica 55 (2), S. 1–11. doi:10.2478/abcsb-2013-0016
  7. Mika Bendiksby, Anne K. Brysting, Lisbeth Thorbek, Galina Gussarova, Olof Ryding (2011): Molecular phylogeny and taxonomy of the genus Lamium L. (Lamiaceae): Disentangling origins of presumed allotetraploids. In: Taxon 60 (4), S. 986–1000. doi:10.1002/tax.604004
  8. Galeobdolon argentatum Smejkal (Silberblättrige Goldnessel). auf FloraWeb.de
  9. a b Stefan Nehring, Ingo Kowarik, Wolfgang Rabitsch, Franz Essl (Herausgeber): Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen. BfN-Skripten Nr. 352. herausgegeben vom BfN Bundesamt für Naturschutz, Bonn 2013. ISBN 978-3-89624-087-3. darin Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung Galeobdolon argentatum – Silber-Goldnessel, S. 98–99.
  10. Dietmar Brandes, Hannes Schlender: Zum Einfluß der Gartenkultur auf die Flora der Waldränder. In: Braunschweiger naturkundliche Schriften, Band 5, 4, 1999, S. 769–779.
  11. Hans-Peter Rusterholz, Bruno Baur: Illegale Grüngutdeponien fördern Exoten im Wald. In: Wald und Holz, 8/2012, S. 29–31.
Commons: Lamiastrum galeobdolon Variegatum Group – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien