Sieben feindliche Offensiven
Die sieben feindlichen Offensiven (serbokroatisch Sedam neprijateljskih ofanziva), auch „große feindliche Offensiven“ genannt,[1] waren in der Historiographie des Zweiten Weltkriegs in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien sieben Phasen, in denen die Achsenmächte (Deutschland, Italien, Ungarn, Bulgarien) sowie deren Kollaborateure (Ustascha, Tschetniks) im besetzten Jugoslawien (1941–1945) die Truppen der Volksbefreiungsarmee bekämpften.
Historiographie

Die Unterteilung in die sieben feindlichen Offensiven wurde schon während des Zweiten Weltkriegs selbst getroffen.[2] Basil Davidson hielt sich für sein im Jahr 1946 veröffentlichtes Buch wiederholt an die Einteilung des Partisanenkriegs in Feindoffensiven.[3] Das Narrativ des heroischen Abwehrkampfes gegen verschiedene erfolglose Feindoffensiven diente im Jugoslawien der Nachkriegszeit nicht zuletzt dem Versuch, aus der Kriegserfahrung den politischen Effekt der nationalen Einheit zu gewinnen.[4] Hierbei wurden nationale Opfernarrative vermieden und auch ethnisch motivierte Massaker jugoslawischer Fraktionen (Morde der Ustascha an Serben oder Bosniaken, Morde der Tschetniks an Kroaten oder Bosniaken) ausgeblendet, um die landesinternen Konflikte des Weltkriegs nicht wiederzubeleben.[5]
Die Begrifflichkeit der sieben feindlichen Offensiven wurde durch Übersetzungen jugoslawischer Veröffentlichungen auch in der Geschichtsschreibung der DDR gebräuchlich.[6][7]
Liste der Offensiven
- Die „erste feindliche Offensive“ fand Ende 1941 statt, als die Achsenmächte die zuvor von den Partisanen proklamierte Republik Užice angriffen (Unternehmen Užice) und letztendlich eroberten.[8]
- Die „zweite feindliche Offensive“ bezeichnet die Verfolgungskämpfe der Achsenmächte gegen die Partisanen im Winter 1941/42, hauptsächlich das Unternehmen Südostkroatien sowie das Unternehmen Ozren.[9]
- Die „dritte feindliche Offensive“ bezeichnet die gemeinsame Offensive der Deutschen, Italiener und Ustascha (Unternehmen Trio) gegen die Partisanen, die im April 1943 begann.[10]
- Die „vierte feindliche Offensive“ bezeichnet die Operationen der Achsenmächte während der Schlacht an der Neretva.[11]
- Die „fünfte feindliche Offensive“ bezeichnet die Operationen der Achsenmächte während der Schlacht an der Sutjeska.[11]
- Die „sechste feindliche Offensive“ bezeichnet die Operationen der Achsenmächte zum Jahreswechsel 1943/44, hauptsächlich das Unternehmen Kugelblitz im Dezember.[12]
- Die „siebte feindliche Offensive“ bezeichnet den Überraschungsangriff der Achsenmächte im Mai 1944, hauptsächlich das Unternehmen Rösselsprung.[13]
Alternative Interpretationen
Schon vor dem Zusammenbruch Jugoslawiens waren nicht alle Historiker mit der Einteilung oder Zählung zufrieden; der jugoslawische Militärhistoriker Mladenko Colić benannte den Aufstand in Montenegro 1941 und die Gegenoffensive der italienischen Armee im Sommer 1941 als die echte erste Feindoffensive, was die Zählung der anderen Offensiven entsprechend verschiebt.[14]
Populärkultur
Ein aktiver Rückgriff auf die Nummerierung der feindlichen Offensiven findet sich im Titel des jugoslawischen Spielfilms Die fünfte Offensive – Kesselschlacht an der Sutjeska von 1973.
Einzelnachweise
- ↑ Jovan Marjanović: Thesen über den Volksbefreiungskrieg und die Volksrevolution in Jugoslawien. In: Internationales Jahrbuch für Geschichtsunterricht. Band 6, 1958, S. 109–117, JSTOR:43054667.
- ↑ Plakat „Živela Jugoslovenska armija, čuvar slobode naših naroda!“ In: muzej-jugoslavije.org. Jugoslawien-Museum Belgrad, abgerufen am 15. August 2025 (serbisch).
- ↑ Basil Davidson: Partisan Picture. 1946 (englisch, znaci.org).
- ↑ Robert J. Donia: Introduction. In: Enver Redžić (Hrsg.): Bosnia and Herzegovina in the Second World War. Frank Cass, London / New York 2002, ISBN 0-203-30951-0, S. 1–3 (englisch, bosnisch: Bosna i Hercegovina u Drugom svjetskom ratu. Sarajewo 1998. Übersetzt von Aida Vidan).
- ↑ Marko Fuček: Generational Transition and Revolutionary Tradition in Yugoslavia, 1945–1960. In: Drugi Međunarodni Interdisciplinarni Skup Mladih Naučnika Društvenih i Humanističkih Nauka – the Second International Interdisciplinary Conference for Young Scholars in Social Sciences and Humanities. Philosophische Fakultät der Universität Novi Sad, Novi Sad 2015, ISBN 978-86-6065-338-5, S. 641–650 (englisch, serbisch, researchgate.net [PDF]).
- ↑ Hans Burkhardt, Günter Erxleben, Kurt Nettball: Die mit dem blauen Schein: über den antifaschistischen Widerstand in den 999er-Formationen der faschistischen deutschen Wehrmacht (1942 bis 1945). Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Ost-Berlin 1982.
- ↑ Ernstgert Kalbe: Antifaschistischer Widerstand und volksdemokratische Revolution in Südosteuropa: das Hinüberwachsen des Widerstandskampfes gegen den Faschismus in die Volksrevolution (1941–1944/45): ein revolutionsgeschichtlicher Vergleich. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Ost-Berlin 1974.
- ↑ Nigel Thomas: Yugoslav Armies 1941–45. Osprey Publishing, Oxford 2022, ISBN 978-1-4728-4204-6 (englisch).
- ↑ Jozo Tomasevich: War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945: Occupation and Collaboration. Stanford University Press, Stanford 2001, ISBN 0-8047-3615-4, Kapitel: „Ustasha Terror Engenders Armed Resistance“, S. 412–415 (englisch).
- ↑ Jozo Tomasevich: War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945: Occupation and Collaboration. Stanford University Press, Stanford 2001, ISBN 0-8047-3615-4, Kapitel: „Italian and German Occupation of Montenegro“, S. 138–148 (englisch).
- ↑ a b Jozo Tomasevich: War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945: Occupation and Collaboration. Stanford University Press, Stanford 2001, ISBN 0-8047-3615-4, Kapitel: „German Rule in Croatia“, S. 274–294 (englisch).
- ↑ Marko Attila Hoare: Bosnian Muslims in the Second World War: A History. Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-231-70394-9, Kapitel: „The Muslim and Croat rebellion: c. April 1943–October 1943“, S. 103–153 (englisch).
- ↑ Marie-Janine Calic: A History of Yugoslavia. Purdue University Press, West Lafayette 2019, ISBN 978-1-61249-563-7, Kapitel: „Occupation, Collaboration, and Resistance“, S. 125–141 (englisch, deutsch: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. München 2014.).
- ↑ Mladenko Colić: Pregled operacija na jugoslovenskom ratištu 1941–1945. Vojnoistorijski institut, 1988 (serbokroatisch).