Sharon Dodua Otoo

Sharon Dodua Otoo

Sharon Dodua Otoo (* 1972 in London) ist eine britisch-deutsche[1] Schriftstellerin, Publizistin und Aktivistin in den Bereichen Feminismus und Antirassismus. Im Jahr 2016 wurde Otoo mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet.

Leben

Sharon Dodua Otoos Eltern stammen aus Accra, der Hauptstadt Ghanas. Sie ist in London geboren und dort mit zwei Geschwistern im Stadtbezirk Ilford aufgewachsen.[2][3]

Otoo studierte German und Management Studies am Royal Holloway College der Universität London und erlangte 1997 den Abschluss B.A. (Hons).

Seit 2006 lebt sie mit ihren vier Söhnen in Berlin und besitzt auch die deutsche Staatsbürgerschaft.[4] Otoo ist aktiv im Phoenix e. V. und in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund) e. V., deren Vorstand sie von 2010 bis 2013 angehörte. Sie veröffentlichte eine Reihe von Artikeln und Kommentaren u. a. in Missy Magazine, an.schläge, ak – analyse & kritik (ak), im Tagesspiegel und im African Courier. Ihre Beiträge, Kommentare, Berichte, Rezensionen, Feuilletons und Diskussionsbeiträge beschäftigen sich mit politischen Fragen des Feminismus, des Weißseins sowie weiterhin mit Kultur- und Bildungsthemen.

Von 2014 bis 2017 arbeitet Otoo als Projektkoordinatorin bei RAA Berlin e. V.[5] und im Verlag w_orten und meer[6]. Sie ist Herausgeberin der englischsprachigen Buchreihe Witnessed,[7] in der bis 2016 fünf Bücher erschienen sind.

Otoos kreatives Schreiben befasst sich mit den Themen Magischer Realismus, Afrofuturismus, Identitätsverhandlungen, Beziehungen und Empowerment.[2]

Auf Einladung von Sandra Kegel las Otoo bei den 40. Tagen der deutschsprachigen Literatur 2016 in Klagenfurt den Text Herr Gröttrup setzt sich hin und erhielt den Ingeborg-Bachmann-Preis[8][9] als erste Britin und als erste schwarze Autorin.[10] Die Hauptfiguren des Textes sind angelehnt an den Ingenieur und Raketentechniker Helmut Gröttrup und dessen Ehefrau Irmgard.[11][12] Am Anfang steht eine Szene beim Frühstück, die an Loriots Sketch Das Frühstücksei denken lässt.[13] Dann erzählt ein diffuses Ich, das im Moment ein Frühstücksei ist, das nicht hart werden will, aber auch schon ein Erdbeben und ein Lippenstift war. Von der Jurorin Meike Feßmann wurde dieses Ich als „Wechselbalg der Reinkarnation“ bezeichnet, als „Ich, das sich weigert, markiert zu sein“.[13]

Am 13. Oktober 2016 hielt Otoo die Eröffnungsrede der Ausstellung »Deutscher Kolonialismus« im Deutschen Historischen Museum in Berlin.[14]

2021 wurde ihr erster Roman Adas Raum im S. Fischer Verlag veröffentlicht. Er wurde für die Shortlist des Debüt-Preises ausgewählt.[15]

Im Oktober 2021 wurde sie in das PEN-Zentrum Deutschland aufgenommen.[16]

Für das akademische Jahr 2021/2022 war sie als Schroeder-Writer-in-Residence Stipendiatin des Jesus College, Cambridge, England.[17]

Am 1. Oktober 2022 wurde ihr der Verdienstorden des Landes Berlin verliehen.[18]

Am 27. November 2023 gab die Stadt Bochum bekannt, den Peter-Weiss-Preis 2023 an Otoo zu vergeben. Nach einem Bericht im Blog Ruhrbarone kündigte die Stadt tags darauf jedoch an, die Preisvergabe auszusetzen und den Sachverhalt zu prüfen.[19] Ruhrbarone hatte zuvor darüber berichtet, dass Otoo 2015 eine Petion der der BDS-Bewegung nahestehenden britischen Kampagne „Artists for Palestine UK“ unterzeichnet hatte.[20][21][22] Sie erklärte, heute einen solchen Aufruf nicht mehr zu unterstützen, und sie werde den ihr zugedachten Preis nicht annehmen.[20][21] Das Preisgeld in Höhe von 15.000 Euro spendete die Stadt Bochum stattdessen auf Vorschlag Otoos an die Initiative Gesellschaft im Wandel, die sich für den Dialog zum Thema Nahostkonflikt an Schulen in Deutschland einsetzt.[23]

Audio

Werke (Auswahl)

  • 2022: Herr Gröttrup setzt sich hin. Drei Texte. Frankfurt am Main, Fischer 2022, ISBN 978-3-10-397185-9.
  • 2022: Schnipsel der Stille. In: Heinrich Böll, Sharon Dodua Otoo: Gesammeltes Schweigen. Hamburg/Berlin, Edition Zweifel, ISBN 978-3-9824323-0-4.
  • 2025: Mahlerstrasse 8. 'haɪ̯maːtn̩ Bd. 4, zweisprachig (dt./en.), hg. v. Haus der Kulturen der Welt (HKW), Leipzig, Merve, ISBN 978-3-96273-553-1.

Roman

  • 2021: Adas Raum. Verlag S. Fischer, Frankfurt 2021, ISBN 978-3-10-397315-0.

Novellen

  • 2012: the things i am thinking while smiling politely. Münster, edition assemblage, ISBN 978-3-942885-22-5.
  • 2013: Dodua (2013) die dinge, die ich denke während ich höflich lächle. Übersetzung Mirjam Nuenning. Wie vor, ISBN 978-3-942885-39-3.
  • 2014: Synchronicity. Übersetzung Mirjam Nuenning. Wie vor, ISBN 978-3-942885-74-4.
  • 2015: Synchronicity. The Original Story. Wie vor, ISBN 978-3-942885-95-9.

Kurzgeschichten

  • 2015: Die Geschichte vom Kreis und Viereck. In: Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard (Hrsg.) (K)Erben des Kolonialismus im Wissenschaftsarchiv deutsche Sprache. Münster, Unrast Verlag, S. 378.
    • Wie bei den Pinguinen. In: Florence Hervé, Melanie Stitz (Hrsg.): Wir Frauen 2015. Köln, PapyRossa Verlag
    • Anonym: Ask Auntie D. In: Philipp Khabo Koepsell (Hrsg.): The Afropean Contemporary: Literatur- und Gesellschaftsmagazin. Berlin, epubli, ISBN 978-3-8442-8326-6
    • Mit Bino Byansi Byakuleka: The Romantics and the Criminals. In: Clementine Burnley und Sharon Dodua Otoo (Hrsg.): Winter Shorts. Münster, edition assemblage, S. 37–44
    • Whtnacig Pnait (Watching Paint). Wie vor, S. 67–78
  • 2019: Liebe. In: Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah (Hrsg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Berlin, Ullstein fünf, ISBN 978-3-961010-36-3

Online-Artikel

  • 2013: Correct me if I am (politically) wrong – „Echte“ Kunst, Elitarismus und weiße Wahnvorstellungen der Erhabenheit. In: Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst, Wien, Nr. 28, Frühling, Critical Correctness[24]
    • Wer hat die Definitionsmacht? Durch die Wahl unserer Worte verändern wir die Realität. In: Critical Whiteness. Debatte um antirassistische Politik und nicht diskriminierende Sprache. Sonderbeilage Analyse & Kritik, Herbst 2013, PDF 700 KB (S. 24–25)
  • 2014: Vom Schauen und Sehen. Schwarze Literatur und Theorieproduktion als Chance... In: an.schläge[25]
  • 2015: Audre Lorde. Schwarze, Lesbe, Mutter, Kriegerin, Poetin. In: Der Tagesspiegel[26]

Herausgeberin der Buchreihe „Witnessed“

  • 2012, Sandrine Micossé-Aikins und Sharon Dodua Otoo (Hrsg.): The Little Book of Big Visions. How to Be an Artist and Revolutionize the World. Series: Witnessed, Edition 1, Münster, edition assemblage, ISBN 978-3-942885-31-7.
  • 2013, Olumide Popoola: Also by Mail. Wie vor, Edition 2, ISBN 978-3-942885-38-6.
    • Nzitu Mawakha: Daima. Images of Women of Colour in Germany. Wie vor, Edition 3, ISBN 978-3-942885-31-7.
  • 2015, Amy Evans: The Most Unsatisfied Town. Wie vor, Edition 4, ISBN 978-3-942885-76-8.
    • Clementine Burnley und Sharon Dodua Otoo (Hrsg.): Winter Shorts. Wie vor, Edition 5, ISBN 978-3-942885-94-2.

Literatur

  • Sarah Colvin: Talking Back: Sharon Dodua Otoo’s Herr Gröttrup setzt sich hin And the Epistemology Of Resistance. In: German Life and Letters. Band 73, Nr. 4, Oktober 2020, ISSN 0016-8777, S. 659–679, doi:10.1111/glal.12287 (wiley.com [abgerufen am 22. Oktober 2020]).
  • Martina Kofer: From Colonialism to Contemporary Racism: Retelling (Male) Master Narratives from the Perspective of Marginalized Women in Sharon Dodua Otoo’s Fictional Texts. In: Elisabeth Krimmer, Chunjie Zhang (Hrsg.): Gender and German colonialism: intimacies, accountabilities, intersections. Routledge, New York, London 2024 (Routledge research in gender and history; 53), ISBN 978-1-032-45855-7, S. 260–282.
  • Helga Druxes: De-Naturalizing Gender and National Belonging: Literary Essayistic Interventions by Otoo and Yaghoobifarah. In: Elisabeth Krimmer, Chunjie Zhang (Hrsg.): Gender and German colonialism: intimacies, accountabilities, intersections. Routledge, New York, London 2024 (Routledge research in gender and history; 53), ISBN 978-1-032-45855-7, S. 283–305.
Commons: Sharon Dodua Otoo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. www.edition-assemblage.de.
  2. a b Sharon Dodua Otoo | Edition Assemblage. In: edition-assemblage.de. Abgerufen am 19. Mai 2016.
  3. Wolfgang Tischer: Bachmannpreis-Podcast 2016 – Folge 6 mit der Gewinnerin Sharon Dodua Otoo. In: literaturcafe.de. 3. Juli 2016, abgerufen am 4. Juli 2016 (Auskunft auf Nachfrage im Podcast bei Minute 14:22 Minuten).
  4. Martina Sulner: Wo erleben Sie Rassismus, Sharon Dodua Otoo? In: RND.de. RedaktionsNetzwerk Deutschland, 27. Februar 2021, abgerufen am 27. Februar 2021.
  5. Team – RAA Berlin. In: RAA Berlin. Archiviert vom Original am 27. Oktober 2016; abgerufen am 28. Juli 2022.
  6. sharon dodua otoo. In: w_orten & meer. Archiviert vom Original am 9. März 2019; abgerufen am 28. Juli 2022.
  7. Witnessed – Black Author Book Series | Edition Assemblage. In: www.edition-assemblage.de. Abgerufen am 19. Mai 2016.
  8. Sharon Dodua Otoo - GB - Bachmannpreis. In: orf.at. 24. Mai 2016, abgerufen am 28. März 2017.
  9. Sharon Dodua Otoo erhält Bachmannpreis. In: kaernten.orf.at. Abgerufen am 3. Juli 2016.
  10. Rezension zu Adas Raum von Sharon Dodua Otoo. Süddeutsche Zeitung, abgerufen am 5. Juni 2021.
  11. Sharon Dodua Otoo gewinnt Bachmann-Preis. In: tagesschau.de. Abgerufen am 4. Juli 2016.
  12. Sarah Colvin: TALKING BACK: SHARON DODUA OTOO’S HERR GRÖTTRUP SETZT SICH HIN AND THE EPISTEMOLOGY OF RESISTANCE. In: German Life and Letters. Band 73, Nr. 4, Oktober 2020, ISSN 0016-8777, S. 659–679, doi:10.1111/glal.12287.
  13. a b Kathleen Hildebrand: Hitze und wilde Wirklichkeit von allen Seiten. Vielfalt und aufgelöste Identitäten: Bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur gewinnt Sharon Dodua Otoo den Bachmann-Preis. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 152, 4. Juli 2016, S. 9.
  14. Sharon Dodua Otoo: Eröffnungsrede der Ausstellung »Deutscher Kolonialismus«. In: fischerverlage.de. Abgerufen am 15. Februar 2025.
  15. [Das Debüt 2021] Die Shortlist. In: Das Debüt. DasDebüt, 6. Dezember 2021, abgerufen am 19. Dezember 2021.
  16. PEN nimmt neue Mitglieder auf, darunter Mithu Sanyal, Sharon Dodua Otoo, Jo Lendle und Benedict Wells. In: PEN-Zentrum Deutschland. 28. Oktober 2021, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. Januar 2022; abgerufen am 11. Februar 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.pen-deutschland.de
  17. Jesus College: Jesus College elects nine new Visiting Fellows. Abgerufen am 19. Dezember 2021 (englisch).
  18. Franziska Giffey verleiht den Berliner Landesorden. In: berlin.de. 1. Oktober 2022, abgerufen am 2. Oktober 2023.
  19. Stadt Bochum: Vergabe des Peter-Weiss-Preises ausgesetzt | Stadt Bochum. 28. November 2023, abgerufen am 30. November 2023.
  20. a b dpa: Autorin Otoo distanziert sich von Israel-Boykott. Süddeutsche Zeitung, 29. November 2023, abgerufen am 30. November 2023.
  21. a b Dirk Knipphals: „Mein Entsetzen ist eindeutig“. In: taz. 29. November 2023, abgerufen am 29. November 2023.
  22. Sharon Dodua Otoo: Stadt Bochum hat Preisverleihung wegen möglicher BDS-Nähe ausgesetzt. In: Der Spiegel. 28. November 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. September 2025]).
  23. Peter-Weiss-Preis einigt sich mit Otoo: Preisgeld geht an eine Initiative. In: Die Tageszeitung: taz. 8. Dezember 2023, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 10. September 2025]).
  24. Correct me if I am (politically) wrong | Linksnet. Abgerufen am 28. Juli 2022.
  25. Vom Schauen und Sehen | Linksnet. Abgerufen am 15. Januar 2018.
  26. „Schwarze, Lesbe, Mutter, Kriegerin, Poetin“. Abgerufen am 15. Januar 2018.