Liste von Trennungseigenschaften von Mengen in topologischen Räumen

Im mathematischen Teilgebiet der Topologie ist es von Interesse, inwieweit zwei disjunkte Teilmengen eines topologischen Raums unter Verwendung topologischer Begriffe als getrennt angesehen werden können. Derartige Trennungseigenschaften können auch auf zwei verschiedene Punkte angewendet werden, indem man diese als disjunkte einelementige Mengen betrachtet. Es gibt mehrere solcher Trennungseigenschaften, die hier in der Reihenfolge ihrer Stärke behandelt werden.

Im Folgenden sei ein topologischer Raum.

Separierte Teilmengen

Zwei disjunkte Teilmengen heißen separiert, wenn jede dieser Mengen disjunkt zur abgeschlossenen Hülle der anderen ist, in Formeln

.[1][2][3]

Diese Eigenschaft heißt auf englisch separated und wird sehr selten mit getrennt übersetzt.[4] Manche Autoren nennen diese Eigenschaft auch schwach separiert englisch weakly separated.[5] Äquivalent sind und genau dann separiert, wenn jede der Mengen eine offene Umgebung besitzt, die die jeweils andere Menge nicht schneidet, das heißt wenn es offene Umgebungen von und von mit und .

Ein topologischer Raum ist definitionsgemäß ein T1-Raum, wenn je zwei verschiedene Punkte separiert sind.[6] Ein topologischer Raum ist genau dann zusammenhängend, wenn er nicht als Vereinigung nicht-leerer separierter Mengen geschrieben werden kann.[7]

Die Intervalle und sind im topologischen Raum mit der üblichen Topologie zwar disjunkt, aber nicht separiert, denn die abgeschlossene Hülle von hat mit einen nicht-leeren Durchschnitt.

Durch offene Mengen getrennte Teilmengen

Zwei disjunkte Teilmengen heißen durch offene Mengen getrennt, wenn sie disjunkte offene Umgebungen besitzen, in Formeln

.

Dieser Begriff wird häufig verwendet, ohne dass die Autoren ihn in einer Definition festhalten.[8][9][10][11][12] Sehr selten findet man auch die Redeweise durch offenen Mengen separiert.[13] Manche Autoren nennen diese Eigenschaft auch stark separiert (englisch strongly separated).[5]

Ein topologischer Raum ist definitionsgemäß ein T2-Raum, wenn je zwei verschiedene Punkte durch offene Mengen getrennt sind.[6] Ein topologischer Raum heißt normal, wenn je zwei disjunkte abgeschlossene Mengen durch offene Mengen getrennt werden können.

Durch offene Mengen getrennte Mengen sind offenbar separiert. Jeder T1-Raum, der kein T2-Raum ist, enthält zwei verschiedene Punkte, das heißt disjunkte einelementige Mengen, die zwar separiert, aber nicht durch offene Mengen getrennt sind. In einem unendlichen Raum mit der kofiniten Topologie gilt das sogar für je zwei verschiedene Punkte.

Durch abgeschlossene Umgebungen getrennte Teilmengen

Zwei disjunkte Teilmengen heißen durch abgeschlossene Mengen getrennt, wenn sie disjunkte abgeschlossene Umgebungen besitzen, in Formeln

.[14]

Auch dieser Begriff wird in der Topologie verwendet, ohne dass immer eine Definition vorangeht.[15][16]

Ein topologischer Raum heißt Urysohn-Raum, wenn je zwei verschiedene Punkte durch abgeschlossene Umgebungen getrennt werden können.[17]

Durch abgeschlossene Umgebungen getrennte Mengen sind sicher durch offene Mengen getrennt, denn aus folgt . Die offenen Intervalle und im topologischen Raum sind durch offene Mengen getrennt, denn sie sind ja selbst offen, aber offenbar nicht durch abgeschlossene Umgebungen, denn abgeschlossene Umgebungen müssen bzw. und damit den gemeinsamen Punkt 1 enthalten.

Durch stetige Funktionen getrennte Teilmengen

Zwei disjunkte Teilmengen heißen durch eine stetige Funktion getrennt, wenn es eine stetige Funktion des Raumes in das Einheitsintervall gibt, die nach und nach abbildet, in Formeln

.[18][19][20]

Man sagt in dieser Situation, trenne und .[21] Viele Autoren nennen eine solche Funktion eine Urysohn-Funktion und sprechen davon, dass es zu und eine Urysohn-Funktion gebe.[22]

Das Lemma von Urysohn sagt aus, dass je zwei disjunkte abgeschlossene Mengen eines normalen Raums durch eine stetige Funktion getrennt sind, daher die Bezeichnung Urysohn-Funktion. Ein Hausdorff-Raum, in dem je zwei Punkte durch eine stetige Funktion getrennt sind, heißt ein vollständiger Hausdorff-Raum.

Mengen, die durch eine stetige Funktion getrennt sind, können auch durch abgeschlossene Umgebungen getrennt werden, denn die offenen Mengen und leisten offenbar das in der Definition Verlangte. Beispiele für das Versagen der Umkehrung sind schwierig. Es gibt komplizierte reguläre Hausdorff-Räume, auf denen alle stetigen, reellwertigen Funktionen konstant sind.[23] In solchen Räumen kann es keinerlei Trennung durch stetige Funktionen geben, aber je zwei verschiedene Punkte können wegen der Regularität durch abgeschlossene Umgebungen getrennt werden.

Trennungsbegriff zur Definition eines perfekt normalen Raums

Bei der im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten Trennung zweier Mengen und durch eine eine stetige Funktion hat man und . Man erhält eine offensichtliche Verschärfung dieses Trennungsbegriffs, wenn man hier Gleichheit und fordert, in englischsprachiger Literatur nennt man dies auch precisely separated. Da die Urbilder und abgeschlossen sind, kann man diesen Trennungsbegriff nur auf abgeschlossene Mengen anwenden. Dass je zwei disjunkte, abgeschlossene Mengen auf diese schärfere Weise durch eine stetige Funktion getrennt werden können, ist eine der äquivalenten Charakterisierungen perfekt normaler Räume.[21]

Dieser Trennungsbegriff für perfekt normale Räume ist auch für abgeschlossene Teilmengen echt stärker als die Trennung durch eine Urysohn-Funktion. Da eine Menge der Form eine Gδ-Menge sein muss, genügt es, eine abgeschlossene Menge in einem normalen Raum anzugeben, die keine Gδ-Menge ist. Ist die kleinste überabzählbare Ordinalzahl, so ist das Intervall mit der Ordnungstopologie als kompakter Raum sicher normal und ist keine Gδ-Menge (siehe auch Tichonow-Planke). Daher sind und zwei abgeschlossene Mengen, die sich durch Urysohn-Funktionen trennen lassen, nicht aber im hier vorgestellten stärkeren Sinne.

Einzelnachweise

  1. Gerhard Preuß: Allgemeine Topologie. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 1975, ISBN 3-540-07427-9, Fußnote auf Seite 144.
  2. Lothar Jantscher: Topologie. Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden 1982, ISBN 3-400-00485-5, S. 179, Definition 34.II..
  3. Seymour Lipschutz: Allgemeine Topologie - Theorie und Anwendung. McGraw-Hill Book Company GmbH, 1977, ISBN 0-07-092012-5, Kaptitel 13 Zusammenhang.
  4. Willi Rinow: Lehrbuch der Topologie. Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1975, ISBN 3-8171-1292-0, S. 117.
  5. a b Avishek Adhikari, Mahima Ranjan Adhikari: Basic Topology 1. Springer Verlag, 2022, ISBN 978-981-16-6509-7, S. 234, Definition 4.1.1 (englisch).
  6. a b Avishek Adhikari, Mahima Ranjan Adhikari: Basic Topology 1. Springer Verlag, 2022, ISBN 978-981-16-6509-7, S. 234, in Definition 4.1.3 (englisch).
  7. K. P. Grotemyer: Topologie. B. I. Hochschultaschenbücher, Mannheim Wien Zürich 1969, ISBN 3-411-00836-9, S. 88, Definition 36 und Definition 37.
  8. Thomas Bedürftig, Roman Murawski, Karl Kuhlemann: Philosophie der Mathematik. Walter de Gruyter GmbH, Berlin Boston 2024, ISBN 978-3-11-105988-4, S. 317, Fußnote 5 (Trennung von disjunkten abgeschlossenen Mengen durch offene Mengen).
  9. Fridtjof Toenniessen: Topologie: Ein Lesebuch von den elementaren Grundlagen bis zur Homologie und Kohomologie. Springer Spektrum, 2017, ISBN 978-3-662-54963-6, S. 36, Kapitel 2.1 Das Lemma von Urysohn, doi:10.1007/978-3-662-54964-3 (ein Punkt und eine Menge werden durch Umgebungen getrennt).
  10. Dirk Werner: Einführung in die höhere Analysis. Springer, Berlin Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-79599-5, S. 36, Definition I.7.2, doi:10.1007/978-3-540-79696-1 (Nach der Definition: A und B können durch offenen Mengen getrennt werden).
  11. René Bartsch: Allgemeine Topologie. Walter de Gruyter GmbH, Berlin Boston 2015, ISBN 978-3-11-040617-7, Beweis zu Lemma 6.4.6 (Trennung zweier abgeschlossener Mengen durch offenen Mengen).
  12. Joachim Hilgert: Mathematische Strukturen: Von der linearen Algebra über Ringen zur Geometrie mit Garben. Springer Spektrum, Berlin Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-48869-0, S. 179, Beispiel 6.14 (Riemann'sche Flächen von Funktionskeimen), doi:10.1007/978-3-662-48870-6 (Trennung zweier Punkte durch offenen Mengen beim Nachweis der Hausdorffeigenschaft).
  13. Saunders MacLane: Kategorien: Begriffssprache und mathematische Theorie. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 1972, ISBN 3-540-05634-3, S. 132, doi:10.1007/978-3-642-65296 (zwei Punkte werden durch disjunkte offene Mengen separiert).
  14. The separation axioms. nLab, abgerufen am 28. Juli 2025 (englisch).
  15. M. Wolski: Granular Computing: Topological and Categorical Aspects of Near and Rough Sets to Granulation of Knowledge. In: Transactions on Rough Sets XVI. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36504-1, S. 40, Kap. 2.1. Definition 14, doi:10.1007/978-3-642-36505-8 (englisch).
  16. Jörg Flum, Martin Ziegler: Topological Model Theory. In: Lecture Notes in Mathematics. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1980, ISBN 3-540-09732-5, S. 80 (englisch).
  17. Will Chambers: Topology. ED Tech Press, 2018, ISBN 978-1-83947-336-4, S. 110, Definition Urysohn space (englisch).
  18. Avishek Adhikari, Mahima Ranjan Adhikari: Basic Topology 1. Springer Verlag, 2022, ISBN 978-981-16-6509-7, S. 400, Definition 6.2.1 (englisch).
  19. Uwe Storch: Lehrbuch der Mathematik: Analysis auf Mannigfaltigkeiten - Funktionalanalysis. B.I.- Wissenschaftsverlag, 1989, ISBN 3-8274-0137-2, S. 854 (Mengen durch stetige Funktionen getrennt).
  20. W. T. van Est, H. Freudenthal: Trennung durch stetige Funktionen in topologischen Räumen. In: Indagationes Mathematicae. Band 13, 1951, S. 359–368.
  21. a b Ryszard Engelking: General Topology. Państwowe Wzdawnictwo Naukowe, Warschau 1977, S. 64, Kap. I.5 Axioms of Separation.
  22. Gerd Laures, Markus Szymik: Grundkurs Topologie. Springer Spektrum, Berlin Heidelberg 2015, ISBN 978-3-662-45952-2, S. 48, Definition einer Urysohn-Funktion, doi:10.1007/978-3-662-45953-9.
  23. Edwin Hewitt: On Two Problems of Urysohn. In: Annals of Mathematics. Band 47, Nr. 3, Juli 1946, S. 503–509, Theorem 1, doi:10.2307/1969089, JSTOR:1969089 (englisch).