Der Seiberg-Witten-Modulraum (kurz SW-Modulraum, auch Monopol-Modulraum) ist im mathematischen Teilgebiet der Differentialgeometrie der Modulraum der Seiberg-Witten-Gleichungen, also der Raum ihrer Lösungen bis auf Eichungen. Benutzt wird dieser für die Definition der Seiberg-Witten-Invarianten, welche beim Studium vierdimensionaler glatter Mannigfaltigkeiten (kurz 4-Mannigfaltigkeiten) verwendet werden. Eine sehr nützliche Eigenschaft des Seiberg-Witten-Modulraumes ist, dass dieser immer kompakt ist, was eine Verbesserung gegenüber dem zuvor benutzen Yang-Mills-Modulraum ist und zur Vereinfachung der Herleitung vieler Resultate aus der Donaldson-Theorie führte. Benannt ist der Seiberg-Witten-Modulraum nach Nathan Seiberg und Edward Witten, die die zugrundeliegenden Seiberg-Witten-Gleichungen im Jahr 1994 eingeführt haben.
Grundlagen
Sei
eine kompakte orientierbare Riemannsche 4-Mannigfaltigkeit mit Riemannscher Metrik
und Spinᶜ-Struktur
. Wegen des exeptionellen Isomorphismus:[1]

besteht die Spinᶜ-Struktur
aus zwei komplexen Ebenenbündeln
, genannt assoziierte Spinorbündel (deren Schnitte (anti)-selbstduale Spinoren genannt werden), mit gleichem Determinantenbündel
. Da das Determinantenbündel die erste Chern-Klasse erhält, haben alle Vektorbündel die gleiche erste Chern-Klasse
mit
.[1] Für eine Fundamentalklasse
und ihre Reduktion
gilt damit:
![{\displaystyle c_{1}^{2}({\mathfrak {s}})[M]_{\mathbb {Z} }\operatorname {mod} 2=w_{2}^{2}(M)[M]_{\mathbb {Z} _{2}}=\sigma (M)\operatorname {mod} 2,}](./2f6128f7962d4b723a4b67b330aee95884358ed0.svg)
daher ist
immer gerade.
Sei
der Raum der selbstdualen Differentialformen mit
und sei
der Untervektorraum der zusätzlich harmonischen Differentialformen mit
. Sei
die selbstduale Betti-Zahl, dann gibt es einen Untervektorraum
mit
(mithilfe der Hodge-Zerlegung), sodass eine selbstduale Form
der selbstduale Anteil der Krümmungsform eines Zusammenhangs
, also mit:

ist, genau dann wenn
. Sowohl der Untervektorraum als auch dieses Resultat spielen eine zentrale Rolle, da wegen diesen die Seiberg-Witten-Gleichungen mit einer selbstdualen Form gestört werden, bevor deren Modulraum betrachtet wird. Beide sorgen auch für topologischen Obstruktionen da es für
kein Komplement gibt oder dieses für
nicht zusammenhängend ist.
Sei
der analoge Raum der antiselbstdualen Differentialformen mit
und
der analoge Untervektorraum der zusätzlich harmonischen Differentialformen mit
. Sei
die antiselbstduale Betti-Zahl, dann können die zweite Betti-Zahl (mit
) und die Signatur ausgedrückt werden durch:


Beide Formeln, welche später benutzt werden um die Dimension des Modulraumes zu berechnen, können auch umgekehrt werden:


Konfigurationsraum
Es ist hilfreich, zunächst den Raum aller möglichen Lösungen zu betrachten. Da der Raum der Zusammenhänge auf dem komplexen Linienbündel
ein affiner Vektorraum ist, ist es sinnvoll erst einen solchen Zusammenhang
zu wählen und dann jeden anderen als Verschiebung durch eine Form
mit
wegen
darzustellen. Selbstduale Spinoren bilden ebenfalls einen Vektorraum mit dem Nullschnitt als kanonischem Zentrum. Es seien der Konfigurationsraum und der reduzierte Konfigurationsraum definiert als:[2]


Da der reduzierte Konfigurationsraum
ein unendlichdimensionaler Vektorraum ohne einen einzigen Punkt und daher homotopieäquivalent zur unendlichdimensionalen Sphäre, ist dieser auch zusammenziehbar.
Obwohl die Definition des reduzierten Konfigurationsraumes
vor allem von der Wirkung der Eichgruppe weiter unten motiviert ist, sind die ausgeschlossenen Fälle doch bereits wichtig in den Seiberg-Witten-Gleichungen selbst, welche sich dabei auf die selbstdualen Yang-Mills-Gleichungen reduzieren.
Eichgruppe
Glatte Abbildungen
wirken auf den Elementen des Konfigurationsraumes durch:[3][2]

Dadurch die die Eichgruppe gegeben durch:[3][2]

Da die erste unitäre Gruppe
der Eilenberg-MacLane-Raum
ist, welcher singuläre Kohomologie darstellt, ergibt sich mit dem universellen Koeffizientensatz und dem Hurewicz-Theorem:
![{\displaystyle [M,\operatorname {U} (1)]=[M,K(\mathbb {Z} ,1)]=H^{1}(M,\mathbb {Z} )\cong \operatorname {Hom} (H_{1}(M,\mathbb {Z} ),\mathbb {Z} )=\operatorname {Hom} (\pi _{1}(M)^{\mathrm {ab} },\mathbb {Z} ).}](./84a05170527bd22a923ef0cde4da0cf0ee843eba.svg)
Für
einfach zusammenhängend oder allgemeiner wenn dessen Fundamentalgruppe
perfekt ist, ist jede Eichung nullhomotop und hat daher einen globalen Logarithmus, weshalb also für alle glatten Abbildungen
there eine glatte Abbildung
mit
existiert. In diesem Fall vereinfacht sich die Wirkung auf den Konfigurationsraum zu:[2]

Für einen Basispunkt
, kann die Eichgruppe mit der basierten Eichgruppe als Produkt ausgedrückt werden mit:


Wie das Produkt zeigt ist die Eichgruppe
nicht zusammenziehbar. Aber wie das Argument weiter oben zeigt ist für
einfach zusammenhängend die basierte Eichgruppe
zusammenziehbar.
Modulraum
Da sowohl die Eichgruppe
als auch ihre Untergruppe, die basierte Eichgruppe
, auf dem Konfigurationsraum
und dessen Unterraum, dem reduzierten Konfigurationsraum
, wirken, gibt es Orbiträume:[4][5][6][2]




Wie die Formel der Gruppenwirkung weiter oben zeigt, wirkt die Eichgruppe
nicht frei auf dem Konfigurationsraum
, da die Punkte mit verschwindendem selbstdualen Spinorfeld
invariant unter allen konstanten Eichungen
sind. Doch dieser wirkt daher frei auf dem reduzierten Konfigurationsraum
und die basierte Eichgruppe
wirkt sogar frei auf beiden.
hat daher Singularitäten, während die anderen Räume keine haben. Wenn
einfach zusammenhängend ist, dann kann
darüber hinaus mit einem Untervektorraum des Konfigurationsraumes
identifiziert werden durch:[2]

Äquivalent gibt es für jedes
eine eindeutige glatte Abbildung
mit
, was wieder mithilfe der Hodge-Zerlegung
mit
den konstanten Abbildungen für
zusammenhängend gezeigt werden kann.[2]
Obwohl die kanonische Projektion
wegen der Singularitäten nicht einmal ein Faserbündel sein muss, ist die kanonische Projektion
nach einer geeigneten Sobolev-Vervollständigung ein U(1)-Hauptfaserbündel. Für
einfach zusammenhängend ist
zusammenziehbar, da
es immer ist und
es in diesem Fall wie zuvor begründet. Mit der langen exakten Sequenz der Homotopiegruppen des
-Hauptfaserbündels
folgt, dass
ein Eilenberg-MacLane-Raum
ist (da
ein
ist) und da der unendliche komplexe projektiven Raum
ebenfalls einer ist, gibt es eine schwache Homotopieäquivalenz
.[7] Homotopieklassen solcher Abbildungen werden klassifiziert durch
und die schwache Homotopieäquivalenz muss dabei einem Generator
entsprechen. Doch das
-Hauptfaserbündel entspricht ebenfalls bijektiv der Homotopieklassen einer klassifizierenden Abbildung
mit
. Diese fällt unter die exakt gleiche Klassifikation, entspricht jedoch nicht unbedingt einem Generator. Es ist genau die erste Chern-Klasse
des
-Hauptfaserbündels, doch die gestörten Seiberg-Witten-Gleichungen müssen für eine Verwendung für die Seiberg-Witten-Invarianten eingehen. Deren Modulräume sind dann gegeben durch die folgenden Unterräume an Lösungen:[3][7]
![{\displaystyle {\mathcal {M}}:=\{[\mathrm {d} _{A}-ia,\psi ]\in {\mathcal {B}}|(\mathrm {d} _{A}-ia,\psi )\;{\text{erfüllen die SW-Gl.}}\};}](./d6fe2eb3060571fd7c03bd5ac29c1d112dc6efb5.svg)


Mit der kanonischen Projektion
gibt es ebenfalls eine kanonische Projektion
. Da die vordere kein Faserbündel ist, scheint es als sei die hintere es ebenso nicht. Doch das ist nicht unbedingt der Fall und genau der Grund, warum die Seiberg-Witten-Gleichungen mit einer Störung betrachtet werden. Dafür ist die selbstduale Betti-Zahl entscheidend:
- Ist
, dann zwingt eine Störung
die Lösungen der gestörten Seiberg-Witten-Gleichungen
die Gleichung
zu erfüllen, was wegen
nicht möglich ist. Daher vermeiden beide gestörten Modulräume alle Singularitäten und
wird ein
-Unterhauptfaserbündel von
mit erster Chern-Klasse
, welche dann zur Definition der Seiberg-Witten-Invariante benutzt wird.
- Ist
, dann werden zwei beliebige Störungen
durch einen glatten Weg
mit
und
verbunden, welcher einen Bordismus
beschreibt. Daher ergeben alle Störungen die gleiche Bordismusklasse.[8] (Ist
, dann muss eine Zusammenhangskomponente von
gewählt werden, welche auf zwei verschiedene Bordismenklassen führen kann.)
Für die Seiberg-Witten-Invariante, welche eine spezielle Chern-Zahl ist, wird die nötige Anzahl an Cup-Produkten der ersten Chern-Klasse
mit sich selbst genommen und mit der Kronecker-Paarung gegen die Fundamentalklasse
des Modulraumes ausgewertet. Da die Chern-Klasse geraden Grades ist, muss der Modulraum eine gerade Dimension haben, damit das funktioniert und diese muss zudem für die Anzahl der Cup-Produkte genau bekannt sein. Zuerst kann diese mit dem Index des Dirac-Operators verbunden werden und der Atiyah-Singer-Indexsatz angewendet werden, wodurch sich Formeln mit der Euler-Charakteristik und der Signatur ergeben:
- Sei
einfach zusammenhängend. Ist
für
oder
, dann ist
eine orientierbare glatte Mannigfaltigkeit mit Dimension:[9][10][11][12][13]
![{\displaystyle \dim {\mathcal {M}}_{\eta }=2\operatorname {ind} (D_{A}^{+})-b_{+}(M)-1={\frac {1}{4}}(c_{1}^{2}({\mathfrak {s}})[M]-2\chi (M)-3\sigma (M)).}](./a00192ff9ee91b709fbdbabdae7d51f69946fc82.svg)
- Whrend der erste Ausdruck offensichtlich eine ganze Zahl ist, ist es schwerer für den zweiten Ausdruck zu sehen. Doch wie in den Grundlagen gezeigt ist
immer gerade, weshalb zumindest den Term in Klammern bereits gerade macht.
- Sei
einfach zusammenhängend. Ist
, dann ist
eine kompakte[14] orientierbare glatte Mannigfaltigkeit mit Dimension:[15]
![{\displaystyle \dim {\widetilde {\mathcal {M}}}_{\eta }=2\operatorname {ind} (D_{A}^{+})-b_{+}(M)={\frac {1}{4}}(c_{1}^{2}({\mathfrak {s}})[M]-2\chi (M)-3\sigma (M))+1.}](./90ea83d7c2b92d362f0d4bbca380361023685544.svg)
(Einige Literatur nutzt ebenfalls die Konvention
da es tatsächlich das Quadrat eines Linienbündels ist, wodurch in den Formeln kein Vorfaktor vor den Chern-Klassen auftaucht.) Für
ungerade ist
daher gerade und die Seiberg-Witten-Invarianten, welche unabhängig von der Riemannschen Metrik
und der Störung
sind[16] wie zuvor für hinteres argumentiert, können dann definiert werden als:[17][18][19][20]
![{\displaystyle \operatorname {SW} (M,{\mathfrak {s}}):=\langle c_{1}({\widetilde {\mathcal {M}}}_{\eta })^{\frac {\dim {\mathcal {M}}_{\eta }}{2}},[{\mathcal {M}}_{\eta }]\rangle \in \mathbb {Z} .}](./e5e30c597f804f030a1bdbeab425dee5f929bff0.svg)
Siehe auch
Literatur
- Simon K. Donaldson: The Seiberg-Witten equations and 4-manifold topology. In: Bulletin of the American Mathematical Society (= (N.S.)). 33. Jahrgang, Nr. 1, 1996, S. 45–70, doi:10.1090/S0273-0979-96-00625-8.
- Liviu I. Nicolaescu: Notes on Seiberg-Witten Theory (= Graduate Studies in Mathematics. Band 28). American Mathematical Society, University of Notre Dame 2000, ISBN 978-0-8218-2145-9, doi:10.1090/gsm/028 (englisch, nd.edu [PDF]).
- Tim Perutz: Basics of Seiberg-Witten theory. In: www.imperial.ac.uk. Mai 2002, abgerufen am 19. August 2025 (englisch).
- Peter Kronheimer und Tomasz Mrowka: Monopoles and Three-Manifolds. Cambridge University Press, 2007, ISBN 978-0-521-88022-0.
- John Douglas Moore: Lecture Notes on Seiberg-Witten Invariants (Revised Second Edition). In: web.math.ucsb.edu. Juli 2010, abgerufen am 19. August 2025 (englisch).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b Perutz 2002, S. 2
- ↑ a b c d e f g Moore 2010, S. 77–79
- ↑ a b c Perutz 2002, S. 6
- ↑ Nicolaescu 2000, S. 89
- ↑ Kronheimer & Mrowka 2007, Definition 1.3.1.
- ↑ Kronheimer & Mrowka 2007, Gleichung (1.16)
- ↑ a b Moore 2010, S. 81
- ↑ Moore 2010, S. 100
- ↑ Donaldson 1996, Gl. (7)
- ↑ Nicoleascu 2000, Lemma 2.2.10.
- ↑ Perutz 2002, S. 10
- ↑ Kronheimer & Mrowka 2007, Theorem 1.4.4.
- ↑ Moore 2010, Transversality Theorem 2 auf S. 91
- ↑ Moore 2010, Compactness Theorem auf S. 83
- ↑ Moore 2010, Transversality Theorem 1 auf S. 86
- ↑ Kronheimer & Mrowka 2007, Theorem 1.5.2.
- ↑ Donaldson 1996, Gl. (6)
- ↑ Nicolaescu 2000, S. 113
- ↑ Kronheimer & Mrowka 2007, Definition 1.5.3. & 1.5.4.
- ↑ Moore 2010, S. 101