Scitalis

Scitalis, Bestiarium von Oxford, f. 81r

Die Scitalis oder Scytale ist eine Schlange aus mittelalterlichen Bestiarien, die auf dem Rücken so wunderbare Markierungen aufweisen soll, dass ihr Aussehen den Betrachter betäuben und die Person verlangsamen würde, damit sie gefangen werden könnte. Die Körperwärme wäre so groß, dass sie auch im Winter ihre Haut wechselte.[1]

Antike Quellen

Lukan schrieb im 1. Jahrhundert n. Chr. in seinen Pharsalia, Zeilen 717f: „et scytale sparsis etiamnunc sola pruinis exuvias positura suas, et torrida dipsas“ (die Scytale, die als einzige auch bei versprengtem Raureif ihre Haut ablegt).[2]

Isidor von Sevilla erwähnt im 7. Jahrhundert in seinen Etymologiae, Buch 12, 4:19: „Scytale serpens vocata, quod tanta praefulget tergi varietate ut notarum gratia aspicientes retardet; et quia reptando pignior est, quos adsequi non valet miraculo sui stupentes capit. Tanti autem ferventis exponat. De quo Lucanus «Et scytale sparsis etiam nunc sola proinis exuvias suas».“ (Scytale wird eine Schlange genannt, weil sie durch eine solche Verschiedenart des Rückens glänzt, dass sie dank dieser Zeichnungen die Anblickenden [in deren Bewegung] verzögert. Und weil sie beim Jagen ziemlich träge ist, schnappt sie die, die zu verfolgen sie zu langsam ist, während sie sie bestaunen. Sie ist aber von solcher Schönheit, dass sie auch in der Winterzeit die Haut ihres schimmernden Körpers abstreift. Von ihr sagt Lukan: «Und die Scytale allein häutet sich auch jetzt im ausgestreuten Frost».)[3] Hierbei beruft sich Isidor auf Solinus.[4]

Im Bestiarium von Oxford steht auf f. 81rv „Die Schlange mit dem Namen Scitalis hat einen so bunten Rücken, dass alle, die sich ihr nähern, beim Anschauen dieser Pracht ihre Schritte verlangsamen. Und weil sie selbst zu träge ist, um zu kriechen, bemächtigt sie sich derer, die sie sonst nicht erreichen könnte, beim Bestaunen dieses wunderbaren Anblicks. Sie ist so hitzig, dass sie auch zur Winterzeit ihre glühende Haut der freien Luft aussetzt. Lucanus sagt von ihr: Allein die Scitalis will auch jetzt ihre Haut dem starrenden Rauhreif aussetzen. (Lucanus 9, 717)“[5]

Populärkultur

In Sid Meier’s Civilization gibt es eine der legendären Scitalis nachempfundene Figur. Im Rollenspiel Faerie Bestiary (5E) von Legendary Games ist Scitalis ein Drache, im Rollenspiel Creature Codex 5E von Kobold Press und in Büchern der Spielbuchreihe Fighthing Fantasy ein Monster.

Literatur

  • Florence McCulloch: Medieval Latin and French Bestiaries, The University of North Carolina Press, Chapel Hill 1960, S. 165
  • Le scythale des pyramides, in: Description de l'Égypte ou recueil des observations et des recherches qui ont été faites in Ègypte pendant l'expedition de l'armée francaise, seconde éditio dédiée au roi, tome vingt-quatrième – histoire naturell – zoologie, C. L. Panckoucke, Paris 1829, S. 77-82
  • Ulisse Aldrovandi, Bartolommeo Ambrosini (Hrsg.): Historiae serpentum, et draconum libri duo, Marcus Antonius Bernia Bibiopola, Bononiæ 1640, Kap. 9, S. 229-236
Commons: Scitalis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Scitalis. The Medieval Bestiary, abgerufen am 14. Februar 2025.
  2. Christian Rudolf Raschle: Pestes Harenae – Die Schlangenepisode in Lucans Pharsalia (IX 587-949) – Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar (Studien zur klassischen Philologie, Band 130), Peter Lang, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-631-36666-3, S. 136f.
  3. Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla - Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Lenelotte Müller, marixverlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-86539-177-3, S. 465.
  4. Florence McCulloch: Medieval Latin and French Bestiaries ...
  5. Franz Unterkircher: Bestiarium – Die Texte der Handschrift Ms. Ashmole 1511 der Bodleian Library Oxford in lateinischer und deutscher Sprache. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1986, ISBN 3-201-01310-2.