Schwarzer Adel

Der schwarze Adel (italienisch: nobiltà nera) oder die schwarze Aristokratie (italienisch: aristocrazia nera) sind römische aristokratische Familien, die sich unter Papst Pius IX. auf die Seite des Papsttums stellten, nachdem die von dem Haus Savoyen angeführte Armee des Königreichs Italien am 20. September 1870 in Rom einmarschiert war, den Papst und den Kirchenstaat stürzte und den Quirinalspalast einnahm sowie alle Adligen, die vor dem Lateranvertrag von 1929 vom Papst in den Adelsstand erhoben wurden.[1]
In den folgenden 59 Jahren blieb der Papst hinter den Mauern des Vatikan und behauptete, ein Gefangener im Vatikan zu sein, um nicht den Anschein zu erwecken, die Autorität der neuen italienischen Regierung und des neuen italienischen Staates anzuerkennen. Aristokraten, die vom Papst geadelt worden waren und früher Untertanen des Kirchenstaates waren, darunter auch hochrangige Mitglieder des päpstlichen Hofes, hielten die Eingangstüren ihrer Paläste in Rom geschlossen, um die Gefangenschaft des Papstes zu betrauern, was ihnen den Namen „schwarzer Adel“ einbrachte.[1] Wie der Papst selbst boykottierten der schwarze Adel bis 1929 die Institutionen des italienischen Nationalstaates.
Geschichte

Trotz des relativ neuen Namens existierte der Schwarze Adel bereits seit Jahrhunderten. Er hatte seinen Ursprung in der Baronenklasse Roms und in den mächtigen Familien, die nach Rom gezogen waren, um von ihren familiären Verbindungen zum Vatikan zu profitieren. Diese unterstützten die Päpste bei der Regierung des Kirchenstaates und bei der Verwaltung des Heiligen Stuhls. Viele Mitglieder der schwarzen Adelsfamilien wurden auch hochrangige Geistliche und sogar selbst Päpste.
Zu den noch existierenden Familien des schwarzen Adels, also Familien, zu deren Vorfahren Päpste gehörten, zählen insbesondere die Colonna, Massimo, Orsini, Ruspoli, Pallavicini, Theodoli, Sacchetti, Borghese, Odescalchi und Boncompagni-Ludovisi. Zu den bedeutenden ausgestorbenen päpstlichen Familien zählen die Savelli, Caetani, die Aldobrandini und Conti.
Zu den bekannten Mitgliedern der Familien des schwarzen Adels gehören Arnaldo De Rosette, Bischof von Asti, der eine Synode einberief, die einige Dekrete zur Regulierung und Klassifizierung des Klerus der Lombardei und des Piemont sowie dessen Zusammensetzung erließ, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf den Johannitern lag; Eugenio Pacelli, der später Papst Pius XII. wurde; Ernesto Pacelli, ein bedeutender Finanzier; und Prospero Colonna, Bürgermeister von Rom.
Nach dem Abschluss des Lateranvertrags im Jahr 1929 erhielten die Mitglieder des schwarzen Adels die doppelte Staatsbürgerschaft Italiens und des Vatikanstaates. Gemäß den Bestimmungen des Vertrags wurden die vom Papst verliehenen Adelstitel im Königreich Italien anerkannt. Viele dieser Familien gehörten der weitgehend zeremoniellen päpstlichen Adelsgarde an, andere waren Ausländer, die in verschiedener Weise mit dem Heiligen Stuhl verbunden waren. Im Jahr 1931 lehnte Papst Pius XI. die Bitte von Alfons XIII. von Spanien ab, die Adelsgarde für Adlige aus allen katholischen Ländern zu öffnen. Im Zweiten Weltkrieg schützte die päpstliche Adelsgarde den Papst an der Seite der Schweizergarde.[2]
Im Jahr 1968 schaffte Papst Paul VI. mit dem Motu proprio-Schreiben Pontificalis Domus (deutsch Der Päpstliche Haushalt) viele Ämter im Vatikan ab. Neben der Umbenennung der Gruppe von „Päpstlicher Hof“ in „Päpstlicher Haushalt“ wurden viele Ämter, die von Angehörigen des schwarzen Adels bekleidet wurden, abgeschafft. Denn gemäß dem Motu proprio „wurden viele Ämter, die Mitgliedern des päpstlichen Hauses übertragen worden waren, ihrer Funktion beraubt und bestehen fort als rein ehrenhalber Ämter, ohne dass sie einem konkreten Bedürfnis der Zeit entsprechen“.[3]
Viele dieser Ämter und der päpstliche Hof selbst waren noch für die Verwaltung des Kirchenstaates eingerichtet, der 1870 verloren gegangen war. Die Privilegien des schwarzen Adels, wie beispielsweise Kfz-Kennzeichen der Vatikanstadt, wurden ebenfalls abgeschafft. Einige Mitglieder des schwarzen Adels nahmen dem Papst diese Veränderungen übel. Laut dem Diplomaten und Autor Roger Peyrefitte waren es Mitglieder des schwarzen Adels, die ihm erstmals von der angeblichen homosexuellen Verbindung des Papstes zum Schauspieler Paolo Carlini erzählten, was schließlich zu Peyreffites öffentlichen Äußerungen und einem Skandal führte.[4][5] Im Mai 1977 begannen einige Mitglieder des schwarzen Adels unter der Führung von Prinzessin Elvina Pallavicini, den traditionalistischen Erzbischof Marcel Lefebvre zu umwerben.[6]
Begriff in der Verschwörungsliteratur
Von Verschwörungsautoren wie Jan van Helsing[7] oder John Coleman[8] wurde der Begriff schwarzer Adel für den oligarchischen Adel der Republik Florenz und später der Republik Genua genutzt. Diese Händlerklasse erlangte im 12. Jahrhundert die Macht in Venedig und konnte den Dogen ernennen. Dieser Adel soll in Verschwörungserzählungen bis heute eine verborgene Macht bilden.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b Robert A. Ventresca: Soldier of Christ: The Life of Pope Pius XII. Harvard University Press, 2013, ISBN 978-0-674-06730-1 (google.de [abgerufen am 21. August 2025]).
- ↑ David Alvarez, The Pope's Soldiers: A Military History of the Modern Vatican (Lawrence, KS: University Press of Kansas, 2011), S. 337
- ↑ Pontificalis Domus - Lettera Apostolica in forma di Motu Proprio con la quale viene cambiato l'Ordinamento della Casa Pontificia (28 marzo 1968). Abgerufen am 21. August 2025 (italienisch).
- ↑ Leyland, Winston Gay Sunshine Interviews: Volume 2, Gay Sunshine Press 1982, S. 155
- ↑ Gerald L. Posner: God's bankers : a history of money and power at the Vatican. New York : Simon & Schuster, 2015, ISBN 978-1-4165-7657-0, S. 174 (archive.org [abgerufen am 21. August 2025]).
- ↑ An example of Catholic resistance: Princess Elvina Pallavicini - Roberto de MatteiRoberto de Mattei. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 7. Februar 2022; abgerufen am 21. August 2025 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Jan van Helsing: Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert. ISBN 3-89478-069-X
- ↑ CONSPIRATORS' HIERARCHY: THE STORY OF THE COMMITTEE OF 300. In: www.cia.gov.