Schloss Prangins

Schloss Prangins
Hauptfassade mit Hof, im Vordergrund der Gemüsegarten des Schlosses

Hauptfassade mit Hof, im Vordergrund der Gemüsegarten des Schlosses

Staat Schweiz
Ort Prangins
Entstehungszeit 1732
Erhaltungszustand Erhalten
Geographische Lage 46° 24′ N, 6° 15′ O
Höhenlage 410 m ü. M.
Schloss Prangins (Kanton Waadt)
Schloss Prangins (Kanton Waadt)

Das Schloss Prangins ist ein Barockschloss und historisches Museum in der Gemeinde Prangins im Kanton Waadt in der Schweiz. Erbaut wurde es ab 1732 auf den Ruinen einer älteren Anlage für den französisch-schweizerischen Bankier Louis Guiguer. Seit 1975 gehört es der Schweizerischen Eidgenossenschaft und beherbergt seit 1998 den Sitz des Schweizerischen Nationalmuseums (SNM) in der Romandie.

Das Museum

Das Schloss Prangins, präsentiert acht Dauerausstellungen (Stand 2025), die zentrale Themen der Schweizer Kultur- und Sozialgeschichte behandeln:

Der Gemüsegarten

Der grösste historische Gemüsegarten der Schweiz mit fast 200 verschiedenen Sorten Früchte, Gemüse, Gewürzkräuter und Nutzpflanzen, die im 18. Jahrhundert in der Region wuchsen. Umgeben von Mauern, entlang denen Obstbäume in Spalieren gepflanzt wurden, verfügte der Garten über ein besonderes Mikroklima.

Noblesse oblige – Leben auf dem Schloss im 18. Jahrhundert

Die Dauerausstellung versetzt in den Alltag einer Waadtländer Adelsfamilie. In opulenter Umgebung mit Holzvertäfelungen, Seidentapeten und rund 600 Objekten zeigt sie das Schloss Prangins im einstigen Glanz.

Spaziergang durch die Aufklärung

Ein Entdeckungspfad durch den Schlosspark, der Ideen und Werte der Aufklärung im 18. Jahrhundert wie Architektur, Wissenschaft und Botanik beleuchtet.

Auf zur Reise – Spielausstellung für Familien

Inmitten authentischer Exponate aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert - z. B. eine Pictet-Kutsche, ein anschauliches Schiffsmodell, zigfach geflickte Kinderschuhe, Gesellschaftsspiele, Souvenirteller - versetzen sich die Museumsgäste in verschiedene Figuren, um mehrere Reisen durch die Schweiz zu erleben.

Indiennes. Ein Stoff erobert die Welt

Die Ausstellung erzählt die Geschichte bedruckter Baumwollstoffe (Indiennes) und ihre Rolle im globalen Handel, der Industrialisierung sowie in der Schweizer Textilindustrie vom 17. Jahrhundert an.

Was ist die Schweiz?

Klischees und Mythen über die Schweiz werden historischen Realitäten gegenübergestellt. Schwerpunkte sind die direkte Demokratie, die nationale Identität und der gesellschaftliche Wandel.

Porträt-Galerie

Im grossen Korridor im ersten Stock werden historische Persönlichkeiten wie Voltaire, Jacques Necker, Joseph Bonaparte, Katharine McCormick und andere in einer immersiven, interaktiven Präsentation gezeigt.

Décors. Meisterwerke aus den Sammlungen

In mehreren inszenierten Räumen entfaltet sich Innenarchitektur und Interieurkunst von der Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert – vom Möbel über Beleuchtungskörper bis zu Wanddekoren. Zwei Höhepunkte sind: die Bühnenbilder des Privattheaters des Schloss Hauteville aus dem Jahr 1777 und eine bemalte Papiertapete aus den 1790er-Jahren mit Motiven aus den Metamorphosen von Ovid aus einem Landhaus im Berner Jura.

Geschichte des Schlosses

Herrschaft und Burg Prangins vor 1723

Die ursprüngliche Burganlage an der Stelle des heutigen Schlosses war im Mittelalter Zentrum einer Herrschaft, die sich von Mont-le-Vieux[1] bis zum Pays de Gex erstreckte. Die ältesten bekannten Inhaber der Herrschaft waren die Herren von Cossonay, von denen sich 1281 eine Seitenlinie nach Prangins nannte (→Prangins (Adelsgeschlecht)). Sie besassen auch die Stadt Nyon als Lehen vom Erzbistum Besançon. Ihr Wappen wies in Gold einen Schwarzen Adler auf.[2]

Aymon von Cossonay-Prangins (1267–1306)[3] kam in Konflikt mit dem aufstrebenden Geschlecht der Grafen von Savoyen, als Graf Amadeus V. seine Macht über den Genfersee ausdehnte. Im Juni 1293 verlor Aymon die Stadt Nyon und musste schliesslich 1294 gegen eine Abfindung von 50 Pfund Silber und eine Lebensrente die Herrschaft an Savoyen abtreten. Nach der Anerkennung der Oberhoheit Savoyens durch den Grafen und den Bischof von Genf sowie den Dauphin von Viennois beherrschte somit Savoyen die ganze Region um den Genfersee.

Schloss Prangins, Luftaufnahme

Amadeus V. übergab die Herrschaft Prangins an seinen Bruder Ludwig von Savoyen, den er als Herrn über die Waadt eingesetzt hatte. Die Herrschaft und die Burg Prangins wechselten in der Folge sehr häufig den Besitzer: nach 1361 ging sie an Aimé d'Urtières,[4] 1396 an Iblet de Challant, 1409 an Amédée[5] de Viry, 1428 an Claude[5] de Compois, um 1523[5] an Georges de Rive. 1536 eroberte die Stadt Bern die Waadt, wobei die alte Burg Prangins niedergebrannt wurde. Die Herrschaft Prangins blieb jedoch bestehen und wurde der bernischen Landvogtei Nyon unterstellt. 1557 ging die Herrschaft in die Hände des Berners Georges[6] von Diesbach über, dessen Erbe sie 1627 an Emilia von Nassau verkauften. Später wechselten die Besitzer mehrmals, worunter sich auch Friedrich Burggraf von Dohna[7] befand.

Geschichte des modernen Schloss Prangins

Garten
Speisezimmer
Galerie
Ecksalon

Die Situation des Anwesens stabilisierte sich erst 1723, als es von Louis Guiguer (ursprünglich Gyger, 1675–1747) für 142.000 Livre tournois[8] erworben wurde. Er war ein französischer Bankier, dessen Familie ursprünglich aus Bürglen TG stammte. Als Textilhändler waren die Guiguers in Lyon zu Reichtum gelangt.[9] Durch die Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 verloren die Guiguers einen Teil ihres Vermögens, weshalb wohl Louis Guiguer mit seinem Vetter Jean-Claude Tourton (1655–1724) ins Bankgeschäft einstieg. Die Bank «Tourton et Guiguer» war sehr erfolgreich und bestand unter wechselnden Namen.[10] 1717 zog sich Louis Guiguer aus dem Bankgeschäft zurück. Der Kauf der Herrschaft Prangins (franz. die Baronie von Prangins) war für ihn aber nicht nur eine Kapitalanlage. Mit deren Übernahme erhielt er auch den damit verbundenen Adelstitel und nannte sich fortan Baron Louis Guiguer de Prangins. 1732–1739 liess er das neue Schloss Prangins anlegen.[11] Zudem erweiterte Guiguer durch den Kauf einiger umliegender Liegenschaften seine Herrschaft zu einem zusammenhängenden Besitz. Dies umfasste damals ungefähr die Gebiete der heutigen Gemeinden Prangins, Vich und Gland.

Sein Neffe, Jean-Georges Guiguer de Prangins (gestorben 1770)[12] erbte das Schloss 1748 und überliess es im Winter 1754/55 dem französischen Philosophen Voltaire als Zufluchtsort. Später nahm er selber mit seiner zweiten Gattin dort Wohnsitz und liess die Gartenanlage grosszügig ausbauen. Sein Sohn, Louis-François Guiguer de Prangins (1741–1786), hinterließ ein mehr als tausendseitiges Tagebuch, u. a. mit Angaben über die zahlreichen innerhalb und außerhalb des Schlosses vorgenommenen Umgestaltungen. Dessen Sohn, Charles-Jules Guiguer de Prangins (1780–1840) war aktiv an der Befreiung der Waadt von der bernischen Herrschaft 1798 beteiligt. Er machte Karriere im Dienst der Helvetischen Republik und später in der neu entstandenen Schweizer Armee.

Er verkaufte 1814 das Schloss an Joseph Bonaparte, den älteren Bruder Napoleons und Ex-König von Spanien. Joseph Bonaparte liess das Schloss im Sommer 1814 renovieren, weil er sich wahrscheinlich nach dem Sturz seines Bruders auf ein längeres Exil einrichtete. Bis zur Rückkehr Napoleons von Elba wurde Prangins für kurze Zeit zu einem konspirativen Zentrum der kaisertreuen Franzosen, bis auf Druck der Alliierten die Schweizerische Eidgenossenschaft die Verhaftung von Joseph anordnete. Dieser entzog sich durch Flucht dem Zugriff seiner Feinde. Nach dem neuerlichen Sturz Napoleons emigrierte Joseph nach den Vereinigten Staaten und versuchte über einen Agenten lange Zeit vergeblich das mittlerweile verwahrloste Schloss Prangins zu verkaufen.

1827 gelangte das Schloss an Marie-Madeleine Gentil-Chavagnac. Ihre Erben veräusserten die gesamte Domäne 1873. Das Schloss ging an die Herrnhuter Brüdergemeine, die in den Gebäuden ein Erziehungsinstitut für Knaben und junge Männer einrichten. Dabei wurde das Schloss im Innern stark verändert, um es der neuen Nutzung anzupassen. Ein weiterer Teil der Domäne, die Bergerie, wurde 1859 von Napoléon Joseph Charles Paul Bonaparte (genannt Prinz Plon-Plon), einem Sohn von Joseph Bonapartes Bruder Jérôme Bonaparte, zurückerworben, der sich dort ab 1862 die Villa de Prangins errichten liess, die er 1870 jedoch wieder veräusserte, woraufhin er sich auf dem verbliebenen Teil der Domäne die neue Villa La Bergerie erbauen liess. Diese befindet sich bis heute im Besitz des Hauses Bonaparte.[13]

Nach 1920 wechselte Schloss Prangins wieder mehrfach den Besitzer. Zuerst kaufte es der Genfer Horace de Pourtalès und liess es wieder in eine private Residenz umbauen. 1929 musste er es aber bereits wieder an die Amerikanerin Josephine Dexter verkaufen. Deren Tochter, Katharine McCormick, überschrieb das Schloss 1962 an die Regierung der Vereinigten Staaten, die dort den Wohnsitz ihres Gesandten bei der UNO in Genf einrichten wollte. Nach dem Tod von Katharine McCormick 1967 veräusserte die US-Regierung Prangins jedoch an Bernard Cornfeld.

1975 übergaben die Kantone Genf und Waadt Schloss Prangins der Schweizerischen Eidgenossenschaft, um dort den Westschweizer Sitz der Schweizerischen Landesmuseen (später Schweizerisches Nationalmuseum) einzurichten. Bis 1998 wurde das Schloss aufwendig restauriert und für den neuen Zweck als Museum umgebaut und erweitert. Im Juni 1998 wurde das Museum anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Landesmuseums eröffnet. Die permanenten Ausstellungen zeigen Gegenstände und Kunst aus der Geschichte der Schweiz vom 18. bis zum 20. Jahrhundert.

Literatur

  • Solange Michon: Louis Guiguer et Le Château de Prangins, in: Genava - revue d'histoire de l'art et d'archéologie, 1994, S. 151–180 (PDF)
  • Solange Michon: "La Grosse Le Coultre" et l’histoire du Château de Prangins, in: Revue suisse d’art et d’archéologie, vol. 46, 1989, cahier 3, S. 217–227
  • François Christe, Colette Grand und andere: Prangins: de la forteresse au Château de Plaisance. 1985-1995: 10 ans de recherches, 3000 ans d’histoire. Cahiers d’archéologie romande, Lausanne 1997, ISBN 2-88028-071-0.
  • Chantal de Schoulepnikoff: Le château de Prangins. La demeure historique. Musée national suisse, Zürich 1991, ISBN 3-908025-21-4.
  • Geschichte entdecken. Schweizerisches Landesmuseum Château de Prangins. o. O. 1998. ISBN 3-908025-81-8
  • Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz, Bd. 5, Neuenburg 1927, S. 480.
  • Herbert Lüthy: La Banque Protestante en France de la Révocation de l'Edit de Nantes à la Révolution. Paris 1961.
  • Helen Bieri Thomson: Le château de Prangins. (Schweizerische Kunstführer, Serie 98, Nr. 973–974). Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 2015, ISBN 978-3-03797-221-2.
Commons: Château de Prangins – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Georges Rapp: La Seigneurie de Prangins. Du XIIIe siècle à la chute de l’Ancien Régime. Librairie de droit, F. Roth & Cie, Lausanne 1942, p. 14, note 8
  2. Donald Lindsay Galbreath: Armorial vaudois, tome 1 (A-H), Planche XVIII, Baugy-sur-Clarens 1934
  3. A.-M.-H.-J. Stokvis: Manuel d’histoire, de généalogie et de chronologie de tous les états du globe, depuis les temps les plus reculés jusqu’à nos jours, tome troisième, Les états de l’Europe et leurs colonies, E.J. Brill, Leide 1890–1893, p. 634
  4. Georges Rapp: La Seigneurie de Prangins. Du XIIIe siècle à la chute de l’Ancien Régime. Librairie de droit, F. Roth & Cie, Lausanne 1942, p. 53
  5. a b c Georges Rapp: La Seigneurie de Prangins. Du XIIIe siècle à la chute de l’Ancien Régime. Librairie de droit, F. Roth & Cie, Lausanne 1942, p. 54
  6. Chantal de Schoulepnikoff: Le château de Prangins. La demeure historique. Musée national suisse, Zürich 1991, p. 7, ISBN 3-908025-21-4
  7. Solange Michon: « La « Grosse Le Coultre » et l’histoire du château de Prangins » in Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Zurich 1989, Band 46, Heft 3, S. 222
  8. Chantal de Schoulepnikoff: Le château de Prangins. La demeure historique. Musée national suisse, Zürich 1991, p. 11, ISBN 3-908025-21-4
  9. Herbert Lüthy: La Banque Protestante en France. De la Révocation de l’Edit de Nantes à la Révolution. S.E.V.P.E.N., Paris 1959, tome I, pp. 81–82
  10. Herbert Lüthy: La Banque Protestante en France. De la Révocation de l’Edit de Nantes à la Révolution. S.E.V.P.E.N., Paris 1959, tome I, pp. 413
  11. Helen Bieri Thomson : Le château de Prangins. Société d’histoire de l’art en Suisse SHAS, Berne 2015, p. 22, ISBN 978-3-03797-221-2
  12. Chantal de Schoulepnikoff: Le château de Prangins. La demeure historique. Musée national suisse, Zürich 1991, p. 14, ISBN 3-908025-21-4
  13. Marco Jorio: Bonaparte. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 11. März 2010, abgerufen am 3. Juli 2019.