Scheinwaffe

Spielzeugpistole

Der Begriff der Scheinwaffe bezeichnet im deutschen Strafrecht einen Gegenstand, der objektiv nicht zur Herbeiführung von Verletzungen geeignet ist, jedoch zur Täuschung und Bedrohung eines Opfers dergestalt verwendet werden kann, dass das Opfer einen etwaigen Widerstand gegen den Täter aufgibt. Scheinwaffen sind daher weder Waffe noch gefährliches Werkzeug im Sinne des Strafgesetzbuchs. Typische Scheinwaffen sind Spielzeugpistolen[1], Bombenattrappen[2] und echte Schusswaffen, die aber ungeladen oder aus anderen Gründen nicht einsatzfähig sind.[3][4]

Dogmatische Einordnung

Mangels Legaldefinition muss die dogmatische Einordnung der Scheinwaffe anhand der Tatbestände vorgenommen werden, in welchen der Begriff Anklang findet, nämlich beim Schweren Raub nach § 250 StGB und beim Diebstahl mit Waffen nach § 244 StGB. Beide Tatbestände enthalten Qualifikationen, nach denen dem Täter eine schwerere Strafe droht, wenn er bei einem Diebstahl oder einem Raub eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich führt oder verwendet (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB und § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB). Hintergrund dieser Regelungen ist die Annahme, dass ein Täter nicht nur dann schwereres Unrecht verwirklicht, wenn er einen solchen Gegenstand bei einer Tat verwendet, sondern auch bereits dann, wenn er einen solchen Gegenstand bei sich führt, weil dann zumindest die Möglichkeit des Einsatzes und damit ein höheres Risiko der Verletzung weiterer Rechtsgüter des Opfers besteht (abstrakte Gefährdung).[5] Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Tatbegehung; es kommt darauf an, ob diese Voraussetzungen bezüglich eines Gegenstands im Moment der Begehung vorliegen.[3]

Die Definition der Anscheinswaffe aus Anlage 1 zum Waffengesetz (WaffG) kann nicht zur Bestimmung einer Scheinwaffe herangezogen werden, weil die Regelungszwecke der jeweiligen Normen voneinander abweichen.

Scheinwaffe als Waffe oder gefährliches Werkzeug

Scheinwaffen werden von juristischer Literatur und Rechtsprechung einhellig nicht als Waffen oder gefährliche Gegenstände im Sinne des Strafgesetzbuchs eingeordnet, weil sie die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllen.[2][4] Eine Waffe im strafrechtlichen Sinn ist jeder körperliche Gegenstand, der nach seiner Art für Angriffs- oder Verteidigungszwecke bestimmt und zur Verursachung erheblicher Verletzungen generell geeignet ist.[6] Welche Gegenstände als gefährliches Werkzeug einzuordnen sind, ist juristisch höchst umstritten;[7] weitestgehend Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass der Gegenstand zumindest bei einer nicht völlig abwegigen Anwendung zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen geeignet sein muss.[8] Scheinwaffen sind nicht geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen und scheiden deshalb insbesondere im Hinblick auf den Normzweck der strafschärfenden Regelungen als Waffen oder gefährliche Werkzeuge aus.[3]

Scheinwaffe als Nötigungsmittel

Demgegenüber sind Scheinwaffen regelmäßig als „sonst ein Werkzeug oder Mittel [...], um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden“ einzuordnen und ziehen demgemäß nach § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB und § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB eine Strafschärfung nach sich, wenn sie bei einem Raub oder einem Diebstahl verwendet oder mitgeführt werden.[9] Der Gesetzgeber entschied sich im Rahmen des 6. Gesetzes zur Reform des Strafrechts ausdrücklich dazu, das Mitführen oder Verwenden solcher Gegenstände unter Strafe zu stellen, da er ein höheres Unrecht darin sieht, wenn der Täter ein Opfer durch Drohung oder Täuschung zur Aufgabe eines etwaigen Widerstands bewegt oder einen dazu potenziell geeigneten Gegenstand bei der Tatbegehung bei sich führt.[10]

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs unterfallen dieser Qualifikation jedoch keine Gegenstände, die aus Sicht eines objektiven Betrachters offensichtlich ungefährlich sind, auch wenn der Täter diese durch Täuschung dergestalt einsetzt, dass das Opfer denkt, es befinde sich tatsächlich in Gefahr (sogenannte bedrohungsuntaugliche Drohmittel). Entsprechend sah der Bundesgerichtshof in dem Auflegen eines metallischen Labello-Stifts auf den Nacken des Opfers keine Verwendung einer Scheinwaffe, obgleich das Opfer davon ausging, es werde mit einer Pistole bedroht; im Vordergrund stehe hier die Täuschung des Täters und nicht die vermeintliche Gefährlichkeit des Gegenstands.[11] In der juristischen Literatur wird kritisiert, dass insoweit keine klare Abgrenzung möglich sei und dem Merkmal der Scheinwaffe die Täuschung des Opfers ohnehin immanent sei; zur Auflösung des Konflikts werden diverse Ansätze diskutiert, von denen sich bisher jedoch keiner durchsetzen konnte.[12][13][14]

Einzelnachweise

  1. BGH, Beschluss vom 23. April 1998 – 1 StR 180/98 –, judicialis.de
  2. a b BGH, Urteil vom 18. August 2010 – 2 StR 295/10 –, openjur.de
  3. a b c BGH, Urteil vom 15. August 2007 – 5 StR 216/07 –, openjur.de
  4. a b Günther M. Sander: Münchener Kommentar zum StGB. Hrsg.: Volker Erb. 5. Auflage. C.H.BECK, München 2025, StGB § 250 Rn. 42.
  5. Urs Kindhäuser, Elisa Hoven: NomosKommentar Strafgesetzbuch. Hrsg.: Urs Kindhäuser. 6. Auflage. Nomos, StGB § 244 Rn. 3.
  6. BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – 4 StR 94/15 –, openjur.de = BeckRS 2015, 9422 Rn. 8
  7. Petra Wittig: BeckOK StGB. Hrsg.: Bernd von Heintschel-Heinegg. 66. Edition. C.H.BECK, München 1. August 2025, StGB § 244 Rn. 6 - 8.2.
  8. BGH, Urteil vom 22. Juni 2023 – 4 StR 481/22 –, openjur.de
  9. Petra Wittig: BeckOK StGB. Hrsg.: Bernd von Heintschel-Heinegg. 66. Edition. C.H.BECK, München 1. August 2025, StGB § 244 Rn. 12-13.
  10. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags: Drucksache 13/9064. In: dserver.bundestag.de. 13. November 1997, S. 18 rechte Spalte dritter Absatz, abgerufen am 11. September 2025.
  11. BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 – 4 StR 394/06 –, openjur.de
  12. Petra Wittig: BeckOK StGB. Hrsg.: Bernd von Heintschel-Heinegg. 66. Edition. C.H.BECK, München 1. August 2025, StGB § 250 Rn. 7.
  13. Günther M. Sander: Münchener Kommentar zum StGB. Hrsg.: Volker Erb. 5. Auflage. C.H.BECK, München 2025, StGB § 250 Rn. 44.
  14. Godendorff: Es geht! Prüfung und dogmatische Herleitung der Scheinwaffe und „absolut ungeeigneten Scheinwaffe“. In: Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ). Jahrgang 2018, Heft 6, S. 321 - 323.