Satz von Pohlke
Der Satz von Pohlke, auch Fundamentalsatz der Axonometrie oder Hauptsatz der Axonometrie genannt, ist ein Lehrsatz des mathematischen Teilgebiets der Darstellenden Geometrie. Er geht auf Karl Wilhelm Pohlke zurück und behandelt eine grundlegende Fragestellung der Axonometrie.
Formulierung des Satzes

Der Satz lässt sich zusammengefasst angeben wie folgt:
- (P) Liegen vier Punkte in einer Ebene aber nicht auf einer gemeinsamen Geraden, so können sie aufgefasst werden als die durch eine Parallelprojektion auf entstandenen Bildpunkte von vier Punkten für welche die drei Strecken gleich lang sind und paarweise aufeinander senkrecht stehen.
Das lässt sich auch so ausdrücken:
- (P') Liegen drei von einem Punkt ausgehende Strecken beliebiger (nichtnegativer) Länge in einer Ebene aber nicht auf einer gemeinsamen Geraden,[1] so können sie aufgefasst werden als Parallelprojektion der drei von einem Eckpunkt ausgehenden Kanten eines Würfels.
Ganz allgemein gilt sogar:
- (PS) Sind im dreidimensionalen euklidischen Raum eine Ebene und zudem zwei Punkte und gegeben und gehen von ersterem drei beliebige Strecken aus, die zwar als gemeinsamen Eckpunkt haben, jedoch in keiner gemeinsamen Ebene liegen, während von letzterem drei weitere beliebige Strecken ausgehen, die zwar als gemeinsamen Eckpunkt haben, jedoch – obwohl in der Ebene liegend – nicht kollinear sind, so gibt es stets
- eine Ähnlichkeitsabbildung und
- eine Parallelprojektion ,
- so dass die verkettete Abbildung den Eckpunkt auf den anderen Eckpunkt und dabei auf () abbildet.
Bei der Formulierung (P) sind dann für eine geeignete reelle Zahl die drei Vektoren orthonormal und bilden somit zusammen mit dem Punkt ein räumliches kartesisches Koordinatensystem.
Fasst man bei (P') den besagten Punkt bzw. Eckpunkt und die drei davon ausgehenden Strecken bzw. Kanten zu je einem Dreibein zusammen, so ergibt sich: Jedes ebene Dreibein im , das nicht gänzlich auf einer Geraden liegt, ist Parallelprojektion eines rechtwinkligen gleichschenkligen Dreibeins.
Anmerkungen zur Historie des Satzes
Pohlke hat den Fundamentalsatz etwa 1853 gefunden. Sein ursprünglicher Beweis war außergewöhnlich kompliziert und blieb unveröffentlicht.[2] Hermann Amandus Schwarz, der ein Schüler Pohlkes war, publizierte den ersten vollständigen Beweis im Jahre 1864 und lieferte hierbei auch die oben vorgetragene allgemeinere Darstellung (PS). Den Fundamentalsatz – und ihm gleichwertige Darstellungen – bezeichnen daher manche Autoren auch Satz von Pohlke und Schwarz[3] (englisch Pohlke-Schwarz theorem[4]).
Korollar
Aus dem Fundamentalsatz lässt sich das folgende Korollar gewinnen, welches hinsichtlich seiner Aussagekraft als diesem gleichwertig betrachtet werden kann:[3][4]
- (PS') Jedes in einer Ebene liegende vollständige Viereck kann aufgefasst werden als ein durch Parallelprojektion entstandenes Abbild eines Tetraeders , welches einem gegebenen Tetraeder ähnlich ist.[5]
Weblinks
- Eric W. Weisstein: Pohlke's Theorem. In: MathWorld (englisch).
Literatur
- P. S. Alexandroff, A. I. Markuschewitsch, A. J. Chintschin: Enzyklopädie der Elementarmathematik. Band IV. Geometrie. Übersetzung: H. Antelmann, J. Flachsmeyer, B. Frank, H. Frank und H. Poppe. Wissenschaftliche Redaktion der deutschen Ausgabe:G. Asser (= Hochschulbücher für Mathematik. Band 10). VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1969, S. 250–254 (Eintrag 0174.23301 in der Datenbank zbMATH Open).
- Ole Peder Arvesen[6]: Pohlkes Satz. In: Norsk Matematisk Tidsskrift. Band 23, 1941, S. 100–108 (Eintrag 0025.36804 in der Datenbank zbMATH Open).
- Hermann Athen, Jörn Bruhn (Hrsg.): Lexikon der Schulmathematik. und angrenzender Gebiete. 5. Auflage. Band 3. L-R. Aulis Verlag Deubner, Köln 1977, ISBN 3-7614-0242-2, S. 775 (Eintrag 0355.00002 in der Datenbank zbMATH Open).
- Heinrich Brauner: Lehrbuch der konstruktiven Geometrie. Springer-Verlag / VEB Fachbuchverlag, Wien, New York / Leipzig 1969, ISBN 3-211-81833-2, S. 51, 85–86 (Eintrag 0581.51018 in der Datenbank zbMATH Open).
- Siegfried Gottwald, Hans-Joachim Ilgauds und Karl-Heinz Schlote (Hrsg.): Lexikon bedeutender Mathematiker. 5. Auflage. Verlag Harri Deutsch, Thun, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-8171-1164-9, S. 276 (Eintrag 0711.01001 in der Datenbank zbMATH Open).
- Wolfgang Haack: Darstellende Geometrie. Band III: Axonometrie und Perspektive (= Sammlung Göschen. Band 2132). Walter de Gruyter, Berlin, New York 1980, ISBN 3-11-008271-3, S. 45 (Eintrag 0418.51008 in der Datenbank zbMATH Open).
- Walter Gellert, Herbert Kästner, Siegfried Neuber (Hrsg.): Fachlexikon ABC Mathematik. Verlag Harri Deutsch, Thun, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-87144-336-0, S. 50.
- W. Gellert, H. Küstner, M. Hellwich, H. Kästner (Hrsg.): Kleine Enzyklopädie Mathematik. Lizenzausgabe auf der Basis der 10., völlig überarbeiteten Auflage VEB Verlag Enzyklopädie, Leipzig. 2., völlig überarbeitete Auflage. Verlag Harri Deutsch, Thun, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-87144-323-9, S. 232 (Eintrag 0405.00002 in der Datenbank zbMATH Open).
- Siegfried Gottwald, Hans-Joachim Ilgauds, Karl-Heinz Schlote (Hrsg.): Lexikon bedeutender Mathematiker. Verlag Harri Deutsch, Thun 1990, ISBN 3-8171-1164-9, S. 372–373 (Eintrag 0711.01001 in der Datenbank zbMATH Open).
- Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopaedia of Mathematics. Volume 4: Monge-Ampere Equation - Rings and Algebras. An updated and annotated translation of the Soviet "Mathematical Encyclopaedia". Kluwer Academic Publishers, Dordrecht, Boston, London 1995, ISBN 1-55608-010-7, S. 439.
- Renato Manfrin: A proof of Pohlke’s theorem with an analytic determination of the reference trihedron. In: Journal for Geometry and Graphic. Band 22, 2018, S. 195–205 (Eintrag 1415.51032 in der Datenbank zbMATH Open).
- K. Pohlke: Zehn Tafeln zur darstellenden Geometrie. Gaertner-Verlag, Berlin 1876 ((Google Books.)).
- Fritz Reinhardt, Heinrich Soeder (Hrsg.): dtv-Atlas zur Mathematik. Tafeln und Texte. 8. Auflage. Band 1: Grundlagen Algebra und Geometrie. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1990, ISBN 3-423-03007-0, S. 177 (Eintrag 0723.00010 in der Datenbank zbMATH Open).
- H. Schwarz: Elementarer Beweis des Pohlkeschen Fundamentalsatzes der Axonometrie. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik. Band 63, 1864, S. 309–314 (Eintrag 063.1654cj in der Datenbank zbMATH Open).
- Jan Sobotka[7]: Über die Schwarzsche Verallgemeinerung des Satzes von Pohlke. In: Věstník. Nr. 17, 1924 (Eintrag 50.0383.05 in der Datenbank zbMATH Open).
- Roland Stärk: Darstellende Geometrie. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1978, ISBN 3-506-37443-5 (Schulbuch).
- Eduard Stiefel: Lehrbuch der darstellenden Geometrie (= Lehrbücher und Monographien aus dem Gebiete der exakten Wissenschaften. Band 11). 3. Auflage. Birkhäuser Verlag, Basel (u. a.) 1971, ISBN 3-7643-0368-9, S. 137 (Eintrag 50.0383.05 in der Datenbank zbMATH Open).
- Karl Strubecker: Vorlesungen über darstellende Geometrie (= Studia Mathematica. Band XII). 2., verb. und erg. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1967, DNB 458272221, S. 115–118 (Eintrag 0146.46001 in der Datenbank zbMATH Open – PDF).
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Es ist also nicht ausgeschlossen, dass zwei der drei Strecken in identisch sind oder eine nur aus einem Punkt besteht.
- ↑ Heinrich Brauner schreibt allerdings in seinem Lehrbuch der konstruktiven Geometrie in einer Fußnote (Seite 51), dass Pohlke den Fundamentalsatz im Jahre 1860 sehr wohl veröffentlicht habe, wenn auch ohne Beweis.
- ↑ a b N. M. Beskin: Abbildungsverfahren. In: P. S. Alexandroff et al.: Enzyklopädie der Elementarmathematik. Band IV. 1969, S. 252
- ↑ a b Michiel Hazewinkel: Encyclopaedia of Mathematics. vol. 4. 1995, S. 439
- ↑ Die Encyclopaedia of Mathematics (S. 439) formuliert (PS') mit “Any complete plane quadrilateral”. Gemeint sind jedoch jedenfalls vollständige Vierecke in einer Ebene des Raums. Die Encyclopaedia of Mathematics nennt als Quelle auch ausdrücklich die Abhandlung im Band IV der Enzyklopädie der Elementarmathematik.
- ↑ Arvesen (1895–1991) war ein bekannter norwegischer Mathematiker.
- ↑ Sobotka (1862–1931) war ein bekannter tschechischer Mathematiker.