Der Satz von Gerschgorin (nach dem Mathematiker Semjon Aronowitsch Gerschgorin) ist ein Lehrsatz aus der Algebra. Er besagt, dass die komplexen Nullstellen
eines normierten komplexen Polynoms

in einem Kreis
um den Nullpunkt mit dem Radius
liegen, wobei die Abschätzungen
und

gelten.
Gerschgorin-Kreise
Dieser Satz ist eine Folgerung aus dem Satz über die Gerschgorin-Kreise in der komplexen Ebene, welche die Eigenwerte einer quadratischen Matrix enthalten. Für jede Matrix
gilt, dass die Eigenwerte von
in der Vereinigung der Kreisscheiben

um die Diagonalelemente
mit Radien
bzw. bei Betrachtung der transponierten Matrix mit Radien
liegen. Jede Zusammenhangskomponente der Vereinigung enthält genauso viele Eigenwerte wie Diagonalelemente der Matrix
.
Begleitmatrizen
Multipliziert man ein Polynom
mit Grad
mit der Variablen
und reduziert das Produkt modulo
, so entsteht ein neues Polynom
mit Grad kleiner
. Diese Zuordnung ist eine lineare Abbildung des Raums
der Polynome vom Grad
(oder kleiner) in sich selbst. Zu jeder Basis dieses
-dimensionalen Vektorraums (genauer des Quotientenrings
) kann daher eine Koeffizientenmatrix dieses Multiplikationsoperators angegeben werden. Diese wird Begleitmatrix des Polynoms genannt.
Jede Begleitmatrix des Polynoms
hat die Nullstellen des Polynoms als Eigenwerte. Das Eigenpolynom zum Eigenwert
ist
, denn
.
Begleitmatrix zur Standardbasis
Die Standardbasis besteht aus den Monomen
. Die Produkte
sind schon die gradminimalen Repräsentanten modulo
, für das letzte Basiselement gilt
.
Die Begleitmatrix (in Frobenius-Form) ist also
.
Die Nullstellen des Polynoms
sind daher in der Vereinigung der Kreisscheiben
und
enthalten. Bei Verwendung der transponierten Begleitmatrix ergibt sich die Vereinigung der Kreisscheiben
,
und
. Aus diesen beiden Fällen ergeben sich die einleitend angegebenen Abschätzungen.
Begleitmatrix zur Basis der Lagrange-Interpolation
(vgl. Börsch-Supan 1963): Seien
paarweise verschiedene komplexe Zahlen. Dann bilden die Polynome

eine Basis des Raums der Polynome vom Grad kleiner
. Der führende Koeffizient ist jeweils 1. Deshalb ist der minimale Repräsentant von
gerade das Polynom
. Nach der Formel der Lagrange-Interpolation kann dieses Polynom in der gewählten Basis ausgedrückt werden:
.
Die Begleitmatrix ergibt sich somit zu
.
Je näher die Stützstellen
an den wahren Nullstellen liegen, desto kleiner wird der zweite Summand, das heißt desto kleiner sind die Radien der Gerschgorin-Kreise.
Die Nullstellen von
sind danach in der Vereinigung der Kreisscheiben

bzw. bei Verwendung der transponierten Begleitmatrix in der Vereinigung der Kreisscheiben

enthalten. Sind die gewählten Stützstellen
gute Approximationen der Nullstellen von p(X), so zerfällt die Vereinigung der Kreisscheiben in Zusammenhangskomponenten, die jeweils einen Cluster von Nullstellen bzw. eine mehrfache Nullstelle enthalten. Sind die Nullstellen gut getrennt und die Approximation gut genug, so sind die Kreisscheiben paarweise disjunkt und jede enthält genau eine Nullstelle.
Eine weitere Beobachtung ist, dass die Zentren
der Kreisscheiben bessere Schätzungen der Nullstellen von
darstellen. Wiederholt man diese Verbesserung in einer Rekursion, so ergibt sich das Weierstraß-(Durand-Kerner)-Verfahren.
Verbesserung
A. Neumaier (2003) gibt die folgende Verbesserung der Kreisscheiben im letzten Beispiel: Die Nullstellen sind in den Kreisscheiben
,
enthalten. Diese Kreisscheiben sind Teilmengen der Kreisscheiben zur transponierten Matrix im letzten Beispiel. Der Radius reduziert sich gegenüber der dort abgeleiteten Formel um einen Faktor von etwa
.
Literatur
- W. Börsch-Supan: A posteriori error bounds for the zeros of polynomials. In: Numerische Mathematik. Vol. 5, Nr. 1, 1963, ISSN 0029-599X, S. 380–398, doi:10.1007/BF01385904.
- Howard E. Bell: Gershgorin’s Theorem and the Zeros of Polynomials. In: American Mathematical Monthly. Vol. 72, Nr. 3, März 1965, ISSN 0002-9890, S. 292–295.
- Arnold Neumaier: A Gerschgorin type theorem for zeros of polynomials. (online), wahrscheinlich publiziert als Arnold Neumaier: Enclosing clusters of zeros of polynomials. In: Journal of Computational and Applied Mathematics. 156. Jahrgang, 2003 (sciencedirect.com).