Samantha Geimer

Samantha Geimer (* 31. März 1963 in den Vereinigten Staaten als Samantha Jane Gailey) ist eine US-amerikanische Autorin und Darstellerin in mehreren Filmdokumentationen.[1]

Begegnung mit Roman Polański

Im Alter von dreizehn Jahren zog sie die Aufmerksamkeit des französischen Regisseurs Roman Polański auf sich und wurde daraufhin auf Drängen ihrer Mutter und Polańskis zu Fotoaufnahmen geschickt. Diese fanden im Haus des Schauspielers Jack Nicholson statt. Polański sagte ihr gegenüber, die Aufnahmen seien für das Modemagazin Vogue.

Doch soll Polański, statt Fotoaufnahmen zu machen, dem Mädchen die Drogen Alkohol und Methaqualon[2] gegeben und sie dann vergewaltigt haben.

Verfahren gegen Polański 1977

Die Anklage gegen Polański umfasste insgesamt sechs Punkte.[3] Das Verfahren fand unter großer öffentlicher Anteilnahme statt. Um die Minderjährige zu schützen, schlug ihr Anwalt eine Verständigung im Strafverfahren (englisch plea bargain) vor, damit sie nicht öffentlich vor Gericht aussagen musste. Der Staatsanwalt stimmte zu, ebenso Polańskis Verteidiger; die Anklage wurde damit auf „außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen“ reduziert; im Rahmen dieser Verständigung bekannte sich Polański schuldig.[4] Wegen des Alters des Opfers war eine gerichtspsychiatrische Beurteilung des Täters gesetzlich vorgeschrieben, zu der Polański für 90 Tage ins Staatsgefängnis eingewiesen wurde. Nach 42 Tagen erfolgte die vorzeitige Entlassung mit der Empfehlung, eine Bewährungsstrafe zu verhängen.

Als sich abzeichnete, dass der zuständige Richter sich nicht an die Absprache halten würde, floh Polański nach London und lebte anschließend in Frankreich. Seither vermied er Reisen in die USA und in Länder, in denen mit einer Auslieferung zu rechnen ist.

Antrag auf Verfahrenseinstellung, Festnahme und Freilassung Polańskis

2008 thematisierte die Regisseurin Marina Zenovich in ihrer Dokumentation Roman Polanski: Wanted and Desired (2008)[5] eine mögliche Befangenheit des Richters gegenüber Polański. Polańskis Anwälte beantragten daraufhin 2008, das noch immer schwebende Verfahren einzustellen. Der Oberste Gerichtshof des Bezirks Los Angeles bestand aber darauf, dass Polański persönlich vor Gericht erscheinen müsse, und lehnte eine Verlegung des Verfahrens an ein Gericht außerhalb von Los Angeles ab. Polański war jedoch nicht bereit, nach Los Angeles zu reisen, zumal er angesichts eines gültigen Haftbefehls mit seiner Verhaftung rechnen musste.[6][7]

Am 26. September 2009, während der Postproduktion von Der Ghostwriter, wurde Polański aufgrund eines internationalen Haftbefehls von 2005 (für die USA bestand bereits seit 1978 ein Haftbefehl) auf Betreiben der US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden bei seiner Einreise in die Schweiz auf dem Flughafen Zürich verhaftet. Er wollte beim Zurich Film Festival den Preis für sein Lebenswerk entgegennehmen.[8][9] Die USA hatten bereits vor dem Festival vorsorglich einen formellen Antrag auf Auslieferung gestellt.[10] Am 23. Oktober 2009 traf das definitive Auslieferungsbegehren der USA beim Bundesamt für Justiz in Bern ein.

Am 25. November 2009 gab das schweizerische Bundesstrafgericht in Bellinzona einer Beschwerde Polańskis gegen die Ablehnung seines Haftentlassungsgesuches statt. Am 4. Dezember 2009 wurde die Haft durch einen elektronisch überwachten Hausarrest ersetzt;[11] weitere Sicherungsmaßnahmen waren die Abgabe seiner Ausweispapiere sowie eine Kaution in Höhe von 4,5 Millionen Schweizer Franken.[12]

Öffentliche Reaktionen auf die Verhaftung gab es von Künstlern und Politikern insbesondere in Frankreich und Polen. Während sich Politiker wie der französische Kulturminister Frédéric Mitterrand und der polnische Außenminister Radosław Sikorski kritisch zu der Verhaftung äußerten[13][14] und bekannte Regisseure wie Woody Allen, Pedro Almodóvar und Martin Scorsese eine Petition für Polańskis Freilassung unterzeichneten,[15] gab es auch Stimmen – darunter die von Regisseur Luc Besson,[16] des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk[17] und des grünen Europapolitikers Daniel Cohn-Bendit[18] –, die auf die Schwere des Vorwurfs, das Prinzip der Rechtsgleichheit und die Unabhängigkeit der Justiz hinwiesen. Der frühere polnische Präsident Lech Wałęsa appellierte an die Behörden, ihm „diese eine Sünde“ zu verzeihen.[19]

Im Mai 2010 äußerte sich Polański erstmals seit seiner Verhaftung.[4] Er bezeichnete den Gefängnisaufenthalt 1977 als vereinbarte „Gesamtstrafe“ und berief sich dabei auf die beeidete Aussage des damaligen Staatsanwalts Roger Gunson vom 26. Februar 2010. Dem damaligen Richter Laurence J. Rittenband und dem nun mit dem Fall befassten Staatsanwalt David Walgren warf Polański dagegen vor, sich nicht an die damalige Vereinbarung zu halten, „um sich auf meine Kosten die Aufmerksamkeit der Medien zu sichern“.[4]

Am 12. Juli 2010 wiesen die Schweizer Justizbehörden den Auslieferungsantrag der USA ab und hoben Polańskis Hausarrest auf.[20] In der Begründung verwies das zuständige Ministerium auf inhaltliche Mängel im Auslieferungsantrag.[21]

Im Oktober 2010 äußerte sich das vormalige Opfer gegenüber dem Nachrichtensender CNN erstmals zu Polańskis Inhaftierung in der Schweiz. Sie zeigte sich erleichtert darüber, dass Polański nicht ausgeliefert wurde; sie betrachte ihn als ausreichend bestraft. Durch den Medienrummel und das Vorgehen des in ihren Augen korrupten Justizapparats fühle sie sich mehr geschädigt als durch Polańskis Missbrauch vor 32 Jahren. Sie wünschte ausdrücklich, die Klage fallen zu lassen.[22]

2013 veröffentlichte Samantha Geimer ihre Autobiografie The Girl: A Life in the Shadow of Roman Polanski (The Girl: Mein Leben im Schatten von Roman Polanski), in der sie ihre Sicht der Ereignisse schildert.[23]

Erneuter Auslieferungsantrag der Vereinigten Staaten

Im Februar 2015 beantragten die Vereinigten Staaten Polańskis Auslieferung aus Polen. Am 25. Februar 2015 fand in Krakau unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine neunstündige Gerichtsverhandlung statt.[24] Am 30. Oktober 2015 entschied das zuständige Gericht in Krakau, dem Auslieferungsantrag nicht stattzugeben.[25][26] Politiker der PiS-Partei, die die Parlamentswahl am 25. Oktober 2015 gewonnen hatte, hatten sich vor dem Urteil für eine Auslieferung Polańskis an die Vereinigten Staaten ausgesprochen.[27] Ende Mai 2016 erklärte der polnische Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro (PiS), dass er als oberster Strafverfolger gegen das Urteil des Krakauer Gerichts vor dem Obersten Gericht Polens in Berufung gehen und den Prozess neu aufrollen lassen wolle. Bei dem Urteil habe Polański von einem „Prominentenbonus“ profitiert. Wäre er nicht eine Person des öffentlichen Interesses, wäre er längst ausgeliefert worden.[28] Das Oberste Gericht in Warschau bestätigte das Urteil des Krakauer Gerichts am 6. Dezember 2016, weil es in dem Verfahren keine schwerwiegenden Rechtsfehler erkennen konnte.[29]

2013 veröffentlichte sie The Girl: A Life in the Shadow of Roman Polanski, das ihre Erlebnisse mit Polański genauer beschreibt. Auch sagte sie in der Öffentlichkeit später, Polański verziehen und Verständnis für ihn zu haben.[30][31][32]

Werke

Bücher

  • 2013: The Girl: A Life in the Shadow of Roman Polanski

Filmografie (Auswahl)

  • 2008: Roman Polanski: Wanted and Desired
  • 2008: The View (Fernsehserie, 1 Folge)
  • 2009: Access Hollywood (Fernsehserie, 1 Folge)
  • 2003–2010: Larry King Live (Fernsehserie, 2 Folgen)
  • 2012: Roman Polanski: Odd Man Out
  • 2013: Good Day L.A. (Fernsehserie, 1 Folge)
  • 2013: Le grand journal de Canal+ (Fernsehserie, 1 Folge)
  • 2013: 60 Minutes (Fernsehserie, 1 Folge)

Einzelnachweise

  1. Missbrauchsopfer: Samantha Geimer hat Verständnis für Roman Polanski. In: Der Spiegel. 24. September 2013, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. November 2023]).
  2. Samantha Geimer über die Vergewaltigung – stern.de. Abgerufen am 10. Februar 2025.
  3. “rape by use of drugs, perversion, sodomy, lewd and lascivious act upon a child under fourteen, and furnishing a controlled substance to a minor” Salon (Online-Magazin): Reminder: Roman Polanski raped a child. Finally arrested 32 years after he fled sentencing for unlawful sex with a minor, the director is … a big hero?, Sep 28, 2009, by Kate Harding
  4. a b c «Ich kann nicht länger schweigen». Roman Polanski meldet sich erstmals zu Wort. In: NZZ, 3. Mai 2010
  5. Der Fall Polanski – gesucht und begehrt (Memento vom 2. Oktober 2009 im Internet Archive). In: Frankfurter Rundschau, 30. September 2009 – siehe Hauptartikel Roman Polanski: Wanted and Desired.
  6. Christiane Heil: 32 Jahre nach dem Missbrauch. Polanskis Opfer steht auf seiner Seite. In: FAZ, 3. Februar 2009.
  7. Sebastian Moll: Roman Polanski. Auf der Suche nach Versöhnung. (Memento vom 22. Februar 2009 im Internet Archive) In: Frankfurter Rundschau, 18. Februar 2009; S. Vahabzadeh: Der lebenslängliche Makel. Fall Roman Polanski. In: Sueddeutsche Zeitung, 17. Mai 2010.
  8. Roman Polanski in der Schweiz verhaftet, Berner Zeitung, 26. September 2009
  9. Überraschende Festnahme in der Schweiz. Oscar-Preisträger Polanski droht jahrelange Haft. (Memento vom 30. September 2009 im Internet Archive) In: tagesschau.de, 27. September 2009.
  10. Polanski am Flughafen Zürich festgenommen. In: NZZ, 28. September 2009.
  11. Polanski tritt Hausarrest an. In: Die Zeit Online, 4. Dezember 2009.
  12. Entscheid des Bundesstrafgerichtes vom 24. November 2009 (PDF; 68 kB).
  13. Les gouvernements français et polonais vont demander la libération de Polanski. In: Le Monde, 27. September 2009, aufgerufen am 15. Februar 2014.
  14. Anger in France and Poland after Polanski arrest, Reuters.com, 27. September 2009, abgerufen am 27. September 2009
  15. Die mittlerweile über 40-jährige Frau meldete sich bereits mehrfach mit dem Wunsch zu Wort, das Verfahren solle eingestellt werden. Siehe: Nach Festnahme in der Schweiz: Polanski stellt Antrag auf Haftentlassung. (Memento vom 2. Oktober 2009 im Internet Archive) In: tagesschau.de, 29. September 2009.
  16. Luc Besson : «La justice doit être la même pour tout le monde». In: Libération. 29. September 2009, archiviert vom Original am 2. Oktober 2009; abgerufen am 30. September 2009 (französisch).
  17. «Affäre Polanski»: Hinweis kam aus den USA (Memento vom 5. Oktober 2009 im Internet Archive), SF Tagesschau, 29./30. September 2009, abgerufen am 30. September 2009
  18. Cohn-Bendit critique la position de Frédéric Mitterrand sur Polanski. In: Libération. 29. September 2009, archiviert vom Original am 1. Oktober 2009; abgerufen am 30. September 2009 (französisch).
  19. Filip Ganczak: „Intellektuell flach“ – Roman Polanskis Stasi-Akte. In: Berliner Morgenpost. 5. November 2011, abgerufen am 5. Oktober 2019: „Der polnische KP-Chef Wladyslaw Gomulka warf einen Aschenbecher nach Roman Polanskis Film. Erstmals liegen die Dossiers offen, die das Regime über den Skandal-Regisseur anlegte.“
  20. Roman Polanski: Keine Auslieferung. Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 12. Juli 2010, archiviert vom Original am 22. Februar 2014; abgerufen am 12. Juli 2010.
  21. Schweiz: Auslieferungsantrag abgelehnt. Polanski ist wieder frei. In: Süddeutsche Zeitung, 12. Juli 2010.
  22. Polanski-Opfer begruesst die Freilassung des Regisseurs. Suedostschweiz.ch, 8. Oktober 2010, abgerufen am 19. August 2013.
  23. Bettina Weber: Das Leben nach Polanski. In: Tages-Anzeiger vom 26. September 2013
  24. Polnisches Gericht prüft Auslieferung Roman Polanskis. FAZ, 25. Februar 2015, abgerufen am 26. Februar 2015.
  25. Finale im Auslieferungsprozess um Polanski. Lausitzer Rundschau, 26. September 2015, abgerufen am 5. Oktober 2015.
  26. Roman Polanski: Polish court rejects US extradition. BBC News, 30. Oktober 2015, abgerufen am 30. Oktober 2015 (englisch).
  27. New Polish government says Roman Polanski should be extradited to US. i24News, 28. Oktober 2015, abgerufen am 30. Oktober 2015 (englisch).
  28. Polnische Regierung geht in Berufung: Auslieferungsverfahren gegen Polanski wird aufgerollt. tagesschau.de, 31. Mai 2016, abgerufen am 31. Mai 2016.
  29. http://wyborcza.pl/7,75398,21078808,scigany-jak-roman-polanski.html Gazeta Wyborcza, abgerufen am 6. Dezember 2016
  30. Geimer, Samantha. Abgerufen am 7. Juli 2025.
  31. Samantha Geimer. Abgerufen am 10. November 2023 (deutsch).
  32. Roman Polanski: „Er wollte, dass ich es genieße“ – WELT. 21. September 2015, abgerufen am 10. November 2023.