SPINA-GR
SPINA-GR ist ein berechneter Biomarker für die Insulinsensitivität.[1] Er ist ein Maß für die Verstärkung des Insulinrezeptors.
Die Berechnungsmethode beruht auf einem zeitdiskreten mathematischen Modell der Insulin-Glukose-Homöostase, das auf der MiMe-NoCoDI-Plattform für die Modellierung endokriner Regelkreise aufbaut[2].
Ermittlung
ist von einem mathematischen Modell der Insulin-Glukose-Homöostase und grundlegenden physiologischen Prinzipien hergeleitet[3].[4] Für diagnostische Zwecke wird der Parameter mit:
aus Insulin- und Glukosekonzentrationen berechnet. Dabei bedeuten:
[I](∞): Nüchtern-Plasmakonzentration für Insulin (μU/ml)
[G](∞): Nüchtern-Blutzucker (mg/dl)
G1: Parameter für die Pharmakokinetik (154,93 s/l)
DR: EC50 für Insulin an seinem Rezeptor (1,6 nmol/l)
GE: Effektorverstärkung (50 s/mol)
P(∞): Konstitutive endogene Glukoseproduktion (150 µmol/s)
Referenzbereiche
| Untergrenze | Obergrenze | Maßeinheit |
|---|---|---|
| 1,41[5] | 9,00[5] | mol/s |
Die Gleichungen und ihre Parameter sind kalibriert für erwachsene Menschen mit einer Körpermasse von 70 kg bzw. einem Blutplasmavolumen von etwa 2,5 Litern.
Klinische Wertigkeit
Validität
Verglichen mit gesunden Versuchspersonen ist SPINA-GR bei Personen mit Prädiabetes und Diabetes mellitus signifikant reduziert. Der Parameter korreliert mit dem M-Wert in Glucose-Clamp-Untersuchungen, der Hautfaltendicke im Trizepsbereich und unter dem Schulterblatt sowie (besser als HOMA-IR und QUICKI) mit der Zwei-Stunden-Glukosekonzentration und dem Glukoseanstieg im oralen Glukosetoleranztest (oGTT), dem Taillen-Hüft-Verhältnis, dem Körperfettgehalt (gemessen mittels DXA) und der HbA1c-Fraktion.[1]
Klinischer Nutzen
Sowohl in der FAST-Studie, einer Fall-Kontroll-Studie an 300 Personen aus Deutschland, als auch in der NHANES-Studie hat SPINA-GR klarer zwischen Personen mit und ohne Diabetes mellitus differenziert als HOMA-IR, HOMA-IS und QUICKI.[5]
Wissenschaftliche Implikationen und andere Anwendungen
Zusammen mit der Sekretionsleistung der Betazellen (SPINA-GBeta) liefert SPINA-GR die Grundlage für die Definition eines statischen Dispositionsindex der Insulin-Glukose-Homöostase (SPINA-DI).[5]
In Kombination mit SPINA-GBeta und Whole-Exom-Sequenzierung hat die Berechnung von SPINA-GR geholfen, eine neue Variante des monogenetischen Diabetes (MODY) zu definieren, die durch eine primäre Insulinresistenz gekennzeichnet ist und von einer Missense-Mutation des Gens für den Ryanodin-Rezeptor Typ 2 (RyR2) (p.N2291D) herrührt.[6]
Pathophysiologische Bedeutung
In schlanken Personen ist SPINA-GR signifikant höher als in Populationen mit adipösen Personen.[1] In verschiedenen Populationen korrelierte SPINA-GR mit der Fläche unter der Glukosekurve und den 2-Stunden-Konzentrationen für Glukose, Insulin und Proinsulin im oralen Glukosetoleranztest sowie den Konzentrationen für freie Fettsäuren, Ghrelin und Adiponektin sowie der HbA1c-Fraktion.[5]
Bei Acne inversa, einer entzündlichen Hauterkrankung, ist SPINA-GR reduziert. Wenn diese Reduktion nicht durch eine erhöhte Betazellfunktion kompensiert wird, fällt notwendigerweises der statische Dispositionsindex (SPINA-DI) ab, so dass sich ein Diabetes mellitus entwickelt[7].
Prädiktive Aspekte
In einer Längsschnittauswertung der NHANES-Studie, einer großen Stichprobe der US-amerikanischen Bevölkerung, über 10 Jahre sagte ein reduzierter statischer Dispositionsindex (SPINA-DI), berechnet als Produkt aus SPINA-GBeta und SPINA-GR, die Mortalität jeglicher Ursache voraus[8].
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b c d JW Dietrich, R Dasgupta, S Anoop, F Jebasingh, ME Kurian, M Inbakumari, BO Boehm, N Thomas: SPINA Carb: a simple mathematical model supporting fast in-vivo estimation of insulin sensitivity and beta cell function. In: Scientific Reports. 12. Jahrgang, Nr. 1, 21. Oktober 2022, S. 17659, doi:10.1038/s41598-022-22531-3, PMID 36271244, PMC 9587026 (freier Volltext) – (englisch).
- ↑ Moisés Santillán: Quantitative Insights into Glucose Regulation: A Review of Mathematical Modeling Efforts. In: Dynamics of Physiological Control. 2025, S. 125–148, doi:10.1007/978-3-031-82396-1_7 (englisch).
- ↑ Maghnia Hamou-Maamar: Mathematical Modeling in Diabetes Care and Innovation. In: Computational Mathematics and Modelling for Diabetes. 2025, S. 167–190, doi:10.1007/978-981-96-1925-2_4 (englisch).
- ↑ Johannes W. Dietrich, Bernhard Böhm: Die MiMe-NoCoDI-Plattform: Ein Ansatz für die Modellierung biologischer Regelkreise. In: GMDS 2015; 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik. 27. August 2015, S. Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS), doi:10.3205/15gmds058.
- ↑ a b c d e Johannes W. Dietrich, Assjana Abood, Riddhi Dasgupta, Shajith Anoop, Felix K. Jebasingh, R. Spurgeon, Nihal Thomas, Bernhard O. Boehm: A novel simple disposition index (SPINA-DI) from fasting insulin and glucose concentration as a robust measure of carbohydrate homeostasis. In: Journal of Diabetes. 2. Januar 2024, doi:10.1111/1753-0407.13525, PMID 38169110 (englisch).
- ↑ Vikas Bansal, Bernhard R. Winkelmann, Johannes W. Dietrich, Bernhard O. Boehm: Whole-exome sequencing in familial type 2 diabetes identifies an atypical missense variant in the RyR2 gene. In: Frontiers in Endocrinology. 15. Jahrgang, 20. Februar 2024, doi:10.3389/fendo.2024.1258982, PMID 38444585, PMC 10913019 (freier Volltext) – (englisch).
- ↑ Nessr Abu Rached, Johannes W. Dietrich, Lennart Ocker, Eggert Stockfleth, Yannik Haven, Daniel Myszkowski, Falk G. Bechara: Endotyping Insulin–Glucose Homeostasis in Hidradenitis Suppurativa: The Impact of Diabetes Mellitus and Inflammation. In: Journal of Clinical Medicine. 14. Jahrgang, Nr. 7, 21. März 2025, S. 2145, doi:10.3390/jcm14072145, PMID 40217596.
- ↑ Johannes W. Dietrich: P4-Endokrinologie – Kybernetische Perspektiven eines neuen Ansatzes. In: Leibniz Online. 54. Jahrgang, 2024, doi:10.53201/LEIBNIZONLINE54 (leibnizsozietaet.de [PDF]).