Ross-Verlag

Künstlerpostkarte des Verlags „Ross“

Der Ross-Verlag in Berlin war ein deutscher Verlag, der in den 1920er bis 1940er Jahren Ansichtskarten und Fotos mit Porträts von Schauspielern und Sängern sowie Ansichtskarten mit Filmszenen herausgab.

Verlagsgeschichte

Anlässlich seines 60. Geburtstages würdigt die Filmwoche 1930 die Arbeit von Heinrich Roß

Heinrich Roß (* 13. August 1870 in Rokytno, Österreich-Ungarn; † 3. August 1957 in Chicago, Illinois)[1] hatte im Jahr 1901 die Firma Heinrich Roß gegründet[2], aus der im Jahr 1908 nach einer Umwandlung die Heinrich Roß Kunstdruck GmbH hervorging[3]. Für den Vertrieb von Papiererzeugnissen gründete er im Juni 1907 die Roß Bromsilber-Vertriebs-GmbH.[4] Das Pferd als Firmenlogo des Verlags bezieht sich auf den Namen des Gründers. Der Firmensitz war in der Alexandrinenstraße 10 in Berlin SW68.

In den 1920er- und 1930er-Jahren galt der Ross-Verlag als der in ganz Europa führende Verlag für Postkarten mit Porträts bekannter Filmschauspieler und Postkarten mit Filmszenen – zunächst nur für Deutschland, später auch für das internationale Filmschaffen. Schätzungsweise bis zu 40.000 verschiedene Motive wurden ausgegeben. Zu den Fotografen, deren Fotos der Verlag in den 1920er-Jahren veröffentlichte, gehörten auch die seit 1921 in Berlin lebende Wanda von Debschitz-Kunowski und Hanni Schwarz.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte sich Heinrich Roß in der jüdischen „Brüder-Gemeinde Neukölln“ von 1922 bis 1934 als erster Vorsitzender. Seine Ehefrau Bertha Roß (* 5. September 1872 in Jičín als Bertha Schindelka; † 11. April 1936 in Berlin-Dahlem[5]) war seit 1926 Schriftführerin des der Brüder-Gemeinde angegliederten „Israelitischen Frauenvereins“.[6][7]

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Ross-Verlag 1937 „arisiert“ und in die Tobis Filmkunst GmbH integriert. Heinrich Roß emigrierte und schiffte sich am 13. Mai 1939 in Hamburg auf der St. Louis ein, die ihn nach Kuba bringen sollte. Er wurde unfreiwillig Teilnehmer der Irrfahrt der St. Louis und musste im Juni 1939 wieder nach Europa zurückkehren. Roß hatte Glück und erhielt eine Einreiseerlaubnis für Großbritannien, von wo aus er am 6. Oktober 1942 in die USA reisen durfte.[8] Am 19. April 1943 stellte dort einen Einbürgerungsantrag, dem allerdings erst im Juni 1948 stattgegeben wurde.[6] In Deutschland wurde ihm später eine Wiedergutmachung gewährt, die aber in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Vermögen stand, das er in Deutschland zurücklassen musste. Bis ins hohe Alter war er deshalb gezwungen, einer Berufstätigkeit als Maschinenarbeiter nachzugehen.[6]

Von seinen drei Kindern – Helene (* 2. Januar 1897 in Rixdorf), Edith (* 31. Mai 1898 in Rixdorf; † 14. Januar 1966), verheiratet mit dem Opernsänger Gerhard Pechner[1] und Egon (* 26. Juni 1900 in Rixdorf; † 10. Dezember 1978 in Chicago) – konnten Edith und Egon bereits vor ihrem Vater in die USA emigrieren.[9] Tochter Helene war in Berlin geblieben. Von ihrem Schicksal erfuhr Ross erst nach dem Krieg. Sie war am 8. Mai 1945 im Alter von 48 Jahren in Berlin verstorben.[6][10]

Das von Heinrich Roß gegründete Unternehmen firmierte nach dem Zweiten Weltkrieg einige Jahre noch als Film-Foto-Verlag, bis es in UFA/Film-Foto umbenannt wurde. Die vom Ross-Verlag veröffentlichten Porträtkarten sind heute begehrte Sammelobjekte.

Rotophot AG

Das markante Signet des Rotophot Verlags: Die von einem Kreis umschlossenen Buchstaben R P H.

Heinrich Roß war Mitglied des Aufsichtsrates der Rotophot AG für graphische Industrie[11]. Ferner gehörten zum Konzern die 1929 gegründete Rotophot Bromsilberdruck GmbH[12] und die Roß Bromsilber-Vertriebs-Gesellschaft mbH, Firmen an der gleichen Berliner Adresse, sowie Geschäftsanteile an der Österreichischen Rotophot GmbH in Wien. Das sehr bekannte RPH-Signet der Rotophot Berlin ist auf vielen Bildern zu finden. Die um 1900 gegründete Rotophot GmbH (seit 1912 Rotophot AG), ein Bildverlag für Fotografien und Plakate, war vermutlich Arbeitgeber von Heinrich Ross, bevor er seinen Verlag gründete.

Literatur

  • Ross, Heinrich. In: Ernst Fischer: Verleger, Buchhändler & Antiquare aus Deutschland und Österreich in der Emigration nach 1933: Ein biographisches Handbuch. 2. Auflage. Berlin : De Gruyter, 2020, S. 431f.
Commons: Ross-Verlag – Sammlung von Bildern
Commons: Rotophot AG – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b THE MAN BEHIND THE CARDS: HEINRICH ROSS
  2. Handelsregister Berlin HRA Nr. 10042
  3. Handelsregister Berlin HRB Nr. 5507
  4. Handelsregister Berlin HRB Nr. 4532
  5. Standesamt Berlin-Dahlem, Sterbeurkunde Nr. 39 vom 14. April 1936
  6. a b c d Bettina Müller: Eine Geschichte von Ruhm und Sehnsucht, taz am Wochenende, 13./14. Juni 2020, S. 51
  7. Jüdisches Adressbuch für Gross-Berlin. Ausgabe 1929/1930, S. 429 [1]
  8. Names of alien passengers embarked at the port of Cardiff vom 6. Oktober 1942
  9. Heinrich Ross, Petition for Naturalization Nr. 329520 vom 19. April 1943
  10. Helene Roß, Standesamt Rixdorf, Geburtsurkunde Nr. 40 vom 5. Januar 1897 mit Vermerk des Todeszeitpunkts
  11. Edith Hamann: Der Vater der Künstlerpostkarte, in: Die Filmwoche, Nr. 33, Jg. 1930, S. 1053
  12. Handelsregister Berlin HRB Nr. 43375