Robert-Capa-Zentrum für zeitgenössische Fotografie

Das Robert-Capa-Zentrum für zeitgenössische Fotografie ist ein 2013 eröffnetes Museum in Budapest. Es zeigt Fotografien des ungarisch-US-amerikanischen Fotografen Robert Capa. Das Zentrum wird von der Robert Capa Contemporary Photography Center Nonprofit Ltd. betrieben, die zu diesem Zweck vom ungarischen Staat gegründet wurde.

Geschichte

Capa ging als einziger Fotojournalist am D-Day mit den US-Soldaten an Land

Robert Capa wurde am 22. Oktober 1913 in Budapest als Endre Ernő Friedmann geboren. Bekannt wurde er vor allem als Kriegsreporter. Mehrere seiner Aufnahmen von Kriegsschauplätzen erlangten eine ikonische Bedeutung im öffentlichen Bewusstsein wie die vom Spanischen Bürgerkrieg oder die von der Landung der alliierten Streitkräfte am Strand der Normandie (am D-Day im Zweiten Weltkrieg).

Nachdem der ungarische Staat 2008 985 Fotografien aus dem Nachlass von Robert Capa von der Sammlung des International Center of Photography in New York erworben hatte, gründete dieser eine Institution, die sich der ungarischen Fotografie widmet. Eine Auswahl von etwa 30 Bildern wurde vom 6. bis 15. März 2009 erstmals im Ungarischen Nationalmuseum präsentiert. Eine Ausstellung mit mehr Werken folgte noch 2009 im Ludwig-Museum für Zeitgenössische Kunst in Budapest.[1]

Der ungarische Staat gründete am 12. Juli 2013 die Robert Capa Contemporary Photography Center Nonprofit Ltd., die das Zentrum betreibt. Finanziert werden die Aufgaben den Zentrums aus staatlichen Zuschüssen und eigenen Einnahmen.[2]

Das Zentrum öffnete am 3. Dezember 2013 erstmals seine Türen für die Öffentlichkeit.

Gebäude

Erbauung

Nagymező ut. 8

Das Gebäude in der Nagymező utca 8 im VI. Budapester Bezirk wurde von dem Kunstsammler und Mäzen Lajos Ernst (1872–1937) errichtet. Ernst, der während seiner Karriere als oberster Regierungsrat tätig war, gehörte zu den Gründern des Nationalsalons im Jahr 1894 und war von 1901 bis 1909 dessen Direktor.

Im Jahr 1909 erwarb Ernst ein zuvor bestehendes einstöckiges Gebäude an dieser Adresse, das aufgrund mehrfacher Brände, vermutlich verursacht durch Unfälle in den nahegelegenen Glasgießereien der Ungarischen Vereinigten Glasfabriken, die seit 1892 tätig waren, beschädigt wurde. Ernst entschloss sich, ein neues, großes Mietshaus zu errichten, dessen Fertigstellung am 29. April 1912 stattfand. Das erste fünfstöckige Gebäude dieser Art in Budapest beinhaltete im Erdgeschoss ein Kino, im ersten Stock ein Museum, das Ernsts Kunstsammlung sowie Wechselausstellungen beherbergte, und in den oberen Etagen Mietwohnungen sowie zwei Ateliers, die von den Malerfreunden Ernsts, Adolf Fényes und István Zádor, genutzt wurden.

Die äußere Gestaltung des Gebäudes weist eine zurückhaltende Form des Jugendstils auf und enthält Anlehnungen an Renaissance-Patrizierhäuser im Norddeutschen Tiefland. Der Architekt Gyula Fodor ließ sich bei der Gestaltung der oberen Etagen von Ödön Lechners Postsparkasse inspirieren, um seinen Respekt gegenüber Lechner auszudrücken.

Die Innengestaltung des Museums übertrug Ernst an Künstlerfreunde: Der Innenarchitekt Elek Falus war Grafiker und Kunsthandwerker, während die Steinbänke von Ödön Lechner entworfen wurden und das große Glasfenster im Treppenhaus vom Glaskünstler Miksa Róth nach Entwürfen des Malers József Rippl-Rónai gefertigt wurde. Über dem Jugendstil-Eingang finden sich historisierende Reliefs der Renaissanceherrscher Matthias Corvinus und Beatrix von Aragón, die die Harmonie historischer und zeitgenössischer Elemente in Ernsts Sammlung und Gebäude verdeutlichen. Kopien der Reliefs, die ursprünglich vom italienischen Bildhauer Benedetto da Maiano im Jahr 1476 geschaffen wurden, wurden von László Vaszary angefertigt. Die Originale befinden sich im Renaissance-Lapidarium der Ungarischen Nationalgalerie.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde das Museum vorübergehend mit Unterstützung von Ernst vom Baumeisterverein in ein Militärkrankenhaus umgewandelt. 1914 wurden in den Ausstellungsräumen neben Krankenstationen ein Badezimmer und ein Operationssaal eingerichtet. Die Statue von Sándor Petőfi blieb als einziges Kunstwerk zwischen den weißen Krankenhausbetten stehen, da sie nicht bewegt werden konnte.

Kino und Theater

Obwohl ursprünglich ein Café im Erdgeschoss geplant war, entschied sich Ernst letztlich für die Eröffnung eines Kinos. Das Tivoli-Kino wurde am 7. Dezember 1912 eröffnet und galt als das größte Kino der Hauptstadt mit 700 Sitzplätzen. Die kunstvollen Innenräume wurden vom Architekten Sándor Skutetzky im Auftrag der Betreibergesellschaft Projectograph Motion Picture and Machine Works Ltd. gestaltet.

Im Jahr 1942 wurde der Name Tivoli in Tinódi geändert. Ab 1944 war das Kino eines der wenigen in Budapest, das Juden zu bestimmten Zeiten und mit einem gelben Stern den Zugang gestattete. Ab 1991 erhielt das Kino wieder den Namen Tivoli, bis es am 30. Dezember 1992 geschlossen wurde.

Im Jahr 1998 fand eine Umwandlung in ein Tivoli-Theater mit 180 Sitzplätzen statt, betrieben vom Budapester Kammertheater. Die letzte Aufführung des Theaters fand am 7. Mai 2012 statt.

Museum

Das Museum im ersten Stock wurde am 12. Mai 1912 vom Kulturminister Graf János Zichy eröffnet und zeigte teilweise Ernsts Privatsammlung sowie Wechselausstellungen, mit einer ersten Präsentation von Gemälden des Künstlers Pál Szinyei Merse.

Lajos Ernst, Sohn eines wohlhabenden Mehlhändlers, begann bereits im Alter von fünfzehn Jahren mit dem Sammeln von Lithografien und Kupferstichen. Sein besonderes Interesse galt Werken, die ungarische historische Ereignisse darstellten, weshalb die Dauerausstellung in thematische Räume unterteilt war, darunter das Zeitalter der Häuptlinge der Sieben Stämme, das Zeitalter der Könige des Árpáden-Hauses und der König-Matthias-Raum. Weitere Räume waren der häuslichen Kunst gewidmet, einschließlich eines Raums für Musiker und Schauspieler sowie eines Raums für den Dichter Sándor Petőfi und Porträts ungarischer Schriftsteller.

Im Vorwort zum ersten Katalog des Museums erläuterte Ernst seine Ziele: „Alles zu sammeln, was die Erinnerung an die ungarische Kultur ausmacht, damit junge Menschen lernen, ihre Vergangenheit zu schätzen und so ihrer Zukunft zu dienen.“

Von 1917 bis zu seinem Tod veranstaltete Ernst, unterstützt von dem Kunstautoren Béla Lázár, zweimal jährlich Auktionen. Um seine Sammelleidenschaft zu finanzieren, plante er, die Erlöse aus seinen Mietwohnungen und den Auktionen zu nutzen. Allerdings ruinierte ihn die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre. Trotz mehrjähriger Verhandlungen mit dem Staat über den Verkauf seiner Sammlung, um seine Schulden zu begleichen, nahm er sich im Frühjahr 1937 das Leben. Seine Sammlung wurde 1939 versteigert, und viele der Kunstwerke bereichern heute die Sammlungen ungarischer Museen.

Nach seinem Tod änderte die Institution häufig ihren Namen und firmierte unter verschiedenen Bezeichnungen, darunter „Graf Almásy-Teleki Évas Künstlerisches Institut“ (1939–1945), „Institut für Kunst und Handel“ (1945) und „Kunst- und Antiquitätenhandelsgesellschaft“ (1945–1948). Später diente sie jahrzehntelang als Zweigstelle der Kunsthalle und war Schauplatz zahlreicher erfolgreicher Ausstellungen und Kunstveranstaltungen.[3]

Sammlung

Die Sammlung umfasst 937 Abzüge aus der „Master’s Set III“-Collection von Robert Capas Lebenswerk, die im Jahr 2008 vom ungarischen Staat erworben wurde. Diese Fotografien wurden in den 1990er Jahren von Cornel Capa, Robert Capas Bruder, und dem Fotohistoriker Richard Whelan, dem ersten Monographen von Robert Capa, ausgewählt. Diese Auswahl basiert auf den nahezu 70.000 Negativen, die Capa hinterlassen hatte. Es wurde entschieden, dass nur drei Vergrößerungssätze in dieser Größe angefertigt werden sollten. Ein Satz befindet sich im International Center of Photography (ICP) in New York, ein weiterer im Tokyo Fuji Art Museum, der dritte wird im Robert Capa Center for Contemporary Photography in Budapest aufbewahrt. Darüber hinaus umfasst die ungarische Sammlung eine Vintage Collection mit 48 Originalfotografien.

Die Abzüge sind an einem Blindstempel erkennbar, der Capas Signatur imitiert und rechts unter den Vergrößerungen zu sehen ist. Die repräsentativsten Bilder stammen aus dem Zeitraum von 1932 bis 1954 und dokumentieren viele bedeutende historische Ereignisse des 20. Jahrhunderts in außergewöhnlicher Qualität. Gleichzeitig reflektieren die Fotografien die Entwicklung der visuellen Vorstellungskraft von Robert Capa.

Nach dem tragischen frühen Tod Robert Capas engagierte sich sein Bruder Cornell Capa aktiv für die Wahrung des Erbes seines berühmten Bruders. Ohne Cornell Capa wäre das Wissen über Robert Capa und seinen Einfluss auf den Fotojournalismus erheblich eingeschränkt. 1974 gründete Cornell Capa das International Center of Photography (ICP) in New York City, wo der Nachlass Robert Capas bewahrt und erforscht wird. Das ICP gilt als weltweit führende Institution im Bereich Fotografie und visuelle Kultur. Robert Capa wird oft als Pionier des modernen Fotojournalismus angesehen. Neben der Gründung des ICP trug Cornell Capa dazu bei, das Bewusstsein für den künstlerischen Wert von Fotojournalismus zu schärfen.

Die im Jahr 2008 erworbene „Master’s Set III“-Collection wurde erstmals im Ungarischen Nationalmuseum (Abteilung für Historische Fotografie) ausgestellt, wobei eine kleine Auswahl der ungarischen Öffentlichkeit im Frühjahr 2009 präsentiert wurde. Im Sommer des gleichen Jahres fand eine umfangreiche Ausstellung im Ludwig-Museum statt. Wissenschaftliche Mitarbeiter des Ungarischen Nationalmuseums präsentierten die Bilder der Sammlung nahezu ein Jahrzehnt lang mit großem Erfolg in verschiedenen kuratorischen Konzepten sowohl im Ausland als auch in mehreren ungarischen Städten.

Die Ausstellung „Robert Capa, der Fotojournalist“ umfasst Capas gesamte Karriere, beginnend mit seinem ersten Auftragsfoto von Leo Trotzkis Rede bis hin zu seiner letzten Aufnahme im Indochinakrieg.

Ausstellungen

Blick in die Ausstellung

Dauerausstellung

Die Vereinbarung über den Ankauf der Robert Capa-Sammlung in Ungarn 2008 sah vor, dass die Sammlung in einem zu ihrer Erforschung und Ausstellung einzurichtenden Fotozentrum untergebracht werden sollte. Das Robert Capa Center for Contemporary Photography (kurz: Capa Center) wurde 2013 gegründet. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die erworbene Sammlung durch Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen zu präsentieren. Am 13. Juni 2023 wurde zum 10-jährigen Jubiläum die weltweit erste Dauerausstellung zu Robert Capas Lebenswerk „Robert Capa, der Fotojournalist“ eröffnet. Die einzigartige Ausstellung präsentiert rund 138 Fotografien, darunter viele, die zu Ikonen geworden sind. Sie beleuchtet die wichtigsten Stationen im Leben des Fotografen, geordnet nach den Themen des Werks. Ausgestellt werden Capas Fotos von Krieg, Kämpfen, Soldaten in den Schützengräben und dem Alltag im Hinterland aus der Position eines teilnehmenden Beobachters. Er war bei den Soldaten, mitten im Geschehen und dokumentierte die Ereignisse aus nächster Nähe zum Tod. Diese Nähe, diese Teilhabe prägte das Genre der Kriegsfotografie neu. Sein berühmtes Zitat lautet: „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Robert Capa hatte großen Einfluss auf den Fotojournalismus und die Kriegsfotografie. Seine Bilder und Arbeiten inspirierten und inspirieren Generationen. Die ethischen Grundsätze und das Engagement, die Capa verkörperte, sind seither wichtige Säulen des Fotojournalismus.

Weitere Ausstellungen

Im Ausstellungsraum im ersten Stock ist eine Dauerausstellung der Sammlung André Kertész aus Szigetbecse zu sehen. Darüber hinaus präsentieren regelmäßig wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Fotografie Künstler wie Esther Horvath[4] und Trends der ungarischen und internationalen Fotografie. Im Veranstaltungssaal finden verschiedene Fotoveranstaltungen (Vorträge, Workshops, Portfolioberatungen) statt.

Commons: Robert Capa Contemporary Photography Center – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Robert Capa (Memento vom 23. Juni 2015 im Internet Archive)
  2. The Company auf https://capacenter.hu
  3. A Brief History of the Ernst House. Robert Capa Contemporary Photography Center Nonprofit Ltd., abgerufen am 7. September 2025.
  4. Stars of Polar Night. Exhibition by Esther Horvath. Robert Capa Contemporary Photography Center Nonprofit Ltd., abgerufen am 15. September 2025.

Koordinaten: 47° 30′ 8,5″ N, 19° 3′ 41,7″ O