Robert Bernays

Robert Hamilton Bernays (* 6. Mai 1902; † 23. Januar 1945 im Adriatischen Meer) war ein britischer Journalist und Politiker (Liberal Party, Liberal National Party). Er gehörte dem House of Commons von 1931 bis 1945 als Abgeordneter für den Wahlkreis Bristol North an.

Leben und Tätigkeit

Bernays war das vierte Kind von Stewart Frederick Lewis Bernays, der anglikanischer Pfarrer von Stanmore, ab 1924 von Finchley, war, aus dessen Ehe mit Lillian Jane Stephenson. Seine Mutter ertränkte sich Ende 1934 in der Themse. Sein Ur-Großvater Adolphus Bernays war ein jüdischgläubiger Professor aus Deutschland gewesen.

Nach dem Schulbesuch studierte er Bernays am Worcester College der Universität Oxford. Anschließend wählte er den journalistischen Beruf. Eine erste Anstellung fand er bei der Zeitung Daily News.

Als Journalist unternahm Bernays in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren zahlreiche Reisen in verschiedenste Winkel der Welt. Während derselben fertigte er Berichte über seine Erlebnisse und Beobachtungen für Zeitungen, die er mit Artikeln belieferte, an. Außerdem führte er Interviews mit herausragenden Persönlichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Lebens der von ihm besuchten Länder. So besuchte er im Sommer 1930 zusammen mit dem Vorsitzenden der Liberal Party im House of Lords, Earl Beauchamp, Australien und anschließend, alleine, noch das damals noch zum Britischen Weltreich gehörende Indien. Dort traf er mit Mahatma Gandhi zusammen, mit dem er ausgiebige Interviews führte. 1931 veröffentlichte er eines der ersten englischsprachigen Bücher über Gandhi.

Anlässlich der Unterhauswahlen von 1929 kandidierte Bernays erstmals für einen Sitz im britischen House of Commons: Er trat im Wahlkreis Rugby an, unterlag aber dem konservativen Inhaber des betreffenden Sitzes David Margesson.

Anlässlich der britischen Unterhauswahl des Jahres 1931 gelang es Bernays, sich als Kandidat der Liberal Party im Wahlkreis Bristol North gegen den Inhaber dieses Abgeordnetensitzes, den Labour-Politiker Walter Ayles, durchzusetzen und für diesen Wahlkreis in das House of Commons einzuziehen. Zu seiner Nominierung als Kandidat für den Abgeordnetensitz des Wahlkreises hatte sein wenige Monate zuvor veröffentlichtes Buch über Gandhi (bzw. die Prominenz die dieses ihm eingebracht hatte) beigetragen. Bernays hatte den genannten Wahlkreis anschließend etwas über dreizehn Jahre lang, bis 1945, inne. Da der Wahlkreis einen tendenziell konservativen Zuschnitt hatte, war Bernays in den Jahren nach 1931 stets bemüht sich politisch so zu positionieren, dass die Conservative Party keinen Gegenkandidaten zu ihm aufstellen würde. Bei der Unterhauswahl von 1935 gelang es Bernays als Abgeordneter für Bristol North wiedergewählt zu werden.

Während seiner Abgeordnetenzeit bereiste Bernays im Frühjahr 1933 mehrere Wochen lang das Deutsche Reich, in dem kurz zuvor die NS-Herrschaft etabliert worden war. Während seiner Deutschlandreise gelang es ihm u. a. eine Audienz mit dem zweitwichtigsten Mann der Sturmabteilung (SA) und Polizeipräsidenten von Breslau, Edmund Heines, zu erlangen, und diesen dazu zu veranlassen, ihm Zugang zum Konzentrationslager Dürrgoy am Rande von Breslau zu gewähren. Das persönliche Gespräch mit Heines wurde ihm wahrscheinlich gewährt, weil er bei der Ausfüllung des von ihm auszufüllenden Fragebogens, den hochgestellte Ausländer, die ranghohe Persönlichkeiten des NS-Staates treffen wollten, ausfüllen mussten, angab Abgeordneter des House of Commons für die National Party zu sein, indem er den Namensbestandteil „Liberal“ der Partei, der er angehörte absichtlich wegließ, um eine rechtsgerichtete Gesinnung vorzutäuschen. Mit seinem Besuch im KZ Dürrgoy im Frühjahr 1933 war Bernays einer der ersten ausländischen Pressevertreter, denen es gelang, ein deutsches Konzentrationslager von Innen zu besichtigen: Heines unternahm zusammen mit Bernays einen Rundgang durch das Lager, bei dem ihm eine Potempkinsche Fassade des Lagerlebens vorgeführt. Das Lager wurde dabei als eine ordentlichen Gefangenenverwahrungsanstalt präsentiert, in der die Gefangenen korrekt behandelt wurden und in der keine gewaltsamen Übergriffe gegen diese stattfanden. In seinem 1934 veröffentlichten Buch Special Correspondent von 1934 versicherte Bernays jedoch, dass er trotz der Scharade, die man ihm vorspielte, und obwohl er, wie er betonte, in Dürrgoy keinen einzigen Gräuel zu Gesicht bekam, während des Gangs durch das Lager durchschaute, dass das Lager in Wirklichkeit ein Ort „namenlosen Bösen“ sei. Ein ihm bereits zugesagte Interview mit Hitler wurde Bernays verwehrt, nachdem die Auslandspressestelle feststellte, dass er zu den Anhänger des damaligen Führers der britischen Liberal Party Herbert Samuel (der Jude war) gehörte.

Neben seinem Abgeordnetenamt bekleidete Bernays von 1937 bis 1939 das Amt des Parlamentarischen Sekretärs beim Gesundheitsministerium (Parliamentary Secretary to the Ministry of Health) und anschließend von 1939 bis 1940 das Amt des Parlamentarischen Sekretärs beim Transportministerium: Zum Parlamentarischen Sekretär beim Gesundheitsministerium wurde er im Mai 1937 anlässlich der Bildung der Regierung Neville Chamberlain ernannt. In dieser Stellung unterstand er erst Kingsley Wood und dann Walter Elliot als Gesundheitsminister. Im Sommer 1938 drohte Bernays aus Ablehnung der Appeasement-Politik seiner Regierung gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland von seinem Regierungsamt zurückzutreten. Er verzichtete nach dem Münchener Abkommen jedoch darauf, diesen Schritt zu vollziehen. Im Juli 1939 wechselte Bernays in das Amt des Parlamentarischen Sekretärs des Transportministeriums. In dieser Stellung unterstand er dem Minister Euan Wallace. Diese Stellung behielt er bis zur Bildung der Regierung Churchill im Mai 1940 bei.

Im Rahmen des Zweiten Weltkriegs trat Bernays im Januar 1943 als Second Lieutenant der Royal Engineers in die britische Armee ein.[1] Abweichenden Angaben zufolge erreichte er 1944 den Rang eines Lieutenant[2] oder Captain.

Bernays starb im Januar 1945 bei einem Flugzeugabsturz im Adriatischen Meer: Er war als Teil einer Delegation des britischen Parlaments auf dem Weg nach Griechenland. Ein symbolisches Grab für ihn wurde auf der Kriegsgräbersätte in Cassino (Cassino Memorial) angelegt.[2]

Ehe und Familie

1942 heiratete Bernays Nancy Britton, die Tochter des ehemaligen Unterhausabgeordneten George Bryant Britton, mit der er zwei Kinder hatte. In den 1930er Jahren wurde in Großbritannien, unter anderem im Umfeld von König George V., vielfach über eine Homosexualität Bernays’ gemunkelt, wobei u. a. der Labour-Politiker Harold Nicolson als sein heimlicher Partner gehandelt wurde.

Schriften

Buchveröffentlichungen:

  • Mahatma Gandhi, Naked Fakir, 1931.
  • Special Correspondent, 1934 (Digitalisat).

Quelleneditionen

  • Nick Smart (Hrsg.): The Diaries and Letters of Robert Bernays, 1932–1939. An Insider’s Account of the House of Commons. Edwin Mellen Press, Lewiston (New York) 1996.

Literatur

  • Nick Smart: Bernays, Robert Hamilton. In: Duncan Brack et al. (Hrsg.): Dictionary of Liberal Biography. Politico’s, London 1998.

Einzelnachweise

  1. London Gazette (Supplement). Nr. 35962, HMSO, London, 30. März 1943, S. 1515 (Digitalisat, englisch).
  2. a b Robert Hamilton Bernays bei Commonwealth War Graves