Ritterhaus (Halle (Saale))
Das Ritterhaus war ein Kaufhaus auf dem Grundstück Leipziger Straße 87–92 in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt, das 1928 eröffnet und bei den Luftangriffen auf Halle am 31. März 1945 stark beschädigt wurde. Es galt als Prestigeprojekt der hallischen Moderne und war bekannt für seine Architektur mit expressionistischen Elementen. Nach der Zerstörung blieb die Ruine bis 1963 bestehen, ehe sie größtenteils abgetragen wurde. Heute befindet sich an der Stelle ein Neubau mit einer Einkaufspassage, der den Namen „Ritterhaus“ weiterführt.
Geschichte
Die Wurzeln des Kaufhauses C.F. Ritter gehen auf den 26. November 1859 zurück, als Carl Friedrich Ritter in der Großen Ulrichstraße eine „Kurz-, Galanterie- und Posamentierwarenhandlung“ eröffnete. Das Geschäft entwickelte sich zu einem Präsenteladen mit Spezialisierung auf Geschenkartikel und Kinderspielzeug. 1879 erfolgte der Umzug in die Leipziger Straße, um von Laufkundschaft zwischen Marktplatz und Hauptbahnhof profitieren zu können. Nach und nach kaufte Ritter später angrenzende Gebäude und Grundstücke auf, die die Basis für den Neubau des Kaufhauses bildeten.
Am 26. November 1928 wurde das Kaufhaus feierlich eröffnet. Das Datum war bewusst gewählt, da es sich um den Gründungstag des Unternehmens C.F. Ritter handelte. Zur Eröffnung erschienen unter anderem Oberbürgermeister Richard Robert Rive und der Bankier Emil Steckner vom Bankhaus Steckner. Rive betonte die städtebauliche Bedeutung des Bauwerks und hob den modernen Charakter hervor. Die Zeitschrift „Hallesche Hausfrau“ beschrieb das neu eröffnete Kaufhaus mit den Worten: „Imposant, sachlich gegliedert, künstlerisch empfunden“.
Das Kaufhaus bot auf drei Etagen ein breites Sortiment an Haushaltswaren, Schmuck, Spielwaren, Porzellan und Textilien sowie moderne Haushaltstechnik wie beispielsweise elektrische Haartrockner und Staubsauger. Eine „Luxusabteilung“ im Foyer bot Schmuck an. Zudem verfügte das Gebäude über Personenaufzüge sowie über das hauseigene Kino Ritterlichtspiele.
Architektur
Der Bau an der Leipziger Straße, Ecke Große Brauhausstraße, wurde vom Architekten Bruno Föhre geplant und umgesetzt. Auftraggeber war Julius Ritter (1866–1938), Sohn des Firmengründers. Künstlerisch prägte der Hannoveraner Bildhauer Ludwig Vierthaler (1875–1967) das Gebäude. Die von ihm entworfenen Keramikplatten wurden in Meißen gefertigt und schmückten die Fassade. Besonders auffällig waren die 26 Keramikfiguren am Arkadengang. Diese wurden 1938 auf Druck von Teilen der nationalsozialistischen Stadtverwaltung als „Entartete Kunst“ entfernt. Charakteristisch für das Ritterhaus waren die gotisch anmutenden Spitzbögen der Arkaden und die expressionistischen Klinkerverzierungen.
Zerstörung und Nachnutzung
Am 31. März 1945 wurde das Ritterhaus durch einen alliierten Luftangriff schwer beschädigt. Die Ruine blieb bis 1963 stehen, bevor sie weitestgehend abgetragen wurde. Unter Einbeziehung von Teilen der Ruinen des Ritterhauses und des bereits dort seit 1911 existierenden Kinos entstand das Kino Goethe-Lichtspiele.
Bereits Ende der 1980er Jahre plante man in der DDR einen Neubau an der Stelle, wo sich das alte Kaufhaus mit Kino befand. Für die architektonische Planung und Umsetzung war der damalige Stadtarchitekt von Halle Wulf Brandstädter und für die künstlerische Gestaltung der Maler und Grafiker Willi Sitte verantwortlich.[1] Zum Abriss des Kinos und einen Neubau kam es zunächst nicht. Erst nach dem Abriss der Goethe-Lichtspiele 1993 wurde schließlich ein Neubau errichtet, der bis heute unter dem historischen Namen Ritterhaus als Einkaufspassage dient.
Ausstellung
Im Stadtmuseum Halle wurden im Rahmen der Sonderausstellung Kleinwohnung, Modehaus, Kraftzentrale – Neues Bauen und neues Leben im Halle der 20er Jahre vom 30. November 2018 bis 16. Juni 2019 unter anderem der originale Inschriftenstein sowie die Figuren von Ludwig Vierthaler gezeigt.
Literatur
- Tom Binner: Das Ritterhaus: Ein Prestigeprojekt der hallischen Moderne mit kurzer Lebensdauer. In: Stadtgeschichtsseite im Kulturfalter, Dezember 2018. Verein für hallische Stadtgeschichte e.V., online
Einzelnachweise
- ↑ Wulf Brandstädter und Jürgen Weißbach: Vortrag im Rahmen der Reihe „Entdecke Halle! mit Kennern“ im Stadtmuseum Halle 2021
Koordinaten: 51° 28′ 50,21″ N, 11° 58′ 29,67″ O