Richard Staudt

Richard Wilhelm Albrecht Staudt (spanisch: Ricardo W. Staudt, * 6. März 1888 in Berlin; † 8. Mai 1955 in Buenos Aires)[1] war ein deutsch-argentinischer Unternehmer, der sich auch als Kunstsammler und Genealoge betätigte und der Nazibewegung in Argentinien angehörte.

Leben

Richard Staudt (ganz links) als Sechs- oder Siebenjähriger mit seiner Mutter und seinen Schwestern im Urlaub in Heringsdorf

Sein aus Hellenthal in der Eifel stammender und im dortigen Staudterhof aufgewachsener Vater Wilhelm Staudt (1852–1906) lebte seit 1877 in Buenos Aires, wo er es als Unternehmer im Handel von Leder, Wolle und Stoffen zu beträchtlichem Reichtum brachte. Zurück in Deutschland, hatte er 1885 in Berlin die Metzgerstochter Elisabeth Albrecht (1861–1948) geheiratet und die Villa Staudt in Heringsdorf gekauft. Das 1887 gegründete Unternehmen Staudt & Co. besaß Niederlassungen in Buenos Aires und Berlin. Staudts Vater vertrat die Republik Uruguay als Konsul in Berlin. Dort ließ er kurz vor der Jahrhundertwende als Hauptstadtdomizil der Familie das von Otto Rieth entworfene Palais Staudt in der Tiergartenstraße 9 erbauen,[2] in dem er auch die argentinische Gesandtschaft beherbergte.[3] Nachdem Wilhelm Staudt 1906 verstorben war, übernahm die Witwe mit einigen Gesellschaftern die Firma und war damit sehr erfolgreich. Die reitsportbegeisterte Unternehmerin knüpfte enge Verbindungen zu Kaiser Wilhelm II., den sie häufig in der Villa Staudt in Heringsdorf empfing, und war in Adel, Miltär und der Geschäftswelt der Hauptstadt sehr gut vernetzt.

Nach 1921 übernahm ihr Sohn Richard Wilhelm Staudt, der am Ersten Weltkrieg als Oberleutnant in einem Garde-Kavallerie-Regiment teilgenommen hatte, die Leitung der Firma, zog nach Argeninien und agierte als deutscher Generalkonsul in Buenos Aires.

Compañía Argentina de Comercio

In Buenos Aires gründete die Firma Staudt & Co Anfang des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit der Friedrich Krupp AG und den Siemens-Schuckertwerke die Compañía Argentina de Comercio (Coarico), ein Waffenimportunternehmen, das im Rahmen der argentinisch-deutschen Militärkooperation den deutschen Waffenexport nach Argentinien und andere Länder Südamerikas organisierte.

Von 1932 bis 1938 war Richard Staudt auch österreichischer Konsul in Buenos Aires. 1936 schenkte die Familie Staudt der Republik Argentinien das Palais in Berlin-Tiergarten, in dem bis zur Zerstörung des Gebäudes durch alliierte Bomben 1943 und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen Anfang 1944 die argentinische Botschaft untergebracht war. Um 1939 war Ricardo Staudt zusammen mit Fritz Mandl und Ludwig Freude einer der finanzkräftigste deutschsprachigen Unternehmer in Argentinien. Bis 1941 war Richard Staudt stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Siemens-Schuckertwerke.

Um den Vereinbarungen von Chapultepeque und dem Inter-American Defense Board zu genügen, richtete die Regierung von Edelmiro Julián Farrell Mitte 1945 ein Aufsichtsgremium ein, dessen dekretierter Zweck es war, Agenten der NSDAP zu verfolgen und Firmen aus dem Vermögen der Achsenmächte zu liquidieren. Der Generalsekretär dieses Aufsichtsgremiums, Dr. Carlos A. Adrogue, trat mit der Begründung zurück, der Außenminister Juan Isaac Cooke (1895–1957) und weitere hochrangige Beamte hätten es darauf angelegt ein Vertreiben von Nazis zu verhindern. Adrogue erklärte, Cooke hätte das Aufsichtsgremium gehindert die Unternehmen des Nazi-Agenten Ricardo Staudt mit einem geschätzten Wert von 24 Millionen USD zu liquidieren. Die Tageszeitung La Vanguardia in Buenos Aires fragte, ob diese Bevorzugung von Seiten Cookes dem Umstand geschuldet sei, dass Staudt Hauptfinanzier der Wahlkampagne von Juan Perón war.[4]

Ricardo Staudt starb – im Vormonat der Bombardierung der Plaza de Mayo – infolge eines Verkehrsunfalls, als er von einem Kraftfahrzeug angefahren worden war, dessen Fahrer Unfallflucht beging.[5]

1923 wurde in Buenos Aires Richard Staudts Sohn Guillermo (gestorben 15. März 2000) geboren, der gemeinsam mit Horst Carlos Fuldner mit Juan Peróns Rattenlinien in Italien befasst war.[6]

Schriften (Auswahl)

  • Hermann Friedrich Macco (Bearb.); Ricardo Wilhelm Staudt (Hrsg. und Übersetzer): The Church Visitations of the Deanery of Kusel in the Palatinate 1609 (Die Kirchenvisitationsprotokolle des Dekanats Kusel in der Pfalz 1609), Publications of the Genealogical Society of Pennsylvania, 1930

Literatur

  • Guillermo Staudt: Zum Tee mit dem Kaiser in Heringsdorf: Die Geschichte der Familie Staudt zwischen 1859 und 1918, Neuendorf Verlag, 2002, ISBN 3-931897-21-4, ISBN 978-3-931897-21-5.
  • Karl Fix: Ein schwerer Verlust für die westdeutsche Familienforschung in: Deutsches Geschlechterbuch. Band 123. Eifeler Geschlechterbuch . Zweiter Band, C.A. Starke, Glücksburg 1958, S. XII–XV (Nachruf incl. Abb.)

Einzelnachweise

  1. Karl Fix: Ein schwerer Verlust für die westdeutsche Familienforschung. In: Deutsches Geschlechterbuch. Band 123. Eifeler Geschlechterbuch . Zweiter Band, C.A. Starke, Glücksburg 1958, S. XII–XV, hier S. XII.
  2. Lothar Gall, Die Deutsche Bank, 1870-1995, S. 126.
  3. Guillermo Staudt. In: La Nación, 16. Februar 1997, abgerufen im September 2025.
  4. Argentina: The Coddled. In: Time, 17. Dezember 1945, abgerufen im September 2025.
  5. Gerald L. Posner, John Ware: Mengele, The Complete Story. Cooper Square Press, New York 1986, S. 100.
  6. La rama nazi de Perón. In: La Nación, 16. Februar 1997, abgerufen im September 2025.