Richard L. Solomon
Richard Lester Solomon (* 2. Oktober 1918 in Boston; † 12. Oktober 1995 ebend) war ein US-amerikanischer Experimental- sowie Lernpsychologe und emeritierter Professor der University of Pennsylvania.[1]
Leben
Sein Vater war Wirtschaftsprüfer, seine Mutter betonte hohe moralische Werte: sein Familienleben beschrieb er mit einem Schwerpunkt auf Manieren, Leistung und persönlicher Verantwortung. Das familiäre Umfeld betonte die auch die Bedeutung des Lesens und der Diskussion. Er besuchte öffentliche Schulen in Newton und Brookline. Danach ging er an die Brown University, an der er 1940 einen Bachelor-Abschluss erwarb, 1942 erreichte er hier einen Master-Abschluss. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er in der Forschung für das Office of Scientific Research and Development und entwickelte neue wahrnehmungsmotorische Systeme zur Steuerung des Abwehrfeuers des B-29-Bombers. Nach Kriegsende kehrte er an die Brown University zurück, 1947 promovierte er hier und erhielt einen Doktortitel (Ph.D.). Im diesem Jahr wechselte er an die Fakultät für Sozialwissenschaften auf eine Assistenzprofessur für Sozialbeziehungen der Harvard University. Er blieb in Harvard, wurde 1950 außerordentlicher Professor und 1957 ordentlicher Professor.1960 trat er in die Fakultät für Psychologie der University of Pennsylvania ein, wo er 1975 zum ersten James M. Skinner University Professor of Science ernannt wurde (Nachfolger auf dieser Stelle war sein Schüler Robert A. Rescorla). Im Jahr 1984 schied er aus dem aktiven Dienst der Universität aus.
Werk
Zu Beginn seiner Forschungslaufbahn unternahm er Studien zu einer Reihe von heterogenen Themen, beispielsweise zur Wortfrequenz und Wahrnehmungsabwehr, zu Faktoren, welche die Einschätzung der Größe von Wertmarken durch Kinder beeinflussen, den Auswirkungen der Beleuchtung auf das Hamsterverhalten von Ratten, von Gruppenmerkmalen, die sich in Persönlichkeitsbewertungen und soziometrischen Mustern zeigen bis hin zu einer Verallgemeinerung von Imitation über Triebe und Situationen hinweg.
An der Harvard University lag der Hauptschwerpunkt seiner Forschung auf Experimenten zum Vermeidungslernen. Dabei setzte er Hunde in Shuttle-Boxen mit zwei Kammern. Dann ging das Licht auf der Seite an, auf der sich der Hund befand. Einige Sekunden später wurde eine Hälfte der Kammer unter Strom gesetzt. Um einen Stromschlag zu vermeiden, rannte der Hund in die andere Kammer. Schließlich lernten die Hunde, Stromschläge vollständig zu vermeiden, indem sie in der Zeitspanne zwischen dem Anleuchten und dem Unter-Strom-Setzen auf die andere Seite rannten. Dieser Versuchsaufbau wurde später auch von Martin Seligman bei seinen Experimenten zur Erlernten Hilflosigkeit verwendet. Eine Antwort zur Erklärung dieses Verhaltens, war die von Orval Hobart Mowrer vorgeschlagene und von ihm weiterentwickelte Zwei-Faktoren-Theorie, die zur Erklärung von psychischen Störungen, insbesondere von Angststörungen, ausgebaut wurde. Sie besagt, dass ein Warnsignal in Vermeidungsprozessen durch pawlowsche Konditionierung eine Angstreaktion hervorruft, da es in frühen Versuchen von einem aversiven Ereignis gefolgt wurde. Wenn die Vermeidungsreaktion eintritt, verstärkt die Verringerung der Angst instrumentell die Vermeidungsreaktion. Diesen Gedankengang führte er auch für den pädagogischen Bereich fort, indem er argumentierte, dass Bestrafung, wenn sie richtig eingesetzt wird, ein wirksames Mittel zur Unterdrückung von Verhalten sei und dass ihre Wirksamkeit, ähnlich wie das Vermeidungstraining, anhand der Zwei-Prozess-Theorie verstanden werden kann. Diese Analyse erschien zu einer Zeit, als die vorherrschende Lehrmeinung war, dass Bestrafung nicht sehr wirksam sei, und hatte eine hohe Wirkung auf die Forschung zum Thema Bestrafung.
Ein weiterer mit John D. Corbit verfasster theoretischer Beitrag zur Psychologie war die Entwicklung einer Motivationstheorie, der sogenannten Opponent-Process-Theorie der Motivation. Aufbauend auf Ideen aus der Wahrnehmungspsychologie von Ewald Hering besagt diese Theorie, dass auf jeden Prozess, der eine affektive Balance aufweist (d. h. angenehm oder unangenehm ist), ein sekundärer „gegensätzlicher Prozess“ folgt. Dieser gegensätzliche Prozess setzt ein, nachdem der primäre Prozess abgeklungen ist. Bei wiederholter Exposition wird der primäre Prozess schwächer, während der gegensätzliche Prozess verstärkt wird. Nach dieser Theorie ist beispielsweise Drogenabhängigkeit das Ergebnis einer emotionalen Verknüpfung von Lustgefühlen und den mit dem Entzug verbundenen emotionalen Symptomen. Zu Beginn des Drogen- oder Substanzkonsums sind die Lustgefühle stark und die Entzugserscheinungen gering. Mit der Zeit nehmen jedoch die Lustgefühle durch den Konsum der Droge ab, während die Entzugserscheinungen zunehmen. Diese Dynamik erklärt die Toleranz, also die Erhöhung der Menge an Drogen/Substanzen, die benötigt wird, um den immer stärker werdenden Gegenprozess zu überwinden. Dies erklärt auch das Entzugssyndrom, das auftritt, wenn die negativen, der Droge entgegengesetzten Effekte nach dem Abklingen des anfänglichen, angenehmen Prozesses bestehen bleiben. Diese Theorie wurde auch durch eine Studie bestätigt, in der die Emotionen von Fallschirmspringern analysiert wurden. Es zeigte sich, dass Anfänger mehr Angst hatten als erfahrene Fallschirmspringer, aber weniger Freude bei der Landung empfanden. Mit zunehmender Sprungerfahrung stieg jedoch die Freude und es sank die Angst (ähnlich auch bei Saunagängern oder Langstreckenläufern).
Auf ihn geht auch die Entwicklung des Solomon-Vier-Gruppen-Plans[2] zurück. Mit diesem können Effekte, die nicht durch ein Treatment, sondern durch vorexperimentelle Gruppenunterschiede zustande gekommen sind, abgeschätzt werden; damit kann die interne Validität einer experimentellen Studie erhöht werden.
Ehrungen/Positionen
- 1996: Umbenennung des Psychologiegebäudes der University of Pennsylvania in Richard L. Solomon Laboratory of Experimental Psychology
- Ehrendoktorwürde der Brown University
- Warren-Medaille für Forschung von der Society of Experimental Psychologists
- Präsident der Experimental Division of the American Psychological Association
- 1963: Präsident der Eastern Psychological Association
- Distinguished Scientific Contribution Award der American Psychological Association
- Award for Distinguished Teaching in Experimental Psychology der American Psychological Foundation
- Monie A. Ferst Award von Sigma Xi
- Howard Crosby Medal der Society of Experimental Psychologists
- Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
- Mitglied der National Academy of Sciences
- Herausgeber der Zeitschrift Psychological Review
Privates
Solomon war mit Maggie Solomon verheiratet. Aus der Ehe stammen die Töchter Janet und Elizabeth. Nach seiner Pensionierung im Jahr 1984 lebten er und seine Frau Maggie in North Conway, New Hampshire. Hier bewirtschaftete er eine Baumschule. Er war ein begeisterter Outdoor-Fan, der während seiner akademischen Laufbahn als Camp-Betreuer Stadtkinder im Sommer auf Wanderungen durch die Wälder von Maine begleitet hatte. Er war auch der größte Cheerleader des Laufclubs der Stadt. Auch im Ruhestand blieb er ein begeisterter Wanderer, Radfahrer und Kanufahrer. Er starb während einer Herz-Kreislauf-Operation.
Publikationen (Auswahl)
- Zeitschriftenartikel/Buchbeiträge
- The Opponent-Process Theory of Acquired Motivation: The Costs of Pleasure and the Benefits of Pain. In: American Psychologist, 1980, 35 (8), S. 691–712.
- An opponent-process theory of motivation. V. Affective dynamics of eating. In: L. M. Barker; M. R. Best; M. Domjan (Hrsg.): Learning Mechanisms in Food Selection(S.. 255–293). Baylor University Press, Waco, Texas 1977.
- Mit John D. Corbit: An opponent-process theory of motivation: I. Temporal dynamics of affect. In: Psychological Review, 1974, 81 (2), S. 119–145.
- Mit John D. Corbit: An Opponent-Process Theory of Motivation: II. Cigarette Addiction. In: Journal of Abnormal Psychology, 1973, 81 (2), S. 158–171.
- Mit With M. S. Lessac: A control group design for experimental studies of developmental processes. In: Psychol. Bull., 1968, 70, S. 1545–50.
- Punishment. In: Am. Psychol. 1964, 19, S. 239–54.
- Mit L. C. Wynne: Traumatic avoidance learning: The principles of anxiety conservation and partial irreversibility. In: Psychol. Rev., 1954, 61, S. 353–85.
- Mit Lyman C. Wynne: Traumatic avoidance learning: Acquisition in normal dogs. In: Psychological Monographs: General and Applied, 1953, 67 (4), S. 1–19.
- Mit J. McV. Hunt: The stability and some correlates of group status in summer-camp group of young boys. In: Am. J. Psychol., 1942, 55, S. 33–45.
Literatur
- F. Robert Brush, J. Bruce Overmier (Hrsg.): Affect, conditioning, and cognition : essays on the determinants of behavior. Lawrence Erlbaum Associates, Hillsdale, N. J. 1985, ISBN 0-89859-586-X (archive.org).
- Robert A. Rescorla: Richard Lester Solomon October 2, 1918-October 12, 1995. In: Biographical Memoirs. Band 71. National Academies Press, Washington, D.C. 1997, ISBN 0-309-05738-8, S. 301–314, doi:10.17226/5737 (englisch, nap.nationalacademies.org).
Einzelnachweise
- ↑ Vincent M. LoLordo: Experimental Psychologist Richard L. Solomon (1918–1995). In: APS Observer. Band 9, 1. März 1996 (psychologicalscience.org [abgerufen am 10. September 2025]).
- ↑ Solomon-Vier-Gruppen-Plan, abgerufen am 15. September 2025.