Reichtumsforschung
Die Reichtumsforschung befasst sich mit Fragen der Verteilung, Entstehung und Verwendung von Reichtum.
Forschungsrichtung
In den vergangenen Jahren hat sich eine Forschungsrichtung etabliert, die sich u. a. intensiver mit dem Zusammenhang von Reichtum und Philanthropie befasst. In diesen Arbeiten geht es darum, warum, mit welcher Zielrichtung und in welchem Maße sich Reiche in Deutschland philanthropisch engagieren, also spenden, Stiftungen gründen usw. Schließlich gibt es Arbeiten, in denen der Lebensstil, das Milieu und die mediale Darstellung der Reichen beschrieben werden. So sind Schwerpunkte der 2013 bzw. 2018 erschienenen Dissertationen von Dorothee Spannagel bzw. Daniel Brenner empirische Analysen zu den Lebenslagen, Lebensstilen und Milieus der Reichen[1] sowie zu ihrer Darstellung in ausgewählten Leitprintmedien.[2]
Thomas Druyen hat die „Vermögensforschung“ in folgende Untergebiete unterteilt:[3]
A. Reichtum / Vermögen (Sozialstrukturforschung, materiell)
- Verteilung
- Genese
- Verwendung
B. Vermögen (Kulturforschung im/materiell)
- Familiale und unternehmerische Netzwerke
- Gesellschaftliches Engagement
- Einstellung und Lebensstile
C. Vermögenspsychologie / Vermögensethik (individuell)
- Mentale Typen
- Persönlichkeitsmerkmale
- Empathie und Moral
Im Rahmen des von Wolfgang Lauterbach initiierten Forschungsprojektes an der Universität Potsdam „Vermögen in Deutschland“ entstanden mehrere wissenschaftliche Studien. Es wurden 472 Interviews durchgeführt mit Personen, deren Nettovermögen im Durchschnitt 2,3 Mio. Euro betrug, im Median 1,4 Mio. Euro.[4] Mit diesem Forschungsprojekt wurden „erstmals im Rahmen einer primärstatistischen Erhebung, die bezüglich der Fallzahlen und der Erhebungsinhalte deutlich über einzelfallbezogene Untersuchungen hinausgeht, Personen und Haushalte mit hohen Vermögen mit einem standardisierten Erhebungsinstrument und einem deutlichen Fokus auf Fragen zur Art und Höhe der Finanzanlagen befragt“.[5]
Die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen der Reichen wird kontrovers diskutiert. „Warum unsere Gesellschaft die Reichen braucht“, wird kritisch thematisiert von Rainer Zitelmann, der vor allem die Bedeutung des Unternehmertums für die Gesellschaft unterstreicht.[6] Eine erweiterte Perspektive nimmt Daniel Brenner ein, der zwischen einer „manifesten“ und „latenten“ Bedeutung unterscheidet und feststellt, dass Reiche stets Spiegel gesellschaftlicher Wertvorstellungen und potenzielle Pioniere gesellschaftlichen Wandels zugleich sind.[7]
Literatur
- Gajek, Eva Maria; Anne Kurr; Lu Seegers (Hrsg.): Reichtum in Deutschland. Akteure, Netzwerke und Lebenswelten im 20. Jahrhundert, Göttingen. Wallstein Verlag, 2019, ISBN 978-3-8353-3409-0.
- Hirschel, Dierk: „Die Bedeutung der Reichtumsforschung für die Verteilungspolitik.“ Daten in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung. Springer Fachmedien Wiesbaden, 2013. 113–133.
- Böwing-Schmalenbrock, Melanie: „Herausforderung Reichtumsforschung: Stand der Forschung in Deutschland.“ Wege zum Reichtum. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2012. 47–54.
- Thomas Druyen, Wolfgang Lauterbach, Matthias Grundmann (Hrsg.): Reichtum und Vermögen. Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Reichtums- und Vermögensforschung. Springer VS, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15928-7.
- Tarek el Sehitiy, Anna Schor-Tschudnowskaja: Vermögende in Deutschland. Die Perspektiven der Vermögenskulturforschung. In: Wolfgang Lauterbach, Thomas Druyen, Matthias Grundmann (Hrsg.): Vermögen in Deutschland. Heterogenität und Verantwortung. Springer VS, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-17689-5.
Einzelnachweise
- ↑ Dorothee Spannagel: Reichtum in Deutschland. Empirische Analysen. Springer VS, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-01740-8, Kapitel 5 und 6.
- ↑ Daniel Brenner: Grenzenloser Reichtum. Wahrnehmung, Darstellung und Bedeutung von Milliardären. Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Münster 2018, ISBN 978-3-658-01740-8, Kapitel 4–7.
- ↑ Thomas Druyen: Über die Studie „Vermögen in Deutschland“ und die vermögenskulturelle Zukunft. Springer VS, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-17689-5, S. 213.
- ↑ Melanie Böwing-Schmalenbrock: Wege zum Reichtum. Die Bedeutung von Erbschaften, Erwerbstätigkeit und Persönlichkeit für die Entstehung von Reichtum. Springer VS, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-531-19527-8, S. 139.
- ↑ Klaus Kortmann: Vermögen in Deutschland. Die methodischen Anlagen der Untersuchung. In: Lauterbach u. a.: Vermögen in Deutschland. Springer VS, Wiesbaden 2011, S. 15.
- ↑ Rainer Zitelmann: Reich werden und bleiben: Ihr Wegweiser zur finanziellen Freiheit. FinanzBuch Verlag, München 2015, ISBN 978-3-89879-920-1, S. 213–232.
- ↑ Daniel Brenner: Grenzenloser Reichtum. Wahrnehmung, Darstellung und Bedeutung von Milliardären. Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Münster 2018, ISBN 978-3-658-01740-8, Kapitel 8 und 9.