Recht auf Wohnen
Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht der sogenannten zweiten Generation. Seine Grundlage im internationalen Recht sind Art. 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), Art. 16 der Europäischen Sozialcharta vom 16. Dezember 1966 sowie Art. 31 der revidierten Europäischen Sozialcharta. Implizit wird das Recht auf Wohnen auch durch die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker eingeräumt.[1] Dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zufolge beinhalten Aspekte des Rechts auf Wohnen unter dem ICESCR auch: rechtlichen Schutz des Arbeitsplatzes; die Verfügbarkeit von Dienstleistungen, Materialien, Anlagen und Infrastruktur; Erschwinglichkeit; Bewohnbarkeit; Zugänglichkeit, Lage und kulturelle Angemessenheit.
Auch in manchen Verfassungen wurde das Recht auf Wohnen als soziales Grundrecht verbürgt, was allerdings umstritten ist.
Vereinigte Staaten
Als politisches Ziel wurde das Recht auf Wohnen in den USA im Jahre 1944 von Franklin D. Roosevelt in seiner Rede zum Second Bill of Rights formuliert.
Deutschland
In Deutschland formulierte die Weimarer Verfassung im Sommer 1919 in Art. 155 erstmals das staatliche Ziel, „jedem Deutschen eine gesunde Wohnung“ zu sichern.
In der DDR war das Recht auf Wohnen in der Verfassung vom 6. April 1968 verankert.[2]
Während viele Verfassungen der Bundesländer das Recht auf Wohnen als soziales Grundrecht (beispielsweise Art. 106 Abs. 1 Bayrische Verfassung) oder als Staatszielbestimmung (so in Art. 26d Hessische Verfassung[3]) kennen und obwohl die Verankerung sozialer Rechte in staatlichen Verfassungen und völkerrechtlichen Verträgen auch im internationalen Vergleich weit vorangeschritten ist, konnten sich Vorschläge, das Wohnen als soziales Recht ins Grundgesetz aufzunehmen, nicht durchsetzen. Das Recht auf angemessenen Wohnraum wird von der herrschenden Meinung aus der Menschenwürdegarantie in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip hergeleitet. Bei einer Abstimmung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags stimmten im Jahr 2021 auf Antrag der Fraktion der Linken nur Bündnis 90/Die Grünen für das Recht auf Wohnen im Grundgesetz; die SPD war dagegen, weil sie die für eine Verfassungsänderung erforderliche Mehrheit für „unrealistisch“ hielt.[4] Vor allem konservative Verfassungsrechtler wenden gegen die ausdrückliche Aufnahme ins Grundgesetz ein, ein Grundrecht auf Wohnen könne im Ergebnis nicht über das hinausgehen, was heute bereits aus Artt. 1 I, 20 I, 28 I 1 GG hergeleitet werde. Eine höhere Regelungsdichte sei im freiheitlichen Staat nicht möglich und auch nicht durchsetzbar, deshalb drohe durch die Aufnahme in die deutsche Verfassung eher eine Überforderung des Rechts.[5]
Staatliche Förderung Einzelner zum angemessenen Wohnen wird vor allem durch das Wohngeld gewährt. In der Sozialhilfe und in der Grundsicherung für Arbeitsuchende wird die „angemessene Unterkunft“ im Rahmen des jeweils geltenden Rechts übernommen.
UN-Sonderbeauftragte
Die Vereinten Nationen benennen regelmäßig Sonderberichterstatter für das Recht auf Wohnen. Von 2014 bis April 2020 war die kanadische Menschenrechtlerin Leilani Farha UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf angemessenes Wohnen.
Literatur
- Pia Lange: Staatliche Wohnraumvorsorge (= Jus Publicum. Nr. 322). Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-162156-7, doi:10.1628/978-3-16-162156-7 (mohrsiebeck.com [abgerufen am 12. September 2025] Habilitationsschrift, Georg-August-Universität Göttingen, 2021).
Einzelnachweise
- ↑ ACHR decision in case SERAC v. Nigeria - see para. 60 (p. 25) ( vom 5. Juni 2012 auf WebCite) (MS Word; 196 kB)
- ↑ Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik – vom 6. April 1968 (in der Fassung vom 7. Oktober 1974), bei DocumentArchiv.de., dort wörtlich mit:
„Artikel 37- Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht auf Wohnraum für sich und seine Familie entsprechend den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen Bedingungen. Der Staat ist verpflichtet, dieses Recht durch die Förderung des Wohnungsbaus, die Werterhaltung vorhanden Wohnraums und die öffentliche Kontrolle über die gerechte Verteilung des Wohnraums zu verwirklichen.
- Es besteht Rechtsschutz bei Kündigungen.
- Jeder Bürger hat das Recht auf Unverletzbarkeit seiner Wohnung.“
- ↑ Thorsten Keiser: § 1 Verfassungsgeschichte in Hessen. In: Georg Hermes, Franz Reimer (Hrsg.): Landesrecht Hessen. 11. Auflage. Nomos Verlag, Baden-Baden 2025, ISBN 978-3-7489-4621-2, S. 21–40, Rn. 44, doi:10.5771/9783748946212-21 (nomos-elibrary.de [abgerufen am 12. September 2025]).
- ↑ BT-Drucksache 19/29453 vom 6. Mai 2021.
- ↑ Hasso Suliak: Unter Verfassungsrechtlern umstritten: Recht auf Wohnen ins Grundgesetz? In: Legal Tribune Online. 12. September 2025, abgerufen am 12. September 2025 (mit weiteren Nachweisen zur Diskussion).