Queerfeindlichkeit

Queerfeindlichkeit (seltener Queerphobie) ist eine soziale Aversion (Abneigung) oder Aggressivität (Feindseligkeit), die sich gegen queere oder als solche wahrgenommene Personen, sowie deren Identität und Lebensweisen richtet. Hierbei wird queer als Gesamtheit der von der Heterosexualität abweichenden sexuellen Orientierungen und allen nichtbinären oder mit dem Geburtsgeschlecht nicht übereinstimmenden Geschlechtsidentitäten verstanden.

Queerfeindlichkeit ist ein Ober- und Sammelbegriff für zum Beispiel die Unterphänomene Homophobie, Biphobie, Lesbophobie und Transphobie.

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Queerfeindlichkeit selbst ist ein Unterfall von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, beziehungsweise der Hasskriminalität, sobald es zu strafrechtlich relevanten Vorfällen kommt, wie beispielsweise Gewalttaten, Volksverhetzung, Sachbeschädigung, Bedrohung oder Beleidigung.[1]

Beschreibung

Mit der abnehmenden Fokussierung auf Homosexualität und Homophobie bei der Betrachtung der Abneigungen und Feindseligkeiten gegen Personen des LGBTQIA+-Spektrums findet auch der Begriff Queerfeindlichkeit als inklusivere Bezeichnung zunehmend in der Öffentlichkeit Verwendung – insbesondere, wenn eine Unterteilung nicht notwendig ist.[2]

Queerfeindlichkeit richtet sich gegen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche, asexuelle sowie andere queere Personen. Sie kann sich auch gegen Einrichtungen dieser Personengruppen richten oder gegen Personen und Einrichtungen, die diese unterstützen. Queerfeindlichkeit kann Stereotypisierung und Diskriminierung, Abwertung und Ablehnung von queeren Personen bis hin zu Gewalt gegen diese beinhalten.[3]

Queerfeindlichkeit ist die oft auf Heteronormativität basierende Bekämpfung, Herabwürdigung oder Anfeindung queeren Lebens.[4]

Geschichte

Noch bevor unterschiedliche Gesellschaften begannen, die bestehenden Vorstellungen zur binären Geschlechterordnung, sowie zur Geschlechtsidentität zu hinterfragen, gab es besonders im religiösen Kontext eine negative Sicht auf Homosexualität. Die strafrechtliche Verfolgung (bis hin zur Todesstrafe), auf Basis von restriktiven Gesetzen zur Homosexualität wird (nach Angaben der Vereinten Nationen) von 77 Nationen bis heute praktiziert (Stand 2025).[5]

Weitere Details zu den geschichtlichen Grundlagen bieten die Einträge zu Homosexualität und Religion, Homosexualität im Islam, sowie Bibeltexte zur Homosexualität (die auch die Grundlage der sogenannten Sodomiterverfolgung waren.) Bis heute existieren zudem Angebote wie die sogenannte Konversionstherapie (insbesondere USA), die Ablehnung von gleichgeschlechtlichen Eheschließungen (und Regenbogenfamilien), sowie Bestrebungen „LGBT-ideologiefreie Zonen“ einzurichten (Polen).

Die Verfolgung von Menschen auf Basis ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gilt mittlerweile in Ländern wie Deutschland als anerkannte Begründung für die Flucht aus dem Heimatland und das Stellen eines Antrages auf Asyl, da eine derartige Verfolgung einen Verstoß gegen die Menschenrechte darstellt.[6][7]

Innerhalb der Geschichte sexueller Minderheiten gibt es neben regionalen auch ideologisch bedingte Unterschiede hinsichtlich der Stigmatisierung aufgrund der sexuellen Orientierung, die in vielen Fällen mit einer rechtsextremen politischen Ausrichtung einhergeht. Die 2008 gefasste Erklärungen und Resolutionen der Vereinten Nationen über die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität führte im Jahr 2019 zu einer UN-Resolution, die den Schutz von Pesonen vorsieht, die auf Basis ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verfolgt werden, jedoch nicht von allen Mitgliedern des Rates unterstützt und umgesetzt wird.[8]

Queerfeindliche Straftaten in Deutschland

Gewalttaten, Übergriffe und Anfeindungen sind für Betroffene eine erhebliche Belastung und schränken ihre Freiheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ein.

Die deutsche Bundesregierung verfolgt mit dem Aktionsplan Queer leben das Ziel, queere Personen vor Gewalt und Übergriffen zu schützen und Opfer besser zu unterstützen. Die statistische Erfassung von Übergriffen soll verbessert werden.[9]

Statistiken

Die Anzahl der dokumentierten Straftaten ist insbesondere in der Zeit ab 2019 stark angestiegen, wie Statistiken des Bundesministerium des Innern belegen.[1]

Polizeilich erfasste Delikte gegen die sexuelle Orientierung von 2013 bis 2023

Die Daten entstammen der Polizeilichen Kriminalstatistik Deutschland. Unter dem Bereich Hasskriminalität wird dort das Unterthemenfeld „Sexuelle Orientierung“ erfasst. Nach der Definition des KPMD-PMK wird unter jenem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ „das Begehren für bestimmte Geschlechtspartner“ gezählt.[10] Somit werden beispielsweise hetero-, homo-, bi-, pansexuelle, sowie (weitere) queere Ausprägungen erfasst.

Übersicht der polizeilich erfassten Delikte gegen die sexuelle Orientierung in Deutschland
nach Fallzahlen[1]
Jahr Anzahl gesamt Gewaltdelikte Sachbeschädigung Nötigung/Bedrohung Volksverhetzung Beleidigung
2010 187 48 14 6 28 73
2011 148 38 13 3 30 49
2012 186 42 14 8 46 52
2013 240 50 22 9 39 90
2014 184 37 8 36 66
2015 222 54 10 15 50 63
2016 316 81 20 24 61 100
2017 313 74 23 15 68 103
2018 351 97 25 19 40 147
2019 576 151 67 29 71 209
2020 714 132 36 47 102 337
2021 1.051 190 130 78 131 392
2022 1.188 267 90 64 171 407
2023 1.785 324 189 115 268 567

Polizeilich erfasste Delikte gegen die geschlechtsbezogene Diversität

Die Daten entstammen der Polizeilichen Kriminalstatistik Deutschland. Seit Juni 2023 wird in die Strafgesetze zu Hasskriminalität (§ 46 StGB) das Unterthemenfeld „Geschlechtsbezogene Diversität“ gezählt.[11] Zu den „Geschlechtsspezifischen“ Beweggründen werden nun solche Motive erfasst, die sich gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität des Opfers richten.

Anzahl der polizeilich erfassten Delikte gegen die geschlechtsbezogene Diversität in Deutschland[12]
Jahr Anzahl gesamt Entwicklung zum Vorjahr Gewaltdelikte
2020 204 40
2021 340 +66,7 % 57
2022 417 +22,6 % 82
2023 854 +104,8 % 117
2024 1.152 +34,9 % 128

Weitere erfasste queerfeindliche Straftaten

2021

Berlin:

2021 verzeichnet die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) allein in Berlin 456 queerfeindliche Straftaten, davon 110 Gewaltdelikte.[13] Die Opferberatungsstelle Maneo berichtet für 2021 hingegen von 731 Fällen von Drohungen, Beleidigungen und Angriffen gegen queere Personen, davon 219 Körperverletzungen (30 Prozent). Zudem ist von einer hohen Dunkelziffer von bis zu 90 Prozent auszugehen.[14][15][16]

Dunkelziffer

Die Dunkelziffer wird hoch eingeschätzt.[17]

Betroffenen fehlt teilweise das Vertrauen in die Polizei. Sie fürchten unter anderem, nicht ernst genommen zu werden.[17] Einige schrecken davor zurück, ihren Klarnamen in der Anzeige vorkommen zu lassen, da dies weitere Aggressionen mit sich bringen könnte.[17] Ein weiterer Grund sei, dass Betroffene nicht über gezielte Anlaufstellen (auch bei der Polizei) Bescheid wüssten.[17]

Es wird aber auch angenommen, dass die letzten Jahre durch unter anderem Aufklärung und Anlaufstellen mehr Straftaten ins Hellfeld gerückt seien.[17]

Demographie straftatenbegehender Personen

Politische Einstellung

Die häufigsten Gruppen, die im Jahre 2023 queerfeindliche Straftaten verübten, sind laut des Bundeskriminalamtes der Phänomenbereich „PMK -sonstige Zuordnung-“ (942 Delikte gegen die „Sexuelle Orientierung“ und 563 Delikte gegen die „Geschlechtsbezogene Diversität“), sowie der Phänomenbereich „PMK -rechts-“ (455 Delikte gegen die „Sexuelle Orientierung“ und 238 Delikte gegen die „Geschlechtsbezogene Diversität“).[10] Der stärkste Anstieg war im Phänomenbereich „PMK -ausländische Ideologie-“ zu verzeichnen.[10]

Queerfeindliche Personen sind oft Vertreter der Heteronormativität und des Heterosexismus.

Alter

Es wird beobachtet, dass zunehmend junge Menschen queerfeindliche Ausrichtungen haben.[17]

Geschlecht

Straftaten werden überwiegend von Männern verübt.[17]

Sozial

„Was eben noch auffällig ist, ist das diese Gewalttäter häufig das Gefühl haben, sie handeln jetzt nicht als Einzelperson, sondern [als gäbe es] eine ganze Gruppe, die sie unterstützt.“

Mathias Kauff: Schläge wegen sexueller Orientierung: Steigende Gewalt gegen LSBTI - MrWissen2go

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c Henning Schacht: Lagebericht zur kriminalitätsbezogenen Sicherheit von LSBTIQ* vom 13. Dezember 2024. Bundesministerium des Innern, abgerufen am 3. Juni 2025
  2. Queerfeindlichkeit. In: Landes-Demokratiezentrum Niedersachsen. Abgerufen am 27. November 2022.
  3. Ariane Wolf: Frauen- und Queerfeindlichkeit. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen am 27. November 2022.
  4. Julian Sehmer: Queerfeindliche Subjektivierung und familiale Desidentifikation. Zur (Un)Möglichkeit freiwilliger Zustimmung zu Konversionsbehandlungen. In: Jahrbuch erziehungswissenschaftliche Geschlechterforschung. 18. Jahrgang. Verlag Barbara Budrich, 2022, S. 119, doi:10.3224/84742621.08.
  5. LGBTQI+. Free and Equal. NOT Criminalized. Vereinte Nationen, abgerufen am 3. Juni 2025
  6. Asylverfahren Besserer Schutz für queere Geflüchtete. Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, abgerufen am 3. Juni 2025
  7. Verfolgung und Flucht aufgrund der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität. UNO-Flüchtlingshilfe, abgerufen am 3. Juni 2025
  8. Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. vom 17. Juli 2029 Generalversammlung der Vereinten Nationen, abgerufen am 3. Juni 2025
  9. „Queer leben“ – Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. In: Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 4. November 2022, abgerufen am 26. November 2022.
  10. a b c Politisch motivierte Kriminalität - Bundesweite Fallzahlen 2023. In: Bundesministerium des Innern und für Heimat. Abgerufen am 12. Februar 2025.
  11. Hasskriminalität gegen queere Menschen wird zukünftig besser geahndet. 23. Juni 2023, abgerufen am 3. Juli 2024.
  12. Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2021: Bundesweite Fallzahlen. In: Bundesministerium des Innern und für Heimat. 10. Mai 2022, abgerufen am 26. November 2022.
  13. Albrecht Lüter et al.: Berliner Monitoring: Trans- und homophobe Gewalt. Berlin 2022, ISBN 978-3-00-073808-1 (lsbti-monitoring.berlin [PDF]).
  14. Opferberatungsstelle beklagt fehlende Daten der Berliner Polizei. In: rbb. 16. Mai 2022, archiviert vom Original; abgerufen am 26. November 2022.
  15. Straftaten gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI): Konzept und Tätigkeitsbericht der Ansprechpersonen für LSBTI. In: Polizei Berlin. Januar 2018, abgerufen am 26. November 2022.
  16. Mehr queerfeindliche Delikte in Berlin als bisher bekannt. In: queer.de. 22. Juli 2022, abgerufen am 27. November 2022.
  17. a b c d e f g MrWissen2go: Schläge wegen sexueller Orientierung: Steigende Gewalt gegen LSBTI. 29. Juni 2024, abgerufen am 3. Juli 2024.