Paul Beylich

Ernst Paul Beylich (4. Dezember 1874 in Finsterwalde – 9. Juni 1965 in Berlin-Lichterfelde) war gelernter Schlosser und persönlicher Assistent von Otto Lilienthal bei all seinen Flugversuchen. Beylich gilt als der erste Fluggerätmechaniker der Welt.[1]
Werdegang
Der Sohn eines Schmieds war gelernter Schlosser, die Lehre hatte er in seiner Heimatstadt Finsterwalde absolviert. Ab dem 1. Mai 1893 arbeitete er in der Maschinen- und Dampfkesselfabrik von Otto Lilienthal und wurde von ihm mit dem Bau der flugtechnischen Konstruktionen beauftragt. In einer Ecke der Fabrik fertigte er diese nach Zeichnungen Lilienthals. Beylich war ab 1893 der Erbauer aller Flugapparate Lilienthals sowie des in Serie gebauten Normalsegelapparats.[2][3] Dabei übte er entgegen seiner Ausbildung als Schlosser vorwiegend Tätigkeiten eines Korb- und Segelmachers aus.[4]
„Die erste Arbeit, die ich verrichten musste, war das Aufschütten unseres Hügels in Berlin-Lichterfelde, der über einer Halle für die Flugmaschinen errichtet wurde. Dann erst musste ich nach seinen Angaben an den Bau der Gleitflieger gehen. Im Juni 1893 hatte ich den Hügel fertig.“
Als persönlicher technischer Assistent war Beylich ab 1893 nach eigener Aussage bei allen folgenden Flugversuchen Lilienthals dabei – als dritter Gehilfe nach Hugo Eulitz und einem jungen Techniker namens Rauh.[6] Dies betrifft auch den Absturz am 9. August 1896 bei Stölln am Gollenberg, an dessen Folgen Otto Lilienthal am 10. August 1896 starb. Beylichs Erinnerungen sind eine wertvolle Quelle zum Unfallhergang:[7][8]
„Am 9. August 1896 waren wir in den Stöllner Bergen. Wie immer flog Lilienthal. Plötzlich sah ich wie er in der Luft stehen blieb und dann wie ein Stein auf die Erde stürzte. Ich lief so schnell ich konnte hinab. Lilienthal war bei Bewusstsein und sagte: ‚Es ist gar nichts. Ich will sogleich weiter fliegen!‘ Ich antwortete ihm, daß die Maschine noch entzwei, da hatte er aber schon das Bewusstsein verloren.“
Nach dem Unfall fuhr Beylich nach Berlin und benachrichtigte Gustav Lilienthal, der daraufhin seinen noch lebenden Bruder von Stölln zur Klinik in der Berliner Ziegelstraße transportieren ließ, wo Otto verstarb. Die Staatsanwaltschaft befragte Beylich eingehend zum Unfall. Das Befragungsprotokoll ist jedoch nicht erhalten. Nachdem feststand, dass kein Fremdverschulden vorlag, wurde der Leichnam zur Beerdigung freigegeben.[10]
Der russische Besucher S. G. Lessenko wollte Beylich nach dem Tod Lilienthals im September 1896 abwerben und lud ihn ein, mit ihm nach Moskau zu gehen, um dort die Flugversuche fortzusetzen. Beylich schlug das Angebot jedoch aus, da er es vorzog, in Berlin zu bleiben.[11] Nach dem Ende der Maschinen- und Dampfkesselfabrik, deren Existenz bis nach dem Ersten Weltkrieg belegt ist, arbeitete Beylich als Schlosser in anderen Unternehmen.[12] Am 10. August 1932 nahm Beylich an der Einweihung des Lilienthal-Denkmals auf dem Fliegeberg in Berlin-Lichterfelde teil, das bis heute besteht. An die Helfer Lilienthals erinnert eine Steinplatte am Fuße des Hügels.[13] Als in den 1930er Jahren das Interesse an Otto Lilienthal zunahm, wurden Museen auf Beylichs Kenntnisse aufmerksam.[12]
In einem Interview vom 4. Dezember 1964 anlässlich seines 90. Geburtstages sagte Beylich, dass er seinen letzten Gleiter 1962 ohne Aufzeichnungen gebaut habe, da er „die Maße alle im Kopf“ habe.[14] Den Gleiter in Originalgröße baute Beylich zusammen mit einigen Helfern am Karpfenteich in Berlin-Lichterfelde (Lage). Zum Erstaunen der Helfer hatte er sich viele Einzelheiten gemerkt. Der Nachbau war einige Jahre in der Deutschen Luftfahrtsammlung am Fliegeberg zu sehen, ehe die Sammlung Mitte der 1970er Jahre ins Deutsche Museum nach München kam.[15]
Ehrungen
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Gedenken
Auf dem Gollenberg in den Stöllner Bergen des Havellands erinnert ein Gedenkstein an den Fluggerätemechaniker Paul Beylich mit der Inschrift:
DEM MITARBEITER |
Auf der Steinplatte am Fliegeberg in Berlin-Lichterfelde steht:
PAUL BEYLICH |
Rezeption
Die Mai-Ausgabe 2025 der Comic-Zeitschrift Mosaik zeigt die Erfinder Otto und Gustav Lilienthal sowie den pfiffigen Lehrlingsgehilfen Paul. Die abgeschlossene Geschichte mit dem Titel Der Traum vom Fliegen (Mosaik 593) behandelt – stark verkürzt und nicht chronologisch – die Zeit zwischen Pauls Anstellung im Mai 1893 und Lilienthals erstem Flugversuch bei Derwitz im Jahr 1891.[16] Pauls Sprache in den Sprechblasen ist stark vom Berliner Dialekt geprägt. In Interviewaufnahmen ist zu hören, dass Beylich eine von einem in Südbrandenburg verbreiteten Lausitzer Dialekt gefärbte Sprache verwendete.[17]
Sammlung
Im Jahr 1981 erwarb das Otto-Lilienthal-Museum in Anklam von Dorothea Frey, der Enkelin Beylichs, einige von Lilienthals Modellzeichnungen.[18] Anfang 2018 bekam das Museum den Nachlass des Fluggerätemechanikers von dessen Urenkelin Andrea Frey. Der Nachlass umfasst mehr als einhundert historische Fotos, Briefe, Bücher und Zeitschriftenartikel.[19]
Literatur
- Paul Beylich (um 1930): Wer zwei Verrückte sehen will. In: Die Woche, Heft 20, August Scherl Verlag, Berlin, S. 21.
- Björn Kiefer: Die Segelflugschule Rhinow: Pilotenschmiede am Absturzort von Otto Lilienthal, Norderstedt 2023, ISBN 978-3-7543-21-71-3, S. 17 (Google Books).
Weblinks
- Paul Beylich (1874–1965) bei museum-digital
- Augenzeugenbericht von Lilienthals Assistenten Paul Beylich. (pdf; 72 kB) In: Notizen von Marie Luise Haase, Lehrerin in Rhinow. 1990 (wiedergegeben auf der Website des Otto-Lilienthal-Museums).
- Nachbau eines Lilienthal-Gleiters Filmdokument vom 27. Juli 1962 bei rbb Retro
- Paul Beylich über seine Arbeit mit Otto Lilienthal. (mp3-Audio; 9 MB; 4 Minuten) In: rbb Retro. 4. Dezember 1964.
- Thomas Böhm (MV1): Im Gespräch: Dr. Bernd Lukasch, Otto-Lilienthal-Museum Anklam auf YouTube, 19. Januar 2018 (über einen den Nachlass Paul Beylichs; Laufzeit: 12:35 Minuten).
Einzelnachweise
- ↑ Der erste Flugzeugmechaniker der Welt im Lilienthal-Guide.
- ↑ Historisches Modell von Lilienthals Normalsegelapparat – „Erbauer sein Monteur Paul Beylich“.
- ↑ Highlights aus der Sammlung: Historisches Modell von Lilienthals Normalsegelapparat im Otto Lilienthal Museum in Anklam.
- ↑ Werner Schwipps: Lilienthal. arani, Berlin 1979, ISBN 3-7605-8545-0, S. 269.
- ↑ „Wer zwei Verrückte sehen will“ – Otto Lilienthals Monteur Paul Beylich im Otto-Lilienthal-Museum.
- ↑ Werner Schwipps: Lilienthal. arani, Berlin 1979, ISBN 3-7605-8545-0, S. 272.
- ↑ Augenzeugenbericht von Lilienthals Assistenten Paul Beylich im Otto-Lilienthal-Museum.
- ↑ Otto Lilienthal: Noch einen letzten Flug In: Spiegel online vom 11. August 2008.
- ↑ „Wer zwei Verrückte sehen will“ – Otto Lilienthals Monteur Paul Beylich im Otto-Lilienthal-Museum.
- ↑ Werner Schwipps: Lilienthal. arani, Berlin 1979, ISBN 3-7605-8545-0, S. 384f.
- ↑ Werner Schwipps: Lilienthal. arani, Berlin 1979, ISBN 3-7605-8545-0, S. 280f.
- ↑ a b Paul Beylich – Lilienthals Begleiter (1874 – 1965). In: Tumblr. Akademische Fliegergruppe Berlin e.V., 22. Mai 2011, abgerufen am 8. September 2025.
- ↑ Werner Schwipps: Lilienthal. arani, Berlin 1979, ISBN 3-7605-8545-0, S. 271.
- ↑ Paul Beylich über seine Arbeit mit Otto Lilienthal Tondokument vom 4. Dezember 1964 bei rbb Retro.
- ↑ Werner Schwipps: Lilienthal. arani, Berlin 1979, ISBN 3-7605-8545-0, S. 281.
- ↑ Lehrling Paul in der MosaPedia.
- ↑ Paul Beylich über seine Arbeit mit Otto Lilienthal Tondokument vom 4. Dezember 1964 bei rbb Retro.
- ↑ Museum erhält Nachlass von Lilienthals Monteur. In: ndr.de. 4. Januar 2018, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 27. Dezember 2018; abgerufen am 12. März 2024.
- ↑ Lilienthals Todesflieger zurück in Anklam In: Nordkurier vom 4. Januar 2018.