Paprikahuhn

Paprikahuhn, Paprikahendl (Österreich), Paprikahähnchen oder Hühnerpaprikasch, ungarisch Paprikás csirke [], ist ein traditionelles ungarisches Hühnergericht aus der Familie der Paprikasch-Gerichte. Charakteristisch ist die Zubereitung mit reichlich Paprikapulver, das seit dem späten 18. Jahrhundert in Ungarn als typisches Gewürz verbreitet ist.[1] Im 19. Jahrhundert gelangte das Gericht auch nach Österreich und in den süddeutschen Raum, wo es bis heute sehr beliebt ist, jedoch nicht als klassischer Bestandteil der eigenständigen Landesküche gilt.
Geschichte
Paprika gelangte im 16. und 17. Jahrhundert über die Osmanen nach Ungarn, wurde dort jedoch zunächst vor allem als Heilpflanze genutzt.[2][3] In medizinischen Schriften des späten 18. Jahrhunderts wird sie als Mittel gegen Fieber und Verdauungsbeschwerden beschrieben.
Die früheste bekannte kulinarische Erwähnung von Paprikapulver in einem ungarischen Kochbuch findet sich 1795 im handschriftlichen Erdélyi Magyar szakácskönyv („Siebenbürgisches ungarisches Kochbuch“).[4][5] Die erste gedruckte Veröffentlichung von Paprikagerichten erschien 1830 in József Czifrays Magyar Nemzeti szakácskönyv („Ungarisches Nationalkochbuch“),[6][7] in dem bereits frühe Varianten des Paprikás csirke enthalten sind.[8]
Ein wichtiger Schritt zur Verbreitung des Gerichts in seiner heutigen, milden Form war die Einführung des sogenannten „Édesnemes“-Paprikapulvers im 19. Jahrhundert. In der Region um Szeged und Kalocsa entwickelten Müller die Technik, beim Mahlen die scharfen Samenstränge und Scheidewände der Paprikafrucht zu entfernen.[9] Dadurch entstand ein edelsüßes Paprikapulver ohne Schärfe, das für die Zubereitung von Paprikás csirke charakteristisch wurde und sich bald auch außerhalb Ungarns verbreitete.[10][11]
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Paprikás csirke ist der saure Rahm (ungarisch tejföl), der in Ungarn eine lange Tradition besitzt. Schon die magyarischen Vorfahren der Ungarn kannten als Steppennomaden vergorene Milchgetränke wie kumisz (vergorene Stutenmilch), eine Praxis, die aus Zentralasien übernommen wurde und die Bedeutung von Milchprodukten in der ungarischen Ernährung prägte. In der sesshaften bäuerlichen Kultur des Karpatenbeckens entwickelte sich daraus der breite Gebrauch von Sauerrahm, der kulinarisch erstmals 1698 im gedruckten ungarischen Kochbuch Szakácsmesterségnek könyvecskéje in mehreren Rezepten erwähnt wird.[12]
Im Gegensatz dazu taucht Sauerrahm in österreichischen und bayerischen Kochbüchern deutlich später auf. In Anna Dorns Neues Kochbuch (Wien 1827) ist er als Zutat mehrfach belegt,[13] ebenso in süddeutschen bzw. bayerischen Kochbüchern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, etwa bei Zenker (1820) oder Daisenberger (1852).[14][15] Dies verdeutlicht, dass die Verwendung von Sauerrahm in der Habsburgermonarchie und im süddeutschen Raum erst im 19. Jahrhundert in die schriftliche Kochtradition Eingang fand. Damit erklärt sich auch, warum Paprikás csirke als typisch ungarisches Gericht mit Paprika und Tejföl eng verbunden ist.
Von Ungarn aus verbreitete sich so das Gericht im 19. Jahrhundert auch nach Österreich und Süddeutschland.
Zubereitung
Paprikahuhn wurde in früheren Zeiten vorwiegend aus älteren Hühnern (Suppenhuhn) zubereitet und hatte daher einen noch kräftigeren Geschmack. Heute verwendet man dazu meist junge geviertelte Hühner oder nur Hühnerkeulen, aber auch Hühnerbrüste. Zur Zubereitung werden zuerst feingewürfelte Zwiebeln in Öl oder Schweineschmalz glasig angebraten und mit Paprikapulver bestreut (papriziert),[16] teilweise kann auch geräucherter Speck mitgebraten werden.[17] Danach werden die Hühnerteile und evtl. der vorgekochte Magen hinzugegeben und ebenfalls angebraten. Die angebratenen Stücke werden mit Hühnerbrühe angegossen und gedünstet, nach der halben Garzeit kommen in Streifen oder Würfel geschnittene frische Paprikastücke und Tomatenstücke hinzu und, kurz bevor die Hühnerteile gar sind, werden auch die Leber sowie saure Sahne (Rahm) mit etwas Mehl zur Bindung beigefügt.[16][17]
Alternativ werden die Hühnerteile mehliert und mit Zwiebeln und frischem Paprika sowie edelsüßem Paprikapulver in Fett angebraten. Danach werden sie mit einem Geflügelfond abgelöscht, mit Paprikasauce übergossen und gegart. Zum Ende wird saurer Rahm und Zitrone hinzugegeben.[16]
Serviert wird das Paprikahuhn meist mit Nockerln oder anderen Teigwaren wie Spätzle, alternativ auch mit Reis oder Mehlklößchen.[17] In Ungarn sind Eiergraupen, ungarisch tarhonya, als Beilage sehr beliebt, dazu passt Grüner Salat.
Belege
- ↑ Szenczi Molnár, Albert: Dictionarium Latino–Ungaricum, Hanau 1604 (Digitalisat: OSZK).
- ↑ Csapó, József: Új füves és virágos Magyar kert… Pozsony: Landerer, 1775. (Digitalisat: Hungaricana).
- ↑ Diószegi, Sámuel – Fazekas, Mihály: Magyar fűvész könyv… Debrecen: Csáthy, 1807. (Digitalisat: MEK).
- ↑ Simai, Kristóf: Némely étkek készítési módja (Körmöcbánya, 1795–1812; hrsg. Alinea, 2011).
- ↑ Füreder, Balázs: „A XVIII. századi kéziratos magyar szakácskönyvek”. In: Lymbus (2009), 343–360. (Online: epa.oszk.hu).
- ↑ Czifray, István: Magyar nemzeti szakácskönyv. Pest, 1830. (Digitalisat: vMEK).
- ↑ Bárány, Attila: „…‘pörkölt hús’ und ‚Paprikás tsirke…’”. In: Történeti Tanulmányok 28 (2020).
- ↑ Gundel, Imre: „Adalékok az étlap…”. In: A Magyar Kereskedelmi és Vendéglátóipari Múzeum Évkönyve (1970).
- ↑ Bálint, Sándor: „A szegedi paprika útja”. In: Magyar Szemle 29 (1937) 290–296.
- ↑ Horváth, Ferenc: A fűszerpaprika termesztése, különös tekintettel a csípősségmentes paprika termesztésére. Kalocsa, 1937.
- ↑ Pék, Miklós: „A fűszerpaprika-nemesítés mérföldkövei”. In: Magyar Mezőgazdaság (19. Sept 2023).
- ↑ Szakácsmesterségnek könyvecskéje. Kolozsvár, 1698. Digitalisat: OSZK.
- ↑ Dorn, Anna: Neues Kochbuch. Wien: Geistinger, 1827.
- ↑ Zenker, C. F.: Nicht mehr als sechs Schüsseln! Ein Kochbuch für die mittleren Stände. Leipzig, 1820.
- ↑ Daisenberger, Martin: Vollständiges bayerisches Kochbuch für alle Stände. München, 1852.
- ↑ a b c „Paprikahähnchen“ und „Paprikahuhn“ In: F. Jürgen Herrmann (Hrsg.): Herings Lexikon der Küche. Fachbuchverlag Pfanneberg, Haan-Gruiten 2012 (Lizenzausgabe Nikol, Hamburg 2016); S. 338; ISBN 978-3-86820-344-8.
- ↑ a b c „Paprikahähnchen“ In: Barbara und Hans Otzen: DDR-Kochbuch. Komet Verlag, Köln o. J.; S. 122; ISBN 3-89836-350-3.
Literatur
- „Paprikahähnchen.“ In: F. Jürgen Herrmann (Hrsg.): Herings Lexikon der Küche. Fachbuchverlag Pfanneberg, Haan-Gruiten 2012 (Lizenzausgabe Nikol, Hamburg 2016); S. 338; ISBN 978-3-86820-344-8.
- Ewald Plachutta, Christoph Wagner: Die gute Küche: Das österreichische Jahrhundertkochbuch. Orac, Zürich 1993, ISBN 3-7015-0310-9, S. 204.