Oxidhalogenide

Oxidhalogenide sind chemische Verbindungen, die gleichzeitig Sauerstoff- und Halogenatome enthalten, gebunden an ein zentrales Metall- oder Halbmetallatom. Sie bilden eine eigenständige Stoffklasse, die sowohl strukturell als auch chemisch Eigenschaften von Oxiden und Halogeniden vereint.[1] Oxidhalogenide wie BiOCl werden auch zu den basischen Salzen gerechnet.[2]

Nomenklatur

Für die Bildung der Namen von Oxidhalogeniden werden diese wie Doppelsalze behandelt, in denen O2--Ionen vorliegen. Eine Ausnahme davon ist, wenn andere Ionen mit eigenen Namen vorhanden sind (wie bei den Nitrosyl- und Nitryl-, Sulfuryl- und Thionylhalogeniden).[1]

Die veraltete Bezeichnung Oxyhalogenide und davon abgeleiteten Namen (wie zum Beispiel Bismutoxychlorid) sollten nicht mehr verwendet werden.[1]

Vorkommen

Die Oxidhalogenide bilden eine Mineralgruppe mit über 30 Halogen-Schwermetall-Verbindungen und zum Teil komplizierter Kristallstruktur. Sämtliche dieser Mineralien entstehen bei der Verwitterung von Metallerzen unter ariden Bedingungen. Beispiele von Oxidhalogenidmineralien sind Atacamit, Connellit und Perit.[3]

Struktur und Zusammensetzung

Oxidhalogenide bestehen aus Metall- oder Halbmetallkationen, die von Sauerstoff- und Halogenanionen umgeben sind. Die Bindungssituation kann stark variieren: Während einige Oxidhalogenide diskrete Moleküle bilden, existieren viele als kristalline Festkörper mit komplexen Netzwerkstrukturen.[4]

Ein einfaches Beispiel ist Bismutoxychlorid (BiOCl), dessen Struktur aus Schichten von Bi2O2-Kationen besteht, zwischen denen Chloridionen eingelagert sind. Solche Schichtstrukturen führen zu anisotropen physikalischen Eigenschaften.[5]

Synthese

Oxidhalogenide lassen sich häufig durch partielle Hydrolyse von Halogeniden herstellen. Beispielsweise kann BiCl3 in Wasser teilweise hydrolysiert werden, wobei BiOCl ausfällt:[6]

Metall-Oxidhalogenide können auch durch direkte Halogenierung der Oxide gewonnen werden.[7]

Weitere Synthesewege umfassen Festkörperreaktionen bei erhöhter Temperatur, Gasphasenreaktionen oder Schmelzreaktionen unter kontrollierter Atmosphäre.

Eigenschaften und Anwendungen

Oxidhalogenide sind meist feste oder flüssige (wie Chrom(VI)-oxiddichlorid[8] oder Thionylchlorid[9]) Verbindungen. Nur von recht wenigen Metallen, insbesondere von einigen Übergangselementen, kennt man gasförmige Oxidhalogenide.[10]

Viele Oxidhalogenide besitzen interessante optische, elektronische oder katalytische Eigenschaften. Bismutoxychlorid wird zum Beispiel als Perlglanzpigment in der Kosmetikindustrie eingesetzt. Bestimmte Seltenerden-Oxidhalogenide zeigen Lumineszenz und werden in Leuchtstoffen verwendet.

In der Festkörperchemie werden Oxidhalogenide auch aufgrund ihrer ionischen Leitfähigkeit und ihrer kristallchemischen Vielfalt untersucht.

Beispiele für Oxidhalogenide:

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Einzelnachweise

  1. a b c Eckard Amelingmeier, Michael Berger, Uwe Bergsträßer, Henning Bockhorn, Peter Botschwina: RÖMPP Lexikon Chemie, 10. Auflage, 1996-1999. Thieme, 2014, ISBN 978-3-13-200031-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Karl A. Hofmann: Anorganische Chemie. Vieweg & Teubner Verlag, 1973, S. 605 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. De Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-083686-8, S. 336 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. D. H. Templeton, Carol H. Dauben: Crystal Structures of Rare Earth Oxychlorides. In: Journal of the American Chemical Society. Band 75, Nr. 23, 1953, S. 6069–6070, doi:10.1021/ja01119a535.
  5. Yan Liang, Xuehan Zhou, Wen Li, Hailin Peng: Preparation of two-dimensional [Bi2O2]-based layered materials: Progress and prospects. In: APL Materials. Band 9, Nr. 6, 2021, doi:10.1063/5.0052300.
  6. Aron Wosylus, Stefan Hoffmann, Marcus Schmidt, Michael Ruck: In-situ Study of the Solid-Gas Reaction of BiCl3 to BiOCl via the Intermediate Hydrate BiCl3·H2O. In: European Journal of Inorganic Chemistry. Band 2010, Nr. 10, 2010, S. 1469–1471, doi:10.1002/ejic.201000032.
  7. Inorganic Reactions and Methods, The Formation of Bonds to Halogens (Part 2). Wiley, ISBN 0-470-14539-0, S. 215 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Gert Blumenthal, Dietmar Linke, Siegfried Vieth: Chemie. Vieweg & Teubner Verlag, 2006, ISBN 978-3-519-03551-0, S. 327 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. H. P. Latscha, H. A. Klein: Anorganische Chemie. Springer Berlin Heidelberg, 2013, ISBN 978-3-662-05765-0, S. 332 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Michael Binnewies, Robert Glaum, Marcus Schmidt, Peer Schmidt: Chemische Transportreaktionen. De Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-024897-5, S. 538 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).