Ordensburg Kandau
| Ordensburg Kandau | ||
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![]() Der „Pulverturm“ – einzig erhaltenes Bauwerk der Burg Kandau | ||
| Alternativname(n) | Cadowe (1231)[1], Candowe (1231)[1], Candow (1341), Candau | |
| Staat | Lettland | |
| Ort | Kandava | |
| Entstehungszeit | 1254 | |
| Burgentyp | Höhenburg | |
| Erhaltungszustand | Ruine | |
| Geographische Lage | 57° 2′ N, 22° 47′ O | |
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Die Ordensburg Kandau (lettisch Kandavas viduslaiku pils) ist die Ruine einer Ordensburg des Livländischen Ordens in der lettischen Stadt Kandava (deutschbaltisch Kandau) im historischen Kurland. Während der Ordenszeit war sie Sitz einer Vogtei, zwischenzeitlich sogar einer kurzlebigen Komturei, später Verwaltungssitz des Herzogtums Kurland und Semgallen.
Außer ein paar Mauerresten hat sich heute nur der sog. „Pulverturm“ erhalten.
Geschichte
Bereits seit dem 10. Jahrhundert existierte etwa 600 m nördlich der Ordensburg an der Straße von Riga über Goldingen nach Preußen eine kurische Hügelburg mit Siedlung, die eines der Zentren des kurischen Landes Vanema darstellte.[2]
1230 wird diese Burg erstmals erwähnt. Letztmalig genannt wird die Kurenburg am 17. Januar 1231 in einem Vertrag des päpstlichen Legaten Balduin von Alna mit kurischen Stämmen über die friedliche Annahme des Christentums. Er garantierte ihnen im Gegenzug Freiheit und Unabhängigkeit. Dies wollten aber weder der Bischof von Riga noch der Schwertbrüderorden akzeptieren, weshalb letzterer daraufhin gewaltvoll in Kurland einmarschierte und den Vertrag stahl.[2]
Im Frühjahr 1236 mobilisierte der Ordensmeister Volkwin von Naumburg eine Armee für einen Kreuzzug gegen die Litauer, wobei das Aufgebot des Ordens zu einem Großteil aus unterworfenen Balten (auch Kuren aus Kandau) rekrutiert wurde. In der Schlacht von Schaulen am 22. September 1236 wurde die Armee des Ordens fast vollständig vernichtet.
1245 fiel Ordensmeister Dietrich von Grüningen mit seinem Heer in Kurland ein und zerschlug Vanema. Dabei zerstörte er auch die Kurenburg in Kandau. Anschließend wurde die Zuständigkeit an die Komturei Goldingen übertragen.[2]
Im Kurenvertrag von 14. April 1253 wurde der Ort der Herrschaft des Livländischen Ordens unterstellt.[3] Der Bau der steinernen Ordensburg begann wahrscheinlich 1254 unter Landmeister Eberhard von Sayn. Der Standort der neuen Burg wurde dabei von den Ordensbrüdern etwa 600 m südlich der alten Burg verlegt.[2] Für das vom Historiker J. Arndt genannte Gründungsjahr 1257 gibt keine urkundlichen Belege.[1] Erstmalig erwähnt wurde die Ordensburg dann am 15. Mai 1318, als hier der Landmeister Gerhard von Jork eine Urkunde ausgestellte.[4]
1451 bestand der Konvent des Ordens aus 5 Ordensbrüdern, die zugleich gut ausgebildete Ritter waren und denen 4 Pferde für den Kriegsdienst zur Verfügung standen. Dies erscheint zunächst wenig, jedoch ist zu beachten, dass es in der Regel nie mehr als 200 Ordensritter in ganz Livland gab. In einer Inventarliste werden neben 15 Kanonen und 7 Armbrüsten außerdem u. a. 24 Fässer Fisch und 92 Stück Schweinefleisch genannt. Von 1383 bis 1560 sind 17 Vögte von Kandau als Gebietiger überliefert, deren Aufgabe u. a. die Rechtspflege und das Eintreiben der Steuern in ihrem Bezirk waren. Aufgrund der großen Anzahl von Bienenstöcken wurde in Kandau eine separate Honig-Abgabe erhoben, die etwa 491 kg Honig pro Jahr entsprach.[2]
Die Jahre von 1256 bis 1260 waren geprägt von gegenseitigen Überfällen und Kämpfen des Deutschen Ordens auf der einen und widerstandleistenden Samogiten (auch „Niederlitauer“ genannt) und freien Kuren-Stämmen auf der anderen Seite, was am 13. Juli in der Schlacht an der Durbe gipfelte. Die wenigen Ordensritter wurden dabei von vielen zwangsrekrutierten Prußen und Kuren (auch aus Kandau) als Hilfstruppen unterstützt. Vermutlich aufgrund von Unstimmigkeiten weigerten sich die Kuren jedoch zu kämpfen und flüchteten, einige Kuren sollen die Ordensritter sogar hinterrücks angegriffen haben[5], wodurch die nun deutlich überlegenen Samogiten einen entscheidenden Sieg erreichen konnten. Den Verlust eines Großteils des Ordensaufgebots samt Ordensmeister nutzten die Kuren nun für einen großen Aufstand (1260–1267), der jedoch vom Livländischen Orden blutig niedergeschlagen wurde; auch hier beteiligten sich auf deutscher Seite bis 1264 wieder kurische Hilfstruppen aus Kandau. Von 1279 bis 1281 nahmen immer wieder Aufgebote aus Kandau bei Feldzügen des Ordens gegen die aufständischen Semgallen unter Fürst Nameisis teil, ebenso bei den darauf folgenden Litauerkriegen bis etwa 1410.[2]
1315 wird erwähnt, dass Frost die gesamte Frühjahrsernte vernichtete und eine schreckliche Hungersnot auslöste.[2]
Ende März 1377 verwüstete der litauische Großfürst Kęstutis die Region Kandava. 1379 wurde die Region von einer verheerenden Pestepidemie heimgesucht, 1418 ein weiteres Mal.
1560 kam der Orden im Livländischen Krieg nach mehreren Niederlagen und dem ungebremsten russischen Vormarsch in große Bedrängnis. Schließlich zerfiel der Orden 1561 und mit ihm die Livländische Konföderation, als er sich unter den Schutz der Adelsrepublik Polen-Litauen begab. Diese säkularisierte das Land und übergab einen Teil davon als Herzogtum Kurland und Semgallen dem letzten Landmeister des Ordens, Gotthard Kettler, als Lehen. In der Folge wurde Burg Kandau das Verwaltungszentrum der Hauptmannschaft Candau.
Nach dem Tod Gotthards 1586 wurden Burg und Region Kandau dem kurländischen Teil des Herzogtums unter seinen Sohn Wilhelm Kettler zugeschlagen, während sein anderer Sohn Friedrich den semgallischen Teil erhielt. Erst 1617 wurde das Herzogtum nach der Absetzung Wilhelms unter Friedrich Kettler wiedervereinigt.
Während des Polnisch-Schwedischen Krieges landeten 1605 etwa 4.000 schwedische Soldaten in Kurland und zogen plündernd und brandschatzend über Tuckum nach Kandau.
Ihre Blütezeit erlebte die Stadt im 17. Jahrhundert, als unter Herzog Jakob Kettler Leinen- und Salpeter-Manufakturen sowie eine Schießpulvermühle entstanden.
Herzog Jakob Kettler baute auf den Resten eines mittelalterlichen Turmes den heute noch erhaltenen und mit einem Walmdach versehenen „Pulverturm“; zu Zeiten Herzog Jakobs wurde hier Schießpulver gelagert.
Während des Zweiten Nordischen Krieges eroberten die eingefallenen Schweden am 16. Juni 1659 Burg Kandau, in der die Bewohner der Umgebung Zuflucht gesucht hatten und töteten diese mit großer Brutalität.[2]
Im Großen Nordischen Krieg wurde die Region Kandau im August 1701 erneut von den Schweden besetzt, 1703 wird die Burg als unbewohnt beschrieben. 1705 kam die Burg unter russische und 1706 wieder unter schwedische Besatzung. Letztere verschlimmerte die ohnehin schon große Not der Bauern durch großangelegte Requisitionen. Im Herbst 1709 gaben die Schweden Kurland vollständig auf und russische Truppen marschierten ein. Mit dem anhaltenden Krieg kamen außerdem Wellen verheerender Krankheiten wie Typhus und Piroplasmose nach Kandau. Die Überlebenden wurden schließlich von der großen Pestepidemie von 1710 dahingerafft; von 600 Einwohnern überlebten nur zwei. Nach dem Krieg waren Burg und Stadt schwer verwüstet und zerstört.[2]
1736 stürzte ein Teil der Außenmauer von Burg Kandau ein, 1739 wird sie als baufällig beschrieben. Trotzdem war sie noch bis 1750 bewohnt, bis der Hauptmann, aufgrund des schlechten Zustands der Burg, gezwungen war in die Stadt zu ziehen.
Am 16. April 1783 wurde Gideon Heinrich von Saß von Herzog Peter von Biron zum Hauptmann von Kandau ernannt und hatte dieses Amt bis 1786 inne. Um 1790 wurde auf Befehl des Hauptmanns im Pulverturm ein Gefängnis eingerichtet. 1819 wurde der Posten des Hauptmanns von Kandau nach Talsen verlegt, wodurch Kandau weiter an Bedeutung verlor.
Ab 1840 wurde die Burgruine zum Schutz der Bevölkerung vor herabfallenden Steinen abgetragen und als Material für den Bau der umliegenden Häuser genutzt (v. a. nach den Bränden zwischen 1870 und 1881). Mauersteine finden sich heute noch in vielen Gebäudefundamenten; ein Großteil wurde für den Bau des Kandauer Hotels verwendet. 1870 waren nur noch das Burgtor und einige Mauerfragmente erhalten geblieben.[2][6]
Während der Revolution von 1905 fanden auf dem Burgberg revolutionäre Kundgebungen statt.
Im 19. Jahrhundert kam der Pulverturm an der Ostseite der Burg in Privatbesitz und wurde bis in die 1930er Jahre als Wohnhaus genutzt. Im Jahre 1902 wurde das Burgareal von Schutt und Trümmern befreit und anschließend ein Park angelegt. Neben dem Pulverturm wurde 1935 der Hain der Einheit (Vienibas birze) gepflanzt.
1957 begannen Restaurierungsarbeiten am Turm, die jedoch nicht fertiggestellt wurden.
Zwischen 2000 und 2001 wurden auf dem Burgberg archäologische Untersuchungen durchgeführt.[2]
Ausgenommen des Pulverturms sind heute noch einige niedrige Mauerreste der Burg erhalten. Im Park östlich des Burgbergs wurde am 12. Oktober 2010 ein Modell der Burg aufgestellt.
Bauwerk
Die Burg bestand aus einem rechteckigen, etwa 30 m breiten Hauptbau, den ein 150 m langer, 50 m breiter Burgbering umgab. An dessen Ostseite, etwa 28 m außerhalb des Burgberinges, stand am unteren Abhang zum Fluss Abau ein quadratischer Turm. Seine Funktion wird von Historikern unterschiedlich bewertet. Die tiefe Lage unterhalb der eigentlichen Burg ist ungewöhnlich und strategisch nachteilig, was gegen eine militärische Nutzung spricht. Aufgrund zu geringer Bedeutung und Größe der Burg lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein Dansker ausschließen. Es wird vermutet, dass es sich hierbei vielmehr um einen Brunnenturm handelt, da das Grundwasser am Fuße des Hügels besser erreichbar war als in höheren Lagen.
Nördlich des Hauptbaus befand sich ein breiter Parcham, südlich eine größere Vorburg.[4]
Der Burgenforscher Karl W. von Löwis of Menar untersuchte das Burggelände und fertigte einen Grundrissplan der Burg an.
Komture in Kandau
- 1484–1486: Gerhard von Mallinckrodt
- 1496–1500: Christian von Seelbach von Zeppenfeld
Vögte in Kandau
- 1383–1389: Evert von Garath
- 1401–: Wessel von Aldinchoven
- 1418–: Dietrich von Limburg
- 1422–1423: Johann von Marwe
- 1447–1469: Ludwig von Hatzfeld
- 1470–1476: Engelbert Lappe von der Ruhr
- 1476–1483: Dietrich von Altenbockum
- 1492–1494: Heinrich von Galen
- 1502–1519: Gerhard von Rossem
- 1519–1529: Heinrich von Galen
- 1529–1535: Dietrich von Altenbockum
- 1540–1549: Heinrich Wulf genannt Lüdinghausen
- 1550–1556: Heinrich Steding
- 1557–1560: Christoph von Syburg zum Busch
Galerie
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Burgberg -
Mauerreste
Siehe auch
Literatur
- Bernhard Schmid: Die Burgen des deutschen Ritterordens in Kurland. In: Zeitschrift für Bauwesen. Nr. 7, 1921, S. 199–238 (zlb.de).
- Lutz Fenske & Klaus Militzer (Hg.): Die Ritterbrüder im livländischen Zweig des Deutschen Ordens. Böhlau, Köln 1993, ISBN 3-412-06593-5, ISBN 978-3-412-06593-5, S. 762.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c Karl W. von Löwis of Menar: Der heidnische Burgberg und die Ordensvogtei Kandau in Kurland. In: Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands (Hrsg.): Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1902. W. F. Häcker, Riga 1903, S. 192–197.
- ↑ a b c d e f g h i j k Renāta Rimša: Замок Кандава (Burg Kandau). Abgerufen am 29. August 2025 (russisch).
- ↑ Karl Woldemar von Löwis of Menar: Burgenlexikon für Alt-Livland. Walters und Rapa, Riga 1922, S. 67 (lndb.lv [PDF]).
- ↑ a b Armin Tuulse: Die Burgen in Estland und Lettland (= Verhandlungen der Estnischen gelehrten Gesellschaft. Band 33). Õpetatud Eesti Seltsi Toimetused, S. 226–227.
- ↑ Lietuvos istorijos institutas: 1260 07 13 Mūšyje prie Durbės žemaičiai sutriuškino Vokiečių ir Livonijos ordinų kariuomenę. 12. Juli 2009, abgerufen am 31. August 2025 (litauisch).
- ↑ E.H. von Busch: Materialien zur Geschichte und Statistik des Kirchen- und Schulwesens der evang.-Luther Gemeinden in Rußland. 1862 ([1]).

