Orangerie (Karlsruhe)

Orangerie Karlsruhe, Ansicht aus dem Botanischen Garten

Die Orangerie in Karlsruhe ist ein historisches Gebäude am Botanischen Garten. Es ist eines der Kulturdenkmale Karlsruhes. Ursprünglich für die Überwinterung nicht-winterharter Pflanzen und als Veranstaltungsort für "Gesellschaften" konzipiert, dient die Orangerie heute der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe als Ausstellungsort.

Lokation

Bei dieser Luftaufnahme der Karlsruher Innenstadt ist am linken Bildrand die Orangerie leicht an ihrer Kuppel zu erkennen.

Die Orangerie liegt unweit des Karlsruher Schlosses an der heutigen Hans-Thoma-Straße. Sie bildet einen Teil der Umrandung des Botanischen Gartens. Das Gartenareal ist bis heute von verschiedenen aufeinander bezogenen Bauten von Heinrich Hübsch aus den 1840er und 1850er Jahre geprägt. Zu diesem Bauensemble zählte ursprünglich auch das 1963 abgetragene Hoftheater.

Mit ihrer nördlichen Carrera grenzt die Orangerie an das sogenannte Hofgärtnerhaus. Mit der südlichen Rotunde steht sie in direkter Nachbarschaft zu dem ehemaligen Wohnhaus des Gartendirektors (heute genutzt für die Junge Kunsthalle der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe).

Ansicht mit der Rotunde von der Hans-Thoma-Straße
Ansicht mit der Carrera von der Hans-Thoma-Straße

Architektur

Orangerie, Blattmaske

Die heutige Orangerie wurde zwischen 1853 und 1857 zusammen mit weiteren Teilen des Botanischen Gartens von Heinrich Hübsch geplant und gebaut. Die ursprüngliche Bauaufgabe galt, wie Hübsch 1855 wiedergab, einem „großen Orangeriegebäude, worin die Orangeriebäume während des Winters in solcher Weise aufgestellt werden konnten, daß in der Mitte Platz bliebe, um hier Gesellschaften zu geben“.[1] Während der Planungs- und auch Bauphase haben sich die Pläne mehrfach verändert. Obwohl viele Entwurfsunterlagen erhalten sind, ist nicht jede Veränderung dokumentiert.[2] Hübsch baute letztlich nicht – wie urpünglich vorgesehen – eine spiegelsymmetrisches Gebäude mit überkuppelter Mitte und seitlichen Flügeln,[3] sondern ein Langhaus mit Eckpavillons: Als Fluchtpunkt der heutigen Bismackstraße baute er eine Carrera, als Fluchtpunkt der Stephanienstraße die überkuppelte Rotunde. Diese beiden Eckpavillons verbindet das 60 Meter lange Langhaus.

Lünettenbereich am straßenseitigen Portal der Rotunde
Lünettenbereich am straßenseitigen Portal der Carrera. Wie ältere Fotos belegen, befand sich diese Darstellung des afrikanischen Kontinents bis zum Wiederaufbau der Nachkriegszeit an der Lünette über dem südlichen Fenster der Rotunde

Große Rundbogenfenster mit flankierenden Pilastern prägen die Außenansicht des Langhauses. Ein Flächenornament aus hellgelben Klinkern und rahmenden roten Ziegelbänden strukturiert die Fassaden. Die zur Stadt gerichteten Portale der beiden Kopfbauten sind geschmückt mit vier Statuen von Franz Xaver Reich, die die vier Jahreszeiten darstellen. In den Lünetten sind allegorische Figuren, die vier Weltteile darstellend, gemalt nach Kompositionen der badischen Künstler Joseph Heinemann und Rudolf Gleichauf. Die Malerei wurden vom Porzellanmaler Spelter in einer Art Fayencenmalerei ausgeführt, die für die damalige Zeit ein Novum war.[4] (Die Restaurierungsmaßnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg haben nur drei dieser Lünettenbildler wiederhergestellt.) Auf dem höchsten Punkt der Kuppel über der Rotunde ist ein Aeolus zu sehen.

Wenige Jahre nach Eröffnung folgten bis 1875 siebenjährige Umbauarbeiten an der Orangerie, weil die ursprüngliche Holzkonstruktion von Karl Dyckerhoff durch eine modernere und sichere Stahlkonstruktion ersetzt werden musste.[5] Während des Zweiten Weltkrieges beschädigte der Luftangriff auf Karlsruhe am 27. September 1944 die Orangerie schwer, wobei unter anderem alle Bedachungen zerstört wurden.[6] Während der Aufräumarbeiten nach Kriegsende führte der sogenannte „Schuttexpreß“ durch die Carrera der Orangerie, um die am Schlossplatz gesammelten Schuttmassen mittels einer Lorenbahn in das Auffüllgebiet des Rheinhafens abzutransportieren.[7]

Durch das hier sichtbare Tor der Carrera führten 1946 die Gleise des „Schuttexpreß“.

Um 1950 wurde das Gebäude aufwendig renoviert, wovon heute noch die Inschrift „ERNEUERT MCMLII“ am gartenseitigen Eingang zur Rotunde zeugt.[8]

Die Orangerie in den 1950ern, also wenige Jahre nach der tiefgreifenden Sanierung

Im April 2005 wurde eine weitere Sanierung notwendig, da die ursprüngliche Bausubstanz marode war. Im Jahre 2006 konnte die Karlsruher Orangerie durch den damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger in einem Festakt wieder eröffnet werden. 2020 musste die Orangerie coronabedingt geschlossen werden. Anschließend begann eine Sanierung des Baus. Am 6. September 2025 hat die Kunsthalle die Rotunde wiedereröffnet. Eine Wiedereröffnung des Langhauses ist nach Abschluss der dortigen Bauarbeiten Ende 2025 geplant, danach soll die Carrera wiedereröffnet werden.

Nutzung

Aquarell von 1859 mit Darstellung des Botanischen Gartens mit verschiedenen Bauten von Heinrich Hübsch, im Hintergrund die neuerbaute Orangerie
Ansicht der Orangerie im Botanischen Garten von ca. 1880. Die Bedachung über allen Gebäudeteilen wurde um 1950 in anderer Form rekonstruiert.
Aufnahme vom Hoftheater aus, um 1900

Das Gebäude sollte ursprünglich als Gewächshaus für Zitrusbäume und andere nicht winterharte Pflanzen dienen, aber auch Raum für Veranstaltungen bieten. Durch die Kette der Gebäude des Botanischen Gartens konnten die Bewohner des Schlosses trockenen Fußes bis in die Rotunde gelangen. In der Orangerie fanden u. a. 1858 eine „Tagung der Naturforscher“[9], 1863 wohl eine „Ausstellung von Bienenwohnungen, Bienengeräthen u. dergl.“[10] sowie mindestens in den 1880er und 1890er Jahren mehrere Kunstgewerbeausstellungen statt, wie z. B. die „Badische Landes-Gewerbe-Ausstellung“ 1882[11], die „Ausstellung Deutscher Kunst-Schmiedearbeiten in der Großh. Orangerie Karlsruhe“ 1887[12] und die „Fächerausstellung“ 1891 mit 3.000 Fächern.[13]

Diese Handarbeiten der Großherzogin Luise wurden im Mai 1907 in der Rotunde ausgestellt und waren zur Verlosung zugunsten des Ludwig-Wilhelm-Krankenheims bestimmt.[14]

1910 war hier die Architekturausstellung der „Vereinigung Karlsruher Architekten“ zu sehen.[15]

Ab 1930 zeigte die Kunsthalle für mehrere Jahre eine Ausstellung ihrer Gipsabgusssammlung in der Orangerie,[16] danach verschiedene Wechselausstellungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg weihte sie die Orangerie 1951 wieder ein.

1973 begann in der Orangerie mit der Ausstellung „Museum macht Spaß - Junge Leute bei Alten Meistern“ die Geschichte des „Kindermuseums“ der Kunsthalle. Es ist eine der ältesten Institutionen ihrer Art in Deutschland. Nach längerer Renovierung der Orangerie eröffnete das Kindermuseum dort am 30. Mai 1975 mit der Ausstellung „Als Großmama ein Backfisch war“.[17] Das Kindermuseum war bis 2005 in der Carrera untergebracht, während es seit 2009 als „Junge Kunsthalle“ nebenan im ehemaligen Wohnhaus des Gartendirektors zu finden ist.

In den 2010er Jahren zeigte die Kunsthalle in der Orangerie die Werke des 20. und 21. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne. Das Hauptaugenmerk konzentrierte sich dabei auf Werke der französischen und deutschen Strömung. Die Orangerie zeigte u. a. Gemälde von Paul Cézanne, Robert Delaunay, Ernst Ludwig Kirchner, Max Beckmann, Sigmar Polke und Gerhard Richter. Im Zuge der Coronapandemie musste die Orangerie schließen und wird aktuell saniert. Künftig sollen hier Wechselausstellungen stattfinden.[18]

Commons: Orangerie – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Heinrich Hübsch in seinem 16-seitigen Memorandum zu den Bauten im Botanischen Garten vom 12. Januar 1855 (GLA 422 / 440), hier zitiert nach Thomas Huber: Orangerien und Gewächshäuser im Botanischen Garten Karlsruhe von 1850 bis heute, in: Allerley Sorten Orangerie (= Band 3 der Schriftenreihe des Arbeitskreises Orangerien in Deutschland e.V.), Potsdam 2001, Seiten 98–107, hier S. 99 f.
  2. Uta Hassler: Die Bauten für den Botanischen Garten, in: Heinrich Hübsch. Der große badische Baumeister der Romantik. Karlsruhe 1983, S. 96–177.
  3. Silke Walther: "In welchem Style sollen wir bauen ?" - Studien zu den Schriften und Bauten des Architekten Heinrich Hübsch (1795-1863). Stuttgart 2004, S. 503 (uni-stuttgart.de).
  4. Die Residenzstadt Karlsruhe. Ihre Geschichte und Beschreibung. Festgabe der Stadt zur 34. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, C.F. Müller, Karlsruhe 1858, S. 246, Volltext in der Google-Buchsuche
  5. E.M.: Kritische Beleuchtung der neuen oder vielmehr umgebauten Gewächshäuser im botanischen Garten zu Karlsruhe in gärtnerischer Beziehung, in: Gartenflora; Zeitschrift für Garten- und Blumenkunde, Bd. 24, 1875, S. 325–331, hier S. 326. https://www.biodiversitylibrary.org/item/123936#page/405/mode/1up oder https://archive.org/details/gartenflorazeit241875berl/page/n404/mode/1up
  6. Karlsruher Stadtchronik. Abgerufen am 10. August 2025.
  7. Eisele: Schloßplatz wird Schuttbahnhof. Bevorstehende Großaktion zur Trümmerbeseitigung, in: BNN 29. März 1946, S. 3.
  8. Uta Hassler: Die Kunsthalle aus Kunstwerk. Bilder aus ihrer Baugeschichte. Stuttgart 1993, S. 108–110.
  9. E.M.: Kritische Beleuchtung der neuen oder vielmehr umgebauten Gewächshäuser im botanischen Garten zu Karlsruhe in gärtnerischer Beziehung, in: Gartenflora; Zeitschrift für Garten- und Blumenkunde, Bd. 24, 1875, S. 325–331, hier S. 326. https://www.biodiversitylibrary.org/item/123936#page/405/mode/1up oder https://archive.org/details/gartenflorazeit241875berl/page/n404/mode/1up
  10. Wochenblatt für Land- und Forstwirthschaft, Bd. 15, 1863, S. 176, https://digipress.digitale-sammlungen.de/view/bsb10229272_00183_u001?page=4,
  11. http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=4-917972-1
  12. Franz Sales Meyer: Die Konkurrenzausstellung deutscher Kunstschmiedearbeiten in Karlsruhe. In: Kunstgewerbeblatt. 3. Jahrgang, 1887, S. 232–240 (google.de).
  13. K. Kölitz, Fächerausstellung in Karlsruhe, in: Kunstgewerbeblatt, hg. v. Arthur Pabst, Neue Folge, Zweiter Jahrgang, Leipzig 1891 Zeitschrift für bildende Kunst, Band 2, S. 149–157 https://www.google.de/books/edition/Zeitschrift_f%C3%BCr_bildende_Kunst/a59WAAAAYAAJ?hl=de&gbpv=1&dq=orangerie+karlsruhe&pg=RA1-PP213&printsec=frontcover; siehe auch https://de.wikisource.org/wiki/Die_F%C3%A4cherausstellung_in_Karlsruhe_(Luthmer)
  14. Über die Orangerie. In: digital.blb-karlsruhe.de. Badische Presse, 27. Mai 1907, abgerufen am 9. September 2025.
  15. Die Architektur-Ausstellung der „Vereinigung Karlsruher Architekten“ in der Großherzoglichen Orangerie in Karlsruhe, in: Deutsche Bauzeitung, 22. Oktober 1910, S. 685–688, https://opus4.kobv.de/opus4-btu/frontdoor/deliver/index/docId/2263/file/44_10.pdf
  16. Katarina Horst: Antike in der Kunsthalle. In: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe und Regine Heß (Hrsg.): BAUEN UND ZEIGEN. Aus Geschichte und Gegenwart der Kunsthalle. Bielefeld, Berlin, 2014, S. 123 (114-123 S.).
  17. Museumspädogik und Öffentlichkeitsarbeit. In: Sigmar Holsten, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hrsg.): Vale musis amice: Chronik der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe 1973 - 1995; zur Verabschiedung des Direktors Horst Vey. Karlsruhe 1995, S. 52. (49-54 S.).
  18. Orte der Kunsthalle - Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Abgerufen am 8. September 2025 (deutsch).

Koordinaten: 49° 0′ 47,3″ N, 8° 23′ 56,1″ O