Niederdorf (Stadt Zürich)
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Das Zürcher Niederdorf (im Volksmund Dörfli oder Niederdörfli) ist ein Teil der Altstadt von Zürich. Es erstreckt sich vom Central bis zur Stüssihofstatt. Das Niederdorf liegt im Quartier Rathaus und gehört somit zum Stadtkreis 1 der Stadt Zürich. Dicht verbunden ist das Zürcher Niederdorf mit dem Oberdorf, das zwischen dem Bellevue bzw. Rämistrasse und Niederdorf liegt und von vielen Besuchern fälschlicherweise dem Niederdorf zugerechnet wird.
Das Niederdorf ist vor allem als Amüsierviertel bekannt. Neben unzähligen Bars und Restaurants gibt es auch Kinos, Läden, Hotels und Clubs.
Lage


Unter dem Niederdorf ist im Volksmund oft das gesamte Gebiet gemeint, das sich vom Central im Norden bis zum Bellevue im Süden erstreckt und dort von der Rämistrasse begrenzt wird. Richtigerweise ist die Stüssihofstatt nördlich des Grossmünsters die südliche Begrenzung des eigentlichen Niederdorfes.
Das Niederdorf liegt zwischen dem Limmatquai im Westen und dem Seilergraben im Osten. Die wichtigsten Strassen in diesem Gebiet sind die Niederdorfstrasse, Rindermarkt und Neumarkt sowie die Marktgasse.
Im hinteren Teil des Niederdorfes vom Central weg bis zum Zähringerplatz verläuft anstelle von alten engen Gassen die Zähringerstrasse, für welche 1878 alte Häuser abgebrochen worden waren. Die damaligen Planungen hatten eine Fortsetzung dieses modernen Boulevards über den Zähringerplatz hinaus vorgesehen, wurden jedoch nie verwirklicht.[1]
Verkehr
Wie das parallel verlaufende Limmatquai sind die Niederdorfstrasse und deren Verlängerungen für den Autoverkehr gesperrt. Die meisten Quergassen kommen aufgrund ihrer Breite für eine Durchfahrt nicht in Frage. Einzelne Gassen sind tagsüber befahrbar, nachts abgesperrt und für Anwohner mit dem Auto zugänglich. Die das Niederdorf östlich begrenzende Strasse, der Seilergraben, leitet den Autoverkehr um das Niederdorf. Hier fahren das Tram 3 und der Bus 31 der VBZ. Am Limmatquai verkehren die Tramlinien 4 und 15. Weitere Tramlinien halten am Verkehrsknotenpunkt Central. Die nächsten Bahnhöfe sind der Hauptbahnhof und der Bahnhof Stadelhofen. Die Polybahn, eine Standseilbahn, verbindet das Niederdorf (beim Central) mit der Polyterrasse vor dem Hauptgebäude der ETH Zürich.
Angebot
Kinos
Insgesamt finden sich im Niederdorf sechs Kinohäuser unterschiedlicher Art. Die Arthouse-Kinos Alba, Movie 1 & 2 sowie Nord-Süd (1935–2011) zeigen Studiofilme und Low-Budget-Produktionen. Das denkmalgeschützte Alba befindet sich seit 1958 im Theatersaal des sieben Jahre zuvor erbauten Hotels mit Theater.[2] Das Kino Frosch der Kitag zeigt Hollywood-Streifen und auch Studiofilme. Ergänzt wurde das Kinoangebot bis Ende 2012 durch das Erotikkino Stüssihof.[3] Das ehemalige Kitag-Kino Academy wurde Ende 2006 geschlossen und erst in eine Bar mit Clubbetrieb, danach in ein Schuhgeschäft umgenutzt. Das Kino Academy hiess vorher Wellenberg wie das Hotel im selben Haus. Das Wellenberg war Kulisse im Schweizer Spielfilm Polizischt Wäckerli.
Das Kino Radium in der Mühlegasse 5 wurde 1907 eröffnet und war eines der ersten ständigen Kinos der Schweiz. Es war das älteste Kino des Landes und eines der ältesten in ganz Europa. Während vieler Jahre war das Radium wegen den abgespielten Westernfilmen als Revolverküche bekannt,[4] später Reprisenstätte, zwischenzeitlich Filmpodium der Stadt Zürich, bevor es in den 1980er und 1990er Jahren als Nachspielstätte der Commercio-Movie AG funktionierte. Das Radium bot 118 Leuten Platz. Von 1994 bis 2008 war das Radium ein Pornokino, Ende Juni 2008 wurde es geschlossen. 2009 kamen bei umfangreichen Sanierungsarbeiten der mittelalterlichen Liegenschaft Reste der Wandmalereien der ursprünglichen Kinoausstattung von 1907 hervor.[5]
Bars
Im Niederdorf finden sich viele kleinere und grössere Bars. In der Sommerzeit bieten die meisten Bars Sitzgelegenheiten im Freien.
Restaurants
Im Niederdorf finden sich neben vielen kleinen Imbissständen auch zahlreiche Restaurants.
Hotels
Im Niederdorf gibt es nur wenige Hotels. Der älteste und der jüngste Hotelbetrieb stehen zentral am Hirschenplatz. Das Hotel «Hirschen» gilt als der älteste Betrieb und bietet seinen Gästen seit dem 14. Jahrhundert Zimmer an. Der jüngste Hotelbetrieb im Niederdorf ist das Hotel «Wellenberg», es wurde im Januar 1990 von der Unternehmerfamilie Scotoni eröffnet. Es wurde in den 1940er Jahren erbaut und gilt als der letzte Neubau in der Altstadt von Zürich.
Geschichte
Das ursprüngliche niedere Dorf oder eben «Niederdorf» war einst ein ländliches Dorf vor der Stadt Zürich, das um das 12. Jahrhundert zur Stadt geschlagen wurde. Die beiden ehemaligen und eigenständigen Gemeinden Niederdorf und Oberdorf wurden beide etwa im 12. Jahrhundert in die Stadt Zürich eingemeindet.[6]
1280 oder 1286 zerstörte eine Feuersbrunst die Häuser vom Nieder- bis zum Oberdorf. Der Brandstifter soll der Bäcker Wackerbold gewesen sein. Er war dabei ertappt worden, wie er zu leichte Brote herstellte und wurde zur Strafe in den Schmachkorb beim Haus zum Rüden gestellt. Aus Rache füllte er sein Haus mit Holz, legte eines Nachts bei heftigem Wind Feuer und verschwand.[7]
1876 brach im Niederdorf eine Cholera-Epidemie aus, die auch auf weitere Stadtteile übergriff.
In den 1930er-Jahren hatte die Stadt Karl Moser, ETH-Professor und Architekt von Universität und Kunsthaus, mit Plänen für eine Neugestaltung des Niederdorfs beauftragt. Laut des daraufhin entstandenen Plans hätten alle Häuser mit Ausnahme der grösseren Kirchen und des Rathauses abgebrochen werden sollen. Dass Mosers Plan schliesslich verworfen wurde, ist dem Kanton (Zürich) zu verdanken, der die Genehmigung für die neue Baulinie verweigerte. So wurde der Plan so lange redimensioniert, bis er ganz verschwand. Das Niederdorf wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf behutsamere Weise saniert.[8]
Sonstiges
- Hotel «Hirschen» am Hirschenplatz: Die meisten Songs des wegweisenden Albums Paranoid der britischen Heavy-Metal-Band Black Sabbath entstanden im damaligen 'Beat Club' (auch Hirschen-Club genannt) im Erdgeschoss des Hotels «Hirschen» im Niederdorf, im Herbst 1969, während einer Konzertreihe der Band.[9] Live-Konzerte im Hirschen hatten auch Pink Floyd, The Lords, The Kinks und weitere Bands. Auch im Hotel «Hirschen» wurde 1916 das dadaistische Manifest von Hugo Ball und seinen Künstlerkollegen geschrieben.[10]
- Gottfried Kellers einstiges Wohnhaus befindet sich im Niederdorf, am Rindermarkt 9. Der Schweizer Schriftsteller verbrachte seine Jugendzeit im «Haus zur Sichel». Er lebte von 1821 bis 1848 dort, mit Unterbrüchen.
- Die Zentralbibliothek Zürich, eine Stadt-, Kantons- und Hochschulbibliothek, befindet sich mitten im Niederdorf.
- Die kleine Niederdorfoper, ein schweizerdeutsches Musical (Theaterstück/Musikalisches Lustspiel), spielt im Niederdorf.
- Das Cabaret Voltaire ist ein Kulturort und befindet sich im Zürcher Niederdorf. Es gilt als Geburtsort des Dadaismus und war und ist Club, Ausstellungsraum, Bar und Bühne. Das Cabaret Voltaire befindet sich an der Spiegelgasse 1.

- Im Niederdorf am Zähringerplatz 6 befindet sich die Predigerkirche, eine evangelisch-reformierte Kirche und eine der vier grossen Altstadtkirchen Zürichs.
- Jedes Jahr jeweils am letzten Augustwochenende findet im Niederdorf das Dörflifest (Zürichdeutsch: Dörflifäscht) statt. Es ist Zürichs grösstes Quartierfest und lockt als Sommerfest jeweils Tausende Besucher ins Niederdorf.
- Der Rosenhof-Markt liegt mitten im Niederdorf: er befindet sich, ein wenig versteckt, in dem durch Wohnhäuser gebildeten grossen Innenhof «Rosenhof». Jeden Samstag von ca. März bis November ist dort Markt. Nebst vielen Geheimnissen aus fernen Ländern gibt es auch original Schweizer Handarbeit zu entdecken. Zum Angebot gehören Kleider, Schmuck, Edelsteine, Lederartikel, handgefertigte Töpfereien, antike Gegenstände und auch Streetfood.
- Viele historische Zunfthäuser befinden sich in der Zürcher Altstadt und ein Teil davon somit im Niederdorf, resp. auch im Oberdorf. Die Zunfthäuser dienen einerseits als Versammlungsort der jeweiligen Zünfte, beherbergen andererseits aber auch erstklassige Restaurants, die der Öffentlichkeit zugänglich sind.
- An der Spiegelgasse 14 wohnte 1916/1917 der russische Revolutionär und Politiker Lenin, der von hier aus die Russische Revolution startete. Eine Gedenktafel erinnert an den ehemaligen Bewohner.
- Das Obergericht des Kantons Zürich befindet sich im Niederdorf, am Hirschengraben 15.
- Ebenso im Niederdorf befindet sich das Theater Neumarkt, am Neumarkt 5.
- Die J.-R.-von-Salis-Anlage befindet sich am 'oberen Rand' des Niederdorfs, beim Obergericht. Die Anlage ist eine Grünfläche, die im Jahr 2006 zu Ehren von Jean Rudolf von Salis benannt wurde. Er war ein Schweizer Historiker, Schriftsteller und Publizist. Zudem war er ein wichtiger Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs und eine der interessantesten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1935 folgte Von Salis dem Ruf der Eidgenössischen Technischen Hochschule als Professor für Geschichte nach Zürich, wo er bis 1968 lehrte. 1940 wurde er vom Schweizer Bundesrat beauftragt, für das Radio Berichte zur internationalen Lage zu verfassen. Bis 1947 sprach Von Salis jeden Freitagabend von Zürich aus in der Sendung Weltchronik (Radio Beromünster) über die aktuelle politische Lage. Die Sendung konnte über die Landesgrenzen hinaus auch in den besetzten Gebieten empfangen werden und stellte damit ein ernsthaftes Gegengewicht zur Propaganda der Nationalsozialisten dar. Von Salis wurde mit seiner Weltchronik zu einer «Stimme der Nation»; im Ausland wurde er als Synonym für schweizerische Integrität wahrgenommen. Seine Sendung Weltchronik war in Europa beliebt als «Stimme der Freiheit».[11][12]
- Der Beginn der Zürcher Fasnacht wird jeweils am 11.11. (um 11.11 Uhr) im Niederdorf (Altstadt/Aussenquartiere) gefeiert. Der ZüriCarneval dann ist im Februar oder März, mit verschiedenen Anlässen, in der Zürcher Altstadt. So auch mitten im Niederdorf: dort findet auf dem Hirschenplatz das „Minira Guggestadl“ statt; während drei Tagen geben in einem beheizten Zelt verschiedene „Guggenmusiken“ (also zumeist Blaskapellen) ihr Repertoire an karibischer und lateinamerikanischer Musik zum Besten.[13][14]
Persönlichkeiten
- Johann Caspar Lavater (1741–1801), Pfarrer, Philosoph und Schriftsteller (geboren an der Spiegelgasse 11, lebte bis 1778 dort)
- Gottfried Keller (1829–1890), Schriftsteller, Dichter, Maler und Politiker (wuchs am Rindermarkt auf)
- Dora Koster (1939–2017), Schriftstellerin, Malerin und Prostituierte
- Beat Schlatter (* 1961), Kabarettist, Schauspieler und Drehbuchautor
Bilder
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Stüssihofstatt, Ansicht vom Limmatquai
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Höhe Hirschenplatz
Trivia
- Der irische Schriftsteller James Joyce, der längere Zeit in Zürich gewohnt und gearbeitet hat, nannte das Zürcher Niederdorf «Neederthorpe».[15]
- Der Schlagersänger, Showmaster und Schauspieler Vico Torriani startete seine Karriere im Zürcher Niederdorf.[16]
- Marktgasse: Die Marktgasse, inmitten des Niederdorfs gelegen, war die wichtigste Strasse im mittelalterlichen Zürich und Zürichs zentrale Gasse. Sie war in früheren Zeiten eine enge, schmale, nadelöhrartige Gasse, durch die sehr viele Fuhrwerke und Kutschen und meist in schnellem Tempo verkehrten. Sie galt als Zufahrtsstrecke in die Stadt Zürich und wurde somit auch von ausländischen Fuhrleuten genutzt. Nicht selten kam es damals zu Staus und Stockungen, was die nicht zartbesaiteten Fuhrleute mit wilden Sprüchen und Flüchen quittierten. Daher nannte man die enge Gasse auch «Fluchgasse». Unter der Marktgasse befindet sich zudem ein Tunnel: Ein unterirdischer Gang verbindet die beiden Liegenschaften Marktgasse Nr. 14 (Hotel Goldenes Schwert) und Nr. 17 (ehemals Hotel Rothus) und wurde anlässlich von Umbauarbeiten im Jahr 1952 erstellt. Der Tunnel wurde einerseits für die Warenanlieferung und den Warenaustausch zwischen den beiden Liegenschaften genutzt. Da beide Hotelbetriebe dem gleichen Hotelier gehörten, machte diese Einrichtung in der engen Altstadt durchaus Sinn. Gemäss Zeitzeugen wurde der Tunnel zudem von Mitarbeitern der Hotelbetriebe und vor allem von Mitarbeiterinnen und Künstlerinnen der dort einquartierten Variétés genutzt. Der Tunnel besteht noch heute.[17][18]
Einzelnachweise
- ↑ Leben im Durchstich, zuerich1.ch, Altstadt Kurier
- ↑ Schweizer Heimatschutz.
- ↑ Mario Stäuble: Vom «Augenpuff» zum Heimatkino. In: Tages-Anzeiger vom 30. Dezember 2012.
- ↑ Elmar Melliger: Im «Radium» ist das Licht aus. In: Altstadt Kurier.
- ↑ Stadtarchäologie ( des vom 8. Mai 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Von: Webseite www.alt-zueri.ch. Abgerufen am 25. August 2025.
- ↑ Berufsfeuerwehr
- ↑ Der Mann, der das Niederdorf abreissen wollte, Tagblatt der Stadt Zürich, 23. September 2014
- ↑ Boris Schlatter: Ozzy Osbourne: In Zürich feilte Black Sabbath am Urknall des Hardrock [1] In: swissinfo.ch. 24. Juli 2025. Abgerufen am 5. August 2025.
- ↑ Von: Webseite www.hirschen-zuerich.ch Abgerufen am 25. August 2025.
- ↑ Von: Webseite www.gebrueder-duerst.ch Abgerufen am 25. August 2025.
- ↑ Von: Webseite www.srf.ch Abgerufen am 25. August 2025.
- ↑ Von: Webseite www.zurichcarneval.ch. Abgerufen am 25. August 2025.
- ↑ Von: Webseite www.zuerich.com. Abgerufen am 25. August 2025.
- ↑ [2] Von: www.zuerich.com. Abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ [3] Von: www.perlentaucher.de. Abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ Von Webseite: www.perlentaucher.de. Abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ Von Webseite: www.gebrueder-duerst.ch. Abgerufen am 30. August 2025.
Weblinks
Koordinaten: 47° 22′ 24″ N, 8° 32′ 42″ O; CH1903: 683559 / 247533