Niki Glattauer

Nikolaus „Niki“ Glattauer (* 1. Jänner 1959 in Zürich; † 4. September 2025 in Wien) war ein österreichischer Journalist, Buchautor, Kolumnist und Schuldirektor in Wien.
Leben
Herkunft und Journalismus
Niki Glattauer wurde in Zürich als erster Sohn des Journalisten Herbert O. Glattauer, eines Wieners mit böhmisch-jüdischen Wurzeln, der als Reporter für die Schweizer Boulevardzeitung Blick arbeitete, und einer Kärntner Slowenin geboren.[1] Nach der Geburt seines Bruders Daniel, der später Schriftsteller wurde, zog die Familie 1960 nach Wien in einen Gemeindebau in Favoriten, wo Glattauer aufwuchs.
Bis Mitte der 1990er Jahre war Glattauer, beruflich seinem Vater nachfolgend, als Journalist tätig. Er arbeitete, zum Teil in leitenden Positionen, für die Tageszeitungen Die Presse, Kronen Zeitung, Kurier und Arbeiter-Zeitung sowie für das Wochenmagazin News, dort zuletzt in der Funktion eines stellvertretenden Chefredakteurs. Aus privaten Gründen verließ er News und beendete seine Journalistenlaufbahn.
Lehrer und Autor
Als Quereinsteiger ließ sich Glattauer im Alter von fast 40 Jahren zunächst zum Lehrer für Hauptschulen (heute Mittelschulen), danach berufsbegleitend auch zum Lehrer für Sonderpädagogik ausbilden und begann 1998, nach einem Zwischenspiel als Chefredakteur von krone.online, an Wiener Schulen zu unterrichten. Von Herbst 2017 bis Ende 2020 war er Direktor der Allgemeinen Sonderschule in Wien-Meidling.[2][3]
Glattauer veröffentlichte seit 2002 zwölf Bücher, darunter zwei Romane und drei Kinderbücher. Seine Kinderbücher Schlaf gut, Susi! – Schlaf gut, schlaf! (2010) und Flucht (2017) wurden für die Kollektion des Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreises ausgewählt. Flucht wurde 2017 in einer Bühnenfassung im Rahmen des Theaterfestivals Schäxpir am Landestheater Linz uraufgeführt. Seine großteils erzählenden Sachbücher mit stark belletristischem Charakter, die aus persönlicher Perspektive Schule und Bildung thematisieren, erreichten allesamt Spitzenplätze in den österreichischen Bestsellerlisten, drei davon Platz 1, z. B. 2016 Best of Schule. Zum Weinen komisch, zum Lachen traurig. Das Buch Mitteilungsheft. Leider hat Lukas …, eine unter dem Motto „Eltern gegen Lehrer – das ist Brutalität!“ stehende Satire auf die Schule von heute, wurde 2014 mit dem Österreichischen Buchliebling in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet.
Im Februar 2018 erschien Ende der Kreidezeit. Ein bisschen Schule und der irre Rest des Lebens, eine autobiographische Satire, in der Glattauer die Tücken und Fallen der digitalisierten Alltagswelt thematisiert. Auch dieses Buch erreichte in Österreich Platz 1 der Bestsellerlisten.
Für die Tageszeitung Kurier verfasste Niki Glattauer die wöchentliche Kolumne Schule und der Rest des Lebens, unfreiwillig nach acht Jahren die letzte Ausgabe am 23. Dezember 2018.[4] Von 2019 an schrieb Glattauer eine Kolumne für das Boulevardmedium Heute unter dem Titel Glattauer gibt Noten, die letzte erschien im Juli 2025.[5][6]
Glattauer war von 2012 bis zum Frühjahr 2015 Juror beim Literaturpreis Ohrenschmaus für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Von 2016 bis 2022 war er im Präsidium des Instituts für Jugendliteratur. 2019 war er Mitglied der Jury für den internationalen Medienkunstwettbewerb Prix Ars Electronica, der unter anderem Projekte von Schülern und Jugendlichen unter dem Motto „Create Your World“ auszeichnet.
Namenserfindung Ötzi (1991)
Niki Glattauer, damals Ressortleiter Chronik der Arbeiter-Zeitung (AZ), wird die erstmalige Verwendung des Namens Ötzi für die 1991 gefundene Gletschermumie zugeschrieben. Der damalige Chefredakteur Peter Pelinka habe einen einprägsamen, griffigen Namen verlangt. Aus Vorschlägen seines Journalistenkollegen Karl Wendl wählte Glattauer „Ötzi“ aus:[7][8]
„Also Namensgebung: Es war mein Journalistenkollege Karl Wendl, heute berühmter Gratiszeitungsweltreporter, damals beruflich Hengst ohne festen Stall, der mich fünf Tage nach dem Fund in der AZ-Redaktion anrief, um mir titelblatttaugliche Namen für den ‚Mann aus dem Eis‘ vorzuschlagen. Darunter neben Labi (Fundort Hauslabjoch) und Simi (Similaunhütte) auch Ötzi (Ötztaler Alpen). Ich war damals Ressortleiter Chronik und somit für die 4000 Jahre alte Leich’ zuständig. Und mir gefiel der ‚Ötzi‘. Also schrieb ich für die S. 11 desselben Tages eigenhändig ca. 800 Zeichen mit dem Titel ‚Vom Ötzi und dem Arnold‘. In dieser Abendausgabe zum 26. 9. 1991 wurde aus dem ‚Eismann‘ der ‚Ötzi‘. Auf die Titelseite wollte mein Chefredakteur Peter Pelinka den ‚kindischen Namen‘ übrigens zwei Tage lang trotzdem nicht nehmen. Das erledigte ohne Genierer die Kronen Zeitung. Der Rest ist Geschichte.“
Privates
Niki Glattauer war Vater einer Tochter und eines Sohnes. Die Mutter seiner Kinder und damalige Ehefrau ist die aus China stammende diplomierte Krankenschwester Zhuofeng Glattauer-Wang.[1][10] Zuletzt hatte er eine Lebenspartnerin, die in Thailand lebte.[11]
Ende August 2025 bat Glattauer die ihm vertrauten Journalisten Christian Nusser (Newsflix.at) und Florian Klenk (Falter) in seine Gemeindebauwohnung in Favoriten, in der er aufgewachsen war und in die er nach dem Tod seiner Eltern zurückgezogen war. In seinem letzten Interview sprach er mit Nusser und Klenk über sein Leben und seinen, wegen seines fortgeschrittenen Gallengangskrebses, geplanten assistierten Suizid, der am 4. September 2025 vollzogen wurde.[12][13][14] Nach Glattauers Tod veröffentlichte Nusser in einem „Kopfnüsse extra“ auf Newsflix.at Details aus Glattauers Krankengeschichte, die veranschaulichen, dass Glattauer aufgrund seiner Krebserkrankung, aber auch aufgrund von Mängeln in der medizinischen Versorgung, keine Alternativen für die von ihm gewählte Art zu sterben sah.[11]
Publikationen
- Jakobus, Stiefsohn Gottes. Roman. Jung und Jung, Salzburg / Wien 2002, ISBN 978-3-902144-45-4.
- Die Päpste. (= Krone Wissen. Das Wichtigste in Kürze, Sonderband 1.) Holzhausen, Wien 2005, ISBN 978-3-85493-220-8.
- Im Vogelblick. Roman. Picus, Wien 2005, ISBN 978-3-85452-490-8.
- Schlaf gut, Susi! Schlaf gut, Schlaf! Mit Bildern von Verena Hochleitner. Nilpferd in Residenz, St. Pölten / Salzburg 2009, ISBN 978-3-7017-2050-7.
- Der engagierte Lehrer und seine Feinde. Zur Lage an Österreichs Schulen. Ueberreuter, Wien 2010, ISBN 978-3-8000-7484-6.
- Der Sternenblätterbaum. Mit Bildern von Verena Hochleitner. Nilpferd in Residenz, St. Pölten / Salzburg 2011, ISBN 978-3-7017-2086-6.
- Die Pisa-Lüge. Wie unsere Schule wirklich besser wird. Ueberreuter, Wien 2011, ISBN 978-3-8000-7514-0.
- Mitteilungsheft. Leider hat Lukas … (Und am Kugelschreiber Verena Hochleitner). Kremayr & Scheriau, Wien 2013, ISBN 978-3-218-00881-5.
- Leider hat Lukas schon wieder … (Und am Buntstift Verena Hochleitner). Kremayr & Scheriau, Wien 2015, ISBN 978-3-218-00992-8.
- mit Verena Hochleitner: Flucht. Mit Wassergeistern von Daniel Glattauer jun. Tyrolia, Innsbruck / Wien 2016. ISBN 978-3-7022-3560-4.
- Best of Schule. Zum Lachen traurig, zum Weinen lustig. Kremayr & Scheriau, Wien 2016 ISBN 978-3-218-01041-2.
- Ende der Kreidezeit. Ein bisschen Schule – und der irre Rest des Lebens. Mit 15 Bildern von Verena Hochleitner. Brandstätter, Wien 2018, ISBN 978-3-7106-0154-5.
Weblinks
- Literatur von und über Niki Glattauer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Falter: Niki Glattauer: „Ich will in Würde sterben“ auf YouTube, 2. September 2025 (Interview mit Niki Glattauer, Florian Klenk und Christian Nusser; Laufzeit: 50:01).
Einzelnachweise
- ↑ a b Glattauer: „Kinder schmoren im eigenen Saft“. Interview. In: Kurier.at. 5. Dezember 2011, abgerufen am 3. September 2025 (hier: Zur Person: Vom Schreiber zum Lehrer).
Pädagoge im Talk: „Verschleierte Mütter schicke ich weg“. Gespräch. In: Krone.at. 3. September 2016, abgerufen am 3. September 2025 (hier: Zur Person). - ↑ Glattauer: Schulapparat „ist nicht ehrlich“. In: wien.ORF.at. 9. Januar 2021, abgerufen am 3. September 2025.
- ↑ Der Amtsführende Präsident des Stadtschulrates für Wien hat betraut. (PDF; 370 kB) In: Verordnungsblatt des Stadtschulrates für Wien. Nr. 9/2017, 1. November 2017, S. 10, abgerufen am 3. September 2025: „Herrn Dipl.-Päd. Nikolaus Glattauer, BEd […] vom 4. September 2017 an mit der Leitung der Allgemeinen Sonderschule 1120 Wien, Rosasgasse 8.“
- ↑ Niki Glattauer: Danke, KURIER! Niki Glattauers letzte Kolumne im KURIER. In: Kurier.at. 23. Dezember 2018, abgerufen am 3. September 2025.
- ↑ Nachrichten zum Thema Glattauer gibt Noten. Übersichtsseite. In: Heute.at. Abgerufen am 3. September 2025.
- ↑ Christian Nusser: Abschied von Niki Glattauer: „Krebs ist kein Feind, ich will ihn nicht bekämpfen“. In: Heute.at. 2. September 2025, abgerufen am 3. September 2025.
- ↑ Niki Glattauer: Vom Ötzi und dem Arnold. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 26. September 1991, S. 11.
- ↑ Lorelies Ortner: Von der Gletscherleiche zu unserem Urahn Ötzi. Zur Benennungspraxis in der Presse. In: Deutsche Sprache. Ausgabe 2/1993, S. 97–127.
- ↑ Niki Glattauer: Von der Mahü und vom Ötzi. In: Kurier.at. 31. März 2014, abgerufen am 3. September 2025.
- ↑ TV-Tipps: Switchlist: Mehr TV-Tipps für Samstag. In: Der Standard. 23. September 2011, abgerufen am 3. September 2025 (hier: Talkshow: Stöckl am Samstag: Faszination Asien – Inspiration für den Westen): „Zu Gast sind […] das Ehepaar Niki Glattauer und Zhuofeng Glattauer-Wang …“
- ↑ a b Christian Nusser: Abschied von Niki: „Hoffentlich erlebe ich meinen Tod noch“. Kopfnüsse extra. In: Newsflix.at. 5. September 2025, abgerufen am 6. September 2025.
- ↑ Florian Klenk, Christian Nusser: Begleiteter Suizid: „Ich will in Würde sterben“, sagt Niki Glattauer. Interview. In: Falter. Nr. 36, 2025, ZDB-ID 2133088-8 (Online [abgerufen am 3. September 2025]).
- ↑ Christian Nusser: Niki Glattauer: „Ich bin nicht einer, der um jeden Preis leben will“. In: Newsflix.at. 2. September 2025, abgerufen am 3. September 2025.
- ↑ 1959–2025: Nikolaus „Niki“ Glattauer verstorben. In: wien.ORF.at. 4. September 2025, abgerufen am 4. September 2025.