Nicolaikirche (Sulingen)
Die Nicolaikirche, St. Nicolai in Sulingen im Landkreis Diepholz, Lange Straße 66, ist eine evangelische Kirche, die unter Denkmalschutz steht.
Geschichte
Gebäude
Eine erste Holzkirche stand an dieser Stelle wohl kurz nach 800.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstand die gotische Kirche zunächst als Feldsteinbau. Sie bestand aus einem einschiffigen Langhaus mit spitzbogigen Kreuzgratgewölben und leicht gspitzten Gurtbögen, östlich daran schließend wohl zunächst eine Apsis. Der Rechteckchor schließt noch mit einem romanischen Rundbogen an, hat aber schon ein spitzbogiges Kreuzrippengewölbe, allerdings noch mit Bandrippen. Vor dem Umbau zur dreischiffigen Hallenkirche wird für bald nach 1250 die Anfügung von Querhausarmen angenommen. Die Befunde, aus denen die Baugeschichte erschlossen ist, ergeben allerdings kein widerspruchsfreies Bild.
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Mittelschiff mit Chor und neuem Polygon
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Östliche Teile des Südschiffs
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Kreuzgratgewölbe des Mittelschiffs und Orgelempore
Das als ältester Erweiterungsschritt zu Hallenkirche angenommene schmale Nordseitenschiff hat allen Teilen noch Kreuzgratgewölbe, aber schon Spitzbögen. Das als südlicher Kreuzarm gedeutete Joch des Südseitenschiffs hat noch Kreuzgratgewölbe, aber dieselbe Breite wie dessen übrige Joche. Das symmetrisch dazu liegende Joch des Nordseitenschiffs ist genauso schmal, wie dessen übrige Joche. Die beiden Joche der in Fortsetzung dieses Schiffs nördlich neben dem Chos liegenden Sakristei haben schon Kreuzrippengewölbe. Bei den Erweiterungen zur Hallenkirche wurden an die Stelle vorheriger Seitenwände Pfeiler aus Backstein gesetzt, der unter geschlämmten oberflächen teilweise auch heute erkennbar ist.in Umbau zur heutigen vollzog sich in mehreren Schritten und ist an den Baubefunden nicht vollständig ablesbar. Das schmale Nordseitenschiff wurde um 1450 (?) angefügt. Gleichzeitig erhielt die Kirche eine Sakristei mit zweijochigem Kreuzrippengewölbe. Über der Sakristei war früher die Patronatsloge. Im 15. Jahrhundert wurde das Südseitenschiff um ein weiteres Joch bis zur Flucht der Chorwand verlängert.
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Taufstein aus dem 13. Jh., heute im Südostjsch
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Südseitenschiff nach Osten, geschlämmte Backsteinpfeiler -
Nordseitenschiff nach Westen
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Nordseitenschiff nach Osten
Erst 1854 wurde der Chor mit dem olygonalen Abschluss versehen. 1878 wurde die Kirche nach Plänen von Konsistorialbaumeister Conrad Wilhelm Hase insgesamt stark erneuert. Nicht nur die Fassaden und Strebepfeiler sind neugotisch. Die Längswände wurden unterhalb der Schildbögen vollständig ersetzt und unter den Fenstern Nischen für die Heizkörper einer Zentralheizung angelegt. Die neugotische Ausgestaltung des Innenraumes wurde 1965 entfernt, um dem älteren, mittelalterliche Gestaltung zu betonen.[1]
Der Turm aus Feldsteinen stammt aus der Zeit vor 1417. 1705 brannte er ab. Nach dem Wiederaufbau von 1729 war er 18 Meter hoch. 1907/08 erhielt der quadratische nun ca. 50 Meter hohe Turm eine neue Turmspitze.
Innen
Die kreuzförmigen Backsteinpfeiler stützen die Kirche, welche heute ca. 450 Sitzplätze hat. Die Ausmalung der Gurtbogen (schwarz/rot, weiße Streifen) soll auf einen Befund erfolgt sein.
Wandmalerei im Altarraum aus dem frühen 14. Jahrhundert: Die 1898 wieder entdeckte Malerei wurde auf der mittelalterlichen Grundlage 1901 von Reinhold Ebeling freigelegt, restauriert, geändert und ergänzt. Figuren: Erzengel Michael, Johannes, Andreas, Bartholomäus, Jakobus der Ältere, Petrus und Apostel Paulus
Taufstein: Graf Heinrich II von Hoya stiftete 1290 der Sulinger Kirche einen Taufstein mit Akanthus- und Rundbogenfries. Er wurde 1875 bei der Neugestaltung entfernt, war dann Blumenkübel und wurde 1965 wieder aufgestellt.
Altarkreuz, versilbert mit Bernstein von 1970 und
Kruzifix von 1902
Sandsteinrelief mit Kreuzigung vom 14. Jahrhundert: Heute an der Ostwand, früher an der Außenseite des Turmes.
Fünf Kirchenfenster der Apsis im Chorraum von 1966 nach Entwürfen des Hamburger Kunstglasers Gerhard Hausmann.
Altarbild des segnenden Christus von 1844 sowie weitere Bilder und Figuren.
Paramente an Altar, Kanzel und Pult in den jeweiligen liturgischen Farben Violett, Weiß, Rot und Grün.
Orgel
Die erste Orgel wurde 1672 erwähnt. Die heutige Orgel von 1957 bzw. 1967 hat 22 Register. Das barocke Orgelprospekt und Teile des Rückpositivs stammen im Wesentlichen von 1739 vom Orgelbauer Christian Vater. Das Instrument soll durch einen Neubau der Orgelbaufirma Bente (in Kooperation mit einem französischen Orgelbauer) ersetzt werden.[2]
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Nebengebäude
Südlich der Kirche steht das stattliche ehemalige Pfarrhaus als Fachwerkbau von 1721, das zur Superintendentur und in den 1980er Jahren das Bürgerhaus der Stadt wurde.
Glocken
Vor 1700 soll mindestens eine Glocke existiert haben, die 1705 bei einem Turmbrand geschmolzen ist. Ersatz schuf 1713 der Glockengießer Eckart Christoph Becker aus Hildesheim mit zwei Schlagglocken und eine Läuteglocke. 1729, mit dem Wiederaufbau des Turmes, kamen die Glocken an ihren Bestimmungsort.
1908 spendeten die in Sulingen geborenen Kaufleute Melloh aus Breme das Geld für die Erhöhung des Turmes und für zwei neue Glocken. Diese wurden bei der Glockengießerei J. J. Radler in Hildesheim gegossen. Die Glocken in den Tönen c‘ und g‘ ergänzten die es‘ zu einem Molldreiklang. Diese Glocken mussten im Ersten Weltkrieg abgegeben werden, und es verblieb nur die alte Glocke von 1713. Als Ersatz goss man 1927 wieder zwei Glocken, dieses Mal aber bei der Glockengießerei Rincker in Sinn/Hessen. Die Glocken mit den Tönen c‘ und f‘ ergaben fortan mit der alten Glocke das TeDeum-Motiv.
Im Zweiten Weltkrieg standen erneut die beiden neuen Glocken vor der Ablieferung. Die alte Glocke sollte ein weiteres Mal behalten werden. Aufgrund eines Fehlers wurden jedoch die neue große Glocke und die alte Glocke abgegeben. Die kleine, neue Glocke wurde im Turm zurückgelassen. Die große Glocke von 1927 wurde eingeschmolzen. Man bemerkte jedoch den Fehler mit der alten Glocke, sodass sie nicht eingeschmolzen wurde und auf dem Glockenfriedhof in Hamburg verblieb. 1949 bekam die Sulinger Gemeinde eine Postkarte, dass die Glocke gefunden wurde und in Verden abgeholt werden könne. Dies tat man, sodass die Glocke an Weihnachten 1949 das erste Mal wieder mit der kleinen Glocke läutete.
Da die große Glocke weiterhin fehlte, beschloss man, diese ein drittes Mal zu gießen. Das Geld sammelte man mithilfe von Konfirmanden, die von Haus zu Haus gingen. 1957 wurde dann wieder bei der Glockengießerei Rincker in Sinn die große Glocke mit dem Ton c‘ gegossen. Das Geläut ist seitdem unverändert.
2024 wurde die Glockenanlage saniert.[3]
Uhrglocken
Die Uhrglocken hingen bis in die 1960er-Jahre in jeweils einer Gaube an der Süd- und an der Ostseite des Turmes. Bei einer Erneuerung des Kupferdachs der Turmspitze wurde die Gaube an der Ostseite entfernt. Über den Verbleib der Glocke weiß man nichts. Die zweite Glocke wurde erst später vom Turm abgelassen und wurde der Stadt für den neuen städtischen Friedhof geschenkt.[4]
Glockendaten
| Nr.[5] | Gießer | Gussjahr | Durchmesser
(mm) |
Gewicht
(kg) |
Schlagton | Solofunktion |
|---|---|---|---|---|---|---|
| 1 | Glockengießerei Rincker / Sinn | 1957 | 1.494 | 1.956 | c'+5 | Totenglocke
Karfreitag |
| 2 | Eckart Christoph Becker | 1713 | 1.311 | 1.350 | es'+7 | Vater Unser
Passionswoche |
| 3 | Glockengießerei Rincker / Sinn | 1927 | 1.161 | 957 | f±0 |
Läuteordnung
Die Sulinger Glocken läuten seit Ende 2023 gemäß einer neuen Läuteordnung. Der Uhrschlag erfolgt durch die kleine Glocke. Eine Besonderheit ist der Betschlag, der nach dem Uhrschlag um 07:01 Uhr, 12:01 Uhr und 19:01 Uhr heute auf der großen Glocke erklingt. 1719 wurde er nach einem Brand eingeführt, um an das tägliche Gebet zu erinnern. Täglich erklingt um 18 Uhr seit 2023 das Abendläuten durch die große und die kleine Glocke.
Am Samstag ergänzt die mittlere Glocke zum vollen Geläut, um den Sonntag einzuläuten. Sonntagabend ergänzt ebenfalls die mittlere Glocke das Abendläuten, um die Bedeutung des Sonntags zu unterstreichen. Sonntags um 8 Uhr wird ebenfalls für zehn Minuten geläutet. Die vorangegangenen Regeln gelten auch für Festtage. Sonntags- und Festgottesdienste, Taufen und Hochzeiten werden zehn Minuten mit allen Glocken eingeläutet. Nach dem Gottesdienst läuten die Glocken den Gottesdienst aus. Das Teilgeläut der beiden großen Glocken ergibt eine Mollterz, welche passend dazu am Gründonnerstag, am Buß- und Bettag und am Ewigkeitssonntag erklingt.
Ein solistisches Läuten ist möglich. Die große Glocke läutet am Vortag einer Beerdigung auf dem kirchlichen Friedhof um 12:05 Uhr für 10 Minuten sowie beim Gang zum Grab. Auf dem Stadtfriedhof wird mit der dort hängenden Glocke geläutet. Zudem läutet sie an Karfreitag solistisch. Die mittlere Glocke läutet in der Passionswoche von Montag bis Mittwoch zu den Passionsandachten.[6]
Kirchengemeinde
Die ev. luth. Kirchengemeinde Sulingen im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers hat u. a. Gruppen und Kreise für Jugendliche, Familien, Frauen, Männer, Senioren, Gitarre und als Posaunenchor sowie eine Kindertagesstätte.
Weblinks
- Kirchengemeinde Sulingen
- Rundgang durch die Kirche
- Landschaftsverband Weser-Hunte: Broschüre Mittelalterliche Dorfkirchen in den Landkreisen Diepholz und Nienburg/Weser, 2. Aufl. 2013, als PDF, S. 29/30
Einzelnachweise
- ↑ Dehio: Bremen/Niedersachsen 1977
- ↑ Informationen zur neuen Orgel
- ↑ Zeitungsartikel Kreiszeitung.de, Informationen Kirchengemeinde
- ↑ Kirchenarchiv, Kircheninterne Chronik
- ↑ Glockendaten A. Philipp / Glockensachverständiger Landeskirche Hannover
- ↑ Jörn Bergmann: Überarbeitete Läuteordnung Sulingen St. Nicolai. In: sulingen.wir-e. 21. April 2025, abgerufen am 27. August 2025.
Koordinaten: 52° 40′ 55,8″ N, 8° 48′ 2,3″ O