Nichtaggressionsprinzip
Das Nichtaggressionsprinzip (oft auch NAP für Non-Aggression Principle) ist eine der wichtigsten Grundideen des Libertarismus und des Anarchokapitalismus. Die Philosophie des Libertarismus baut auf der Grundlage der Nichtaggression auf, weil jegliche Aggression die Freiheit anderer verletzt. Dieses Prinzip besagt, dass Einsatz von Gewalt oder die Drohung damit ausschließlich als Notwehr und in den Augen einiger Theoretiker als Bestrafung[1] zulässig sind.
Herleitung
Das Nichtaggressionsprinzip wird damit begründet, dass jeder Mensch alleiniger Eigentümer seines eigenen Körpers ist und das alleinige Verfügungsrecht (die Freiheit, das Eigentum nach eigenem Ermessen unbeschränkt zu nutzen) darüber hat. Dasselbe gilt für den mit Hilfe des eigenen Körpers geschaffenen Wohlstand.
Anwendung und Implikationen
Aus dem Prinzip ergeben sich zahlreiche politisch-ethische Folgerungen:
- Staaten, die Gewalt gegen Bürger einsetzen (z. B. erhöhte Polizei- oder Militäraufgaben), müssen sich an Recht und Rechtfertigung orientieren, sonst verstoßen sie gegen NAP.
- Zwang durch Steuern wird von manchen Libertären als Aggression angesehen, wenn er nicht auf der freiwilligen Zustimmung basiert.
- Verträge und Eigentumsrechte sind fundamental: Wer sie verletzt, greift in die Freiheit und das Eigentum anderer ein.
Kritik & Herausforderungen
Das Nichtaggressionsprinzip ist in der Praxis nicht ohne Herausforderungen und wird oft kritisiert:
Definition von Aggression
Wann genau ist etwas ‚Aggression‘?
- Ist es z. B. „vorbeugende“ Gewalt, wenn jemand glaubt, eine andere Person könnte in Zukunft aggressiv werden?
- Ist unterlassene Hilfeleistung Aggression?
- Wie verhalten sich indirekte Schädigungen (z. B. Umweltverschmutzung)?
Grenzfälle bei Eigentum und Vertrag
- Wenn zwei Eigentümer unterschiedliche Auffassungen haben, wessen Eigentumsrecht gilt?
- Was passiert mit „kollektiven“ Gütern / Ressourcen?
- Wie regelt man Situationen, in denen Eigentumsrechte historisch problematisch sind (z. B. durch Enteignung, Kolonialismus)?
Staat und öffentliche Güter
Manche Aufgaben wie Infrastruktur, öffentliche Sicherheit, Umwelt-Regulierung etc. sind schwer rein freiwillig zu regeln. Viele, die das NAP akzeptieren, sehen aber dennoch eine legitime Rolle des Staates oder freiwilliger Organisationen – aber oft sehr eingeschränkt.
Durchsetzung und Sanktionen
- Wenn jemand gegen das Prinzip verstößt, wie und durch wen wird das geahndet?
- Wer darf bestrafen, und nach welchen Regeln?
- Gibt es Institutionen, die legimiert sind, diese Funktion zu übernehmen?
Literatur
- Murray Rothbard, Die Ethik der Freiheit. ISBN 3-89665-086-6
Einzelnachweise
- ↑ Murray N. Rothbard: The Ethics of Liberty, S. 85 ff.. New York University Press, 1998.