Neuer Friedhof (Gießen)

Hauptgebäude in der Friedhofsallee 43

Der Neue Friedhof (Friedhof am Rodtberg) ist ein Friedhof in Gießen.

Geschichte

Nachdem der 1530 vor den Festungswällen Gießens angelegte Alte Friedhof trotz mehrfacher Erweiterungen nicht mehr ausreichte, wurde Ende des 19. Jahrhunderts die Anlage eines neuen Friedhofs geplant.[1] Der Neue Friedhof wurde im Jahre 1875 eingeweiht, um die steigende Nachfrage nach Begräbnisstätten in Gießen zu decken. Die Wahl des Standorts auf einem Hügel entsprach zeittypischen hygienischen Überlegungen. Der damalige Oberbürgermeister Feodor von Gnauth war seiner Zeit weit voraus, da er einen konfessionsneutralen Friedhof mit einer Kapelle für eine interkonfessionelle Nutzung vorsah. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der Stadtverordnetenversammlung, die auf der Anbringung christlicher Symbole bestand.[1] Gnauths Nachfolger Anton Mercum schlug daher vor, für die jüdischen Gemeinden eine eigene Trauer- und Leichenhalle zu errichten.[1] Diese konnte gleichermaßen von orthodoxen wie von liberalen Juden genutzt werden und entstand in unmittelbarer Nähe zum jüdischen Gräberfeld. Mit der ersten offiziellen Beisetzung am 6. Juli 1903 wurde der Friedhof seiner Bestimmung übergeben. Der ursprüngliche Friedhof war viel kleiner und wurde später mehrmals erweitert, um den Bedürfnissen der wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden. 1926 wurde auf dem Friedhof das erste Gießener Krematorium eröffnet, das heutige Gebäude von 1975 gilt als eines der ersten CO₂-neutral betriebenen Krematorien Deutschlands. Der klimaneutrale Betrieb wurde 2017 durch technische Modernisierung und ökologische Ausgleichsmaßnahmen erreicht.[1][2]

Lage

Der Friedhof liegt auf dem Rodtberg im nördlichen Teil der Stadt und erstreckt sich über eine Fläche von rund 8 Hektar.

Architektur und Gestaltung

Die Architektur des Friedhofs spiegelt verschiedene Epochen wider, von neoklassizistischen Mausoleen bis hin zu modernen Grabstätten. Einige der ältesten Gräber datieren zurück bis ins 19. Jahrhundert und sind reich verziert mit kunstvollen Grabsteinen und Grabmalen.

Gräber

Gruft der Familie Poppe
Gruft der Familie Heyligenstaedt

Der Friedhof beherbergt die Gräber bedeutender Persönlichkeiten aus Gießen und der umliegenden Region, so z. B. von Ludwig Emmelius, Thea Altaras und Stefan Bellof. Seit 1908 besteht auf dem Gelände ein eigener jüdischer Friedhof, der durch eine eigene Trauerhalle ergänzt wurde. Diese Konstruktion ermöglichte aufgrund ihres teilbaren Dachs auch orthodoxen Trauergästen, an Beisetzungen teilzunehmen. 1982 wurde zum Gedenken an die während der Shoah deportierten Gießener Jüdinnen und Juden eine Gedenksäule errichtet. Bis heute finden hier Bestattungen statt.[3] Seit 1995 gibt es auf dem Neuen Friedhof ein muslimisches Gräberfeld.[4]

Auf dem Friedhof befinden sich zudem vier Gräberfelder mit etwa 1400 Gräbern der Opfer beider Weltkriege. Die Gräber der polnischen Bürger befinden sich überwiegend auf dem sogenannten „Ehrenfriedhof Ostarbeiter“ in Feld I N. Begraben wurden hier etwa 260 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, hauptsächlich aus der UdSSR und Polen.[5]

1999 wurde in einem dafür neu angelegten Teil des Neuen Friedhofs ein eigenes Kindergrabfeld für Sternenkinder eröffnet, mit der Skulptur „Geborgen“ in der Mitte.

Literatur

  • Dagmar Kuhle: Der Gießener Neue Friedhof auf dem Rodtberg – ein Friedhof mit ‚landschaftlicher’ Gestaltung. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 92. 2007, S. 137–149, doi:10.22029/jlupub-3942.
Commons: Neuer Friedhof (Gießen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Der Friedhof am Rodtberg– eine neue Ära bricht an. In: www.traenkner-bestattungen.de. Abgerufen am 10. September 2025.
  2. Krematorium Gießen: Klima. Abgerufen am 10. September 2025.
  3. Die jüdischen Friedhöfe in Gießen (Kreisstadt, Hessen). Abgerufen am 10. September 2025.
  4. Gießen: 180 Gräber am Friedhof gen Mekka gerichtet. 14. Oktober 2020, abgerufen am 10. September 2025.
  5. Cmentarz. Abgerufen am 31. März 2024.

Koordinaten: 50° 36′ 5,1″ N, 8° 41′ 0,8″ O