Natalie Amiri
.jpg)
Natalie Amiri (persisch ناتالی امیری; * 11. Juli 1978[1] in München, bis 2019 auch Natalie Durst) ist eine deutsch[2]-iranische[3] Journalistin, Fernsehmoderatorin, Diplom-Orientalistin und Buchautorin. Seit 2014 moderiert sie den Weltspiegel aus München, außerdem das BR-Europa-Magazin euroblick. Sie leitete von 2015 bis 2020 das ARD-Studio in Teheran. Seit 2024 arbeitet sie in Vertretung für das ARD-Studio in Tel Aviv.
Leben
Natalie Amiri wurde 1978 als Tochter der Deutschen Ellen Amiri und des Iraners Roohollah Amiri in München geboren und wuchs dort auch auf. Ihr aus Yazd stammender Vater kam 1965 aus dem Iran nach Deutschland,[4][5] um als Teppichexperte in Stuttgart zu arbeiten, und eröffnete später in München nahe des Isartors ein eigenes Teppichgeschäft. Sie hat eine zwei Jahre jüngere Schwester.
Erstmals 1982, während des Ersten Golfkriegs, begleitete Amiri ihre Mutter und ihre Schwester auf einer Reise in den Iran. 1985 konvertierten die drei Frauen zum Katholizismus.[6] Während ihrer Schulzeit, die sie an einer Waldorfschule verbrachte, lebte Amiri fünf Monate in Los Angeles bei einer aus dem Iran stammenden jüdischen Familie.[7]
1996 absolvierte Amiri ein Praktikum in einem Krankenhaus in Teheran. Kurz nach dem Bestehen des Abiturs in München, das sie als externe Bewerberin ablegte, reiste sie 1998 erneut nach Teheran und erhielt dort die Zusage für ein Praktikum bei der von dem Reformer Maschollah Schamsolwaezin[8] (* 1957) herausgegebenen Zeitung Asr-e Azadegan (persisch عصر آزادگان, DMG ʻAṣr-e āzādegān, ‚Das Zeitalter der Befreiten‘[9]) und arbeitete mit namhaften Journalisten wie Akbar Gandschi, Ebrahim Nabavi, Massoud Behnoud und Hossein Derakhshan zusammen, die bis zum Verbot der Zeitung im Jahr 2000 für diese tätig waren.[10]
Amiri studierte ab 1999 Orientalistik und Islamwissenschaft mit dem Schwerpunkt Iranistik (bei Professor Bert Fragner) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, verbrachte mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes je ein Auslandssemester an den Universitäten in Teheran (ab September 2001) und Damaskus und schloss das Studium im Mai 2005 als Diplom-Orientalistin ab. Anschließend arbeitete sie zwei Jahre in der Presse- und Politikabteilung der deutschen Botschaft in Teheran. Ab 2007 berichtete sie als Korrespondentin aus dem ARD-Studio Teheran, wo der deutsche Fernsehjournalist Peter Mezger ihr journalistischer Mentor war.[11]
Im Juli 2011 kehrte Amiri nach Deutschland zurück[12] und war fortan als freie Journalistin bei der ARD für die Sendungen Tagesthemen, wo sie auch die Politik des türkischen Präsidenten Erdoğan immer wieder kritisierte, Tagesschau, ARD-Morgenmagazin, ARD-Mittagsmagazin sowie die Fernseh- bzw. Hörfunksender Phoenix, Tagesschau24, Deutsche Welle und Deutschlandradio tätig.[13]

Im März 2014 übernahm Amiri von Bernhard Wabnitz den Moderatorenplatz des Bayerischen Rundfunks (BR) beim Weltspiegel im Fernsehprogramm Das Erste.[14] Seit demselben Jahr moderiert sie auch das Europamagazin des BR, Euroblick und kommentiert seit 2017 für den BR zudem regelmäßig aktuelle Themen in den Tagesthemen. 2015 wurde sie als Autorin von Die Story im Ersten: Tod vor Lampedusa – Europas Sündenfall für den 9. Marler Medienpreis Menschenrechte von Amnesty International nominiert.[15] 2018 war sie für ihre Reportage Verschwunden in Deutschland – Auf der Suche nach vermissten Flüchtlingsjungen für den Grimme-Preis nominiert.[16]
Im Mai 2020 gab Amiri die Leitung des Teheraner ARD-Studios ab, die sie seit Juni 2015 innehatte, da eine sie betreffende Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorlag.[17] Ihre Nachfolgerin ist Katharina Willinger.[18] Das Auswärtige Amt hatte bereits im Sommer 2019 befürchtet, dass Amiri, die aus Teheran auch über Hinrichtungen, Drogenkonsum, für ihre Rechte kämpfende Frauen und afghanische, aus dem Iran nach Syrien geschickte Söldner berichtete, als politische Geisel genommen werden könnte, um sie als Druckmittel gegenüber der deutschen Regierung einzusetzen. In einem Interview mit dem Fernsehmagazin Zapp erklärte Amiri, mehrfach im Iran verhaftet und verhört worden zu sein,[17] und sie dürfe nicht mehr einreisen.
Einer 2010 mit Drohungen verbundenen Aufforderung zur Zusammenarbeit seitens vom Ministerium für Kultur und islamische Führung autorisierten Personen folgte sie nicht. In einem Interview mit der Abendzeitung gab sie an, dass der iranische Geheimdienst versucht habe, sie als Spionin anzuwerben.[19] In ihrem im Dezember 2020 erschienenen Buch Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran schreibt sie als Fazit ihrer Berufsjahre in Teheran: „Ich kenne in der gesamten islamischen Welt keine so unislamische Gesellschaft wie die des Iran.“[20]

Amiri moderierte im Februar 2021[21] zusammen mit dem Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Wolfgang Ischinger, die Beyond Westlessness: Renewing Transatlantic Cooperation, Meeting Global Challenges betitelte MSC-Spezialausgabe 2021. Auf den Medientagen München 2021 äußerte sie in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass die Straßen in Afghanistan nach der Übernahme der Regierungsgewalt durch die Taliban sicherer geworden seien, Kriminalität und mafiöse Strukturen seien zerschlagen worden.[22]
Privates
Neben Deutsch und Persisch spricht die in München lebende Amiri Englisch, Französisch und Arabisch.[13] Sie war mit einem Deutschen verheiratet und hieß bis 2019 Natalie Durst. Sie zog ihren 2003 geborenen Sohn Kian alleinerziehend auf.[23][24] Von 2017 bis 2020 war der Sportreporter und Filmemacher Robert Hunke ihr Lebensgefährte.[25][26]
Auszeichnungen
Mit Interviews und Reportagen, unter anderem mit der 30-minütigen ARD-Reportage Die Terrorfront in Syrien wurde Amiri einer größeren Öffentlichkeit bekannt.[27] Für ihren Fernsehbeitrag Tod vor Lampedusa – Europas Sündenfall, der in der ARD im Oktober 2014 ausgestrahlt wurde, wurde sie gemeinsam mit Ellen Trapp mit dem Katholischen Medienpreis 2015 in der Kategorie „Elektronische Medien“ ausgezeichnet.[28] 2018 gewann sie den Kindernothilfe-Medienpreis für ihren Beitrag Verschwunden in Deutschland – Auf der Suche nach vermissten Flüchtlingsjungen.[29] Für die Berichterstattung aus dem Iran war Amiri für den deutschen Fernsehpreis 2019 in der Kategorie „Beste Information: Auslandsreporter“ nominiert.[30]
Für ein 2019 für den ARD-Weltspiegel veröffentlichtes Filmporträt über drei iranische Frauen (Großmutter, Mutter und Tochter), darunter der jungen Frau Reihaneh, die ein Musikvideo mit dem Song Happy (Pharrell-Williams-Lied) mitgedreht hatte, wurde ihr für einige Monate die Pressekarte entzogen. Im Februar 2020 würdigte das Medium Magazin Amiri als eine der zehn besten politischen Journalisten und sie erhielt für ihre Berichterstattung über den Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Iran einen Preis als „beste Politik-Journalistin des Jahres“ sowie für ihre vermittelnde Rolle als ARD-Korrespondentin und Moderatorin des Weltspiegels.[31] Im Jahre 2021 zeichnete sie das Medium Magazin mit dem ersten Platz und damit als beste Politikjournalistin des Landes aus. Die Begründung der Jury lautet: „Amiri berichtet professionell und kenntnisreich aus Krisenstaaten wie Afghanistan und Syrien. Mit Empathie, aber kritischem Blick auf die Regierungen zeichnet sie ein anschauliches und realistisches Bild dieser Länder. Ihr Buch ‚Zwischen den Welten‘ über ihre Erfahrungen im Iran wurde 2021 zum Bestseller. Mit ihrer unermüdlichen Arbeit trägt sie dazu bei, dass die Krisenregionen dieser Welt nicht vergessen werden.“[32]
2022 erhielt die Autorin und Journalistin den Publizistikpreis der Landeshauptstadt München. Im selben Jahr zeichnete sie die Jury des Nachrichtenmagazins Focus als eine der 100 Frauen des Jahres, die 2022 besonders inspiriert haben, aus.[33] Zu Beginn des Jahres 2023 wurde Amiri mit dem Kasseler Glas der Vernunft ausgezeichnet.[34] Als Begründung nennt die Findungskommission: „Sie beweist bei der Recherche viel Mut und schafft es, über das Erzählen von menschlichen Schicksalen, die Protestbewegung im Iran dem deutschen Publikum nahezubringen“.[35] Für ihren Einsatz um das Gemeinwohl erhielt sie im Februar 2024 den Bayerischen Verfassungsorden verliehen.[36]
2024 wurde sie mit dem Dr. Karl Renner Solidaritätspreis ausgezeichnet.[37] Ebenfalls 2024 wurde sie durch das Medium Magazin als Journalistin des Jahres in der Kategorie „Politik“ ausgezeichnet.[38] 2025 wurde sie mit der „Medaille für besondere Verdienste um den Freistaat Bayern in Europa und der Welt“ ausgezeichnet.[39]
Publikationen (Auswahl)
- Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03880-9; Taschenbuchausgabe ebenda 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3.
- Afghanistan. Unbesiegter Verlierer. Aufbau, Berlin 2022, ISBN 978-3-351-03963-9.
- Der verborgene Schatz. Arte-Dokumentation, 2017.[40][41]
- Die mutigen Frauen Irans: Wir haben keine Angst! Elisabeth Sandmann Verlag, München 2023, ISBN 3-949582-20-7; ISBN 978-3949582202.
Weblinks
- Literatur von und über Natalie Amiri im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Natalie Amiri bei IMDb
- Natalie Amiri bei Radio Bremen
- Natalie Amiri „Wer kann, verlässt den Iran“. Deutschlandfunk Kultur vom 15. März 2021
- Fahimeh Farsai: Eine heikle Liebesgeschichte. In: Journal21. 21. März 2021
Einzelnachweise
- ↑ »Ich gehe Kofferpacken, ich muss dorthin!« magazin.zenith.de, 23. Mai 2018, abgerufen am 7. Januar 2020
- ↑ Jochen Becker, Annette Leiterer: Iran: Journalisten als Feindbild des Staates. Norddeutscher Rundfunk, 13. Mai 2020.
- ↑ Anna-Katharina Ahnefeld: Iran-Korrespondentin der ARD berichtet über harten Job als „Feindbild des Staates“. Münchner Merkur, 13. März 2021.
- ↑ Bayerischer Rundfunk: euroblick: Moderatorin Natalie Amiri. 28. Juli 2015 (br.de [abgerufen am 11. Januar 2021]).
- ↑ Iran: Kein Schritt ohne Drehgenehmigung. ndr.de, 16. Februar 2015, abgerufen am 4. Januar 2018.
- ↑ Tilo Jung: #601 - Iran-Expertin Natalie Amiri über die Frauenbewegung. In: Jung & Naiv. 18. Oktober 2022, abgerufen am 19. Oktober 2022.
- ↑ Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau Taschenbuch, 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 130–131, 144, 209–211 und 254.
- ↑ Vgl. www.deutschlandfunk.de.
- ↑ Vgl. Library of Congress.
- ↑ Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau Taschenbuch, 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 28–29, 32–33, 38–39, 44 und 53–56.
- ↑ Vgl. Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03880-9; Taschenbuchausgabe ebenda 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 18–19, 60, 72, 94–95 und 254.
- ↑ Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau Taschenbuch, 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 108, 120, 138 und 211.
- ↑ a b Vita – Natalie Amiri. Rundfunk Berlin-Brandenburg, 2. November 2012, abgerufen am 4. Januar 2018.
- ↑ „Weltspiegel“ aus München im Ersten – Neue Moderatorin: Natalie Amiri. Bayerischer Rundfunk, 27. Februar 2014, abgerufen am 4. Januar 2018.
- ↑ 9. Marler Medienpreis Menschenrechte. In: www.amnesty.de.
- ↑ Die Story im Ersten: Verschwunden in Deutschland – Auf der Suche nach vermissten Flüchtlingsjungen (SWR/BR). (grimme-preis.de [abgerufen am 10. Mai 2018]).
- ↑ a b Natalie Amiri: „Warnung vom Auswärtigen Amt“. In: Zapp. 3. Mai 2020, abgerufen am 3. Mai 2020.
- ↑ Katharina Willinger: In eigener Sache: Ab heute übernehme ich die Leitung unseres ARD Büros Teheran von meiner geschätzten Kollegin @NatalieAmiri Ich berichte weiterhin aus der Türkei, nun aber auch regelmäßig aus dem Nachbarland Iran. In: Twitter. 1. Mai 2020, abgerufen am 3. Mai 2020.
- ↑ Iran: Die Menschen sehnen sich nach Freiheit. In: Münchener Abendzeitung. 12. März 2021, abgerufen am 26. März 2021.
- ↑ Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau Taschenbuch, Berlin 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 13, 148, 187–190 und 244.
- ↑ die MSC Special Edition 2021: „Beyond Westlessness: Renewing Transatlantic Cooperation, Meeting Global Challenges“. In: MSC. 19. Februar 2021, abgerufen am 1. März 2021.
- ↑ BR Next: Natalie Amiri über das Berichten aus Krisengebieten | Medientags München 2021. 26. Oktober 2021, abgerufen am 2. März 2025.
- ↑ Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau Taschenbuch, 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 5, 28, 175 und 253.
- ↑ Gabi Fischer: Natalie Amiri, Journalistin (Interview). Blaue Couch, Bayerischer Rundfunk, 17. März 2021.
- ↑ Podcast: "Natalie hat mir oft nicht gesagt, in welcher Gefahr sie war" bvb.de, abgerufen am 20. März 2023
- ↑ Robby Hunke – Wohin rollt der Ball – Nullzwei der Kölner Podacst ( vom 13. Januar 2019 im Internet Archive), open.spotify.com, abgerufen am 14. Mai 2023
- ↑ Das Moderatoren-Team des Weltspiegels. daserste.de, abgerufen am 11. September 2016.
- ↑ Natalie Amiri, Ellen Trapp und Nataly Bleuel erhalten den Katholischen Medienpreis 2015. Pressemeldung der Deutschen Bischofskonferenz, 21. Juli 2015, abgerufen am 4. Januar 2018.
- ↑ Kindernothilfe-Medienpreis zum 20. Mal verliehen kindernothilfe.de, abgerufen am 14. Juni 2019
- ↑ Deutscher Fernsehpreis 2019: Nominierungen für Dokus, Information, Sport und Comedy stehen fest meedia.de, abgerufen am 14. Juni 2019
- ↑ Die 10 besten Politik-Journalistinnen und -Journalisten 2020 kress.de, abgerufen am 20. Oktober 2020
- ↑ Die 10 besten Politik-Journalistinnen und -Journalisten 2021 mediummagazin.de, abgerufen am 10. Januar 2022
- ↑ Jury kürt die 100 Frauen des Jahres focus-magazin.de, abgerufen am 10. März 2023
- ↑ Fernsehjournalistin Amiri erhält Kasseler Bürgerpreis. In: FAZ.net. 26. Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023.
- ↑ Kassel: Iran-Journalistin Natalie Amiri bekommt Glas der Vernunft. In: HNA.de. 27. Januar 2023, abgerufen am 8. Februar 2023.
- ↑ Verfassungsorden 2023. In: bayern.landtag.de. 29. Februar 2024, abgerufen am 29. April 2024.
- ↑ ÖJC verlieh „Dr. Karl Renner Preise“ 2024. In: ots.at. 14. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024.
- ↑ "Journalistinnen und Journalisten des Jahres 2024": Die Erstplatzierten aller Kategorien. In: mediummagazin.de. 19. Dezember 2024, abgerufen am 26. Januar 2025.
- ↑ Europamedaille - Im Jahr 2025 ausgezeichnete Persönllichkeiten. In: www.bayern.de. Abgerufen am 17. September 2025.
- ↑ programm ARD de-ARD Play-Out-Center Potsdam, Potsdam Germany: Der verborgene Schatz. Abgerufen am 28. März 2024.
- ↑ Der verborgene Schatz: Die legendäre Kunstsammlung des Iran (2017). Abgerufen am 28. März 2024 (englisch).