Unter einem Minimalpolynom versteht man allgemein ein Polynom minimalen Grades, das gerade noch eine Eigenschaft erfüllt, die von Faktoren kleineren Grades nicht mehr erfüllt wird. Insbesondere gibt in verschiedenen Teilgebieten der Mathematik das Minimalpolynom die minimale lineare Abhängigkeit zwischen den Potenzen einer Matrix bzw. einer linearen Abbildung oder allgemeiner eines Elementes einer Algebra an.
Definition
In der Körpertheorie ist das Minimalpolynom ein Begriff, der bei einer Körpererweiterung auftritt.
Sei
eine Körpererweiterung,
der Polynomring zu
mit der Unbestimmten
und sei
algebraisch, das heißt, es existiert
mit
.
Dann existiert ein Polynom
(genannt das Minimalpolynom) mit den Eigenschaften
ist normiert,
,
hat minimalen Grad, d. h., für jedes
gilt
,
ist eindeutig (durch
bestimmt), d. h., für jedes weitere
, welches die Eigenschaften 1–3 erfüllt, gilt schon
.
Betrachtet man den Erweiterungskörper
als Vektorraum über
und ein bestimmtes Element
als Endomorphismus auf
(durch die Abbildung
), so kommt man bei einem algebraischen Element
zum selben Minimalpolynom (im Sinn der linearen Algebra) wie in der Körpertheorie.
Eigenschaften
- Minimalpolynome sind irreduzibel über dem Grundkörper.
- Jedes Polynom mit Koeffizienten im Grundkörper, das ein algebraisches Element
als Nullstelle hat, ist ein (Polynom-)Vielfaches des Minimalpolynoms von
.
- Der Grad des Minimalpolynoms von
ist gleich dem Grad der einfachen Erweiterung
.
Siehe auch: Zerfällungskörper, Satz von Cayley-Hamilton
Beispiele
- Betrachte die Körpererweiterung
mit der imaginären Einheit
:
Das Minimalpolynom von
ist
, denn es hat
als Nullstelle, ist normiert, und jedes Polynom kleineren Grades wäre linear und hätte nur eine Nullstelle in
.
- Es gibt keine Erweiterung, in der ein Element mit Minimalpolynom
existiert: Das Polynom
lässt sich als
darstellen und kann somit für keine seiner Nullstellen ein Polynom kleinsten Grades sein.
Beispiele für Minimalpolynome eines algebraischen Elements
- Minimalpolynome über
von
, wobei
eine beliebige komplexe Quadratwurzel ist:
ist Nullstelle von
. Dieses Polynom ist irreduzibel über
, wenn
und in diesem Fall das gesuchte Minimalpolynom.
Für den Fall
ist das Minimalpolynom
.
- Minimalpolynome über
von
: Wegen
ist
Nullstelle von
. Dieses Polynom ist aber nicht irreduzibel, denn es hat die Faktorisierung
. Offensichtlich ist
keine Nullstelle von
. Also muss
Nullstelle von
sein. Und dieses Polynom ist irreduzibel (z. B. durch Reduktion modulo 2), weshalb es sich dabei um das Minimalpolynom von
über
handeln muss.
- Minimalpolynom über
von
: Hier ist es hilfreich, eine normale Körpererweiterung
mit
zu betrachten. Dies ist z. B. für
gegeben, dem Zerfällungskörper des Polynoms
. In
zerfällt das Minimalpolynom von
in Linearfaktoren. Die Nullstellen sind Konjugierte von
, also von der Form
für ein
aus der Galoisgruppe von
.
- Da
, genügt es, die möglichen Werte
(also die Konjugierten von
) zu bestimmen. Das Minimalpolynom über
von
ist
, was sich über
zu
faktorisieren lässt. Damit sind die Konjugierten von
genau
,
,
und
.
- Das Minimalpolynom von
ist damit

![{\displaystyle =(X-{\sqrt[{4}]{2}}-{\sqrt {2}})(X+{\sqrt[{4}]{2}}-{\sqrt {2}})(X-\mathrm {i} {\sqrt[{4}]{2}}+{\sqrt {2}})(X-\mathrm {i} {\sqrt[{4}]{2}}-{\sqrt {2}})}](./3642c71bc2cba449133de6f2a8d537ed7ea80946.svg)

Literatur
- Uwe Storch, Hartmut Wiebe: Lehrbuch der Mathematik. Für Mathematiker, Informatiker und Physiker. Band 2: Lineare Algebra. BI-Wissenschafts-Verlag, Mannheim u. a. 1990, ISBN 3-411-14101-8.
- Thomas W. Hungerford: Algebra (= Graduate Texts in Mathematics. Bd. 73). 5th printing. Springer, New York NY u. a. 1989, ISBN 0-387-90518-9.