Miklós Klaus Rózsa
Miklós Klaus Rózsa (* 11. September 1954 in Budapest)[1] ist ein ungarisch-schweizerischer Fotograf und politischer Aktivist. Bekannt wurde er als Chronist sozialer Bewegungen in der Schweiz, insbesondere der Zürcher Jugendunruhen, und durch seinen Einsatz gegen Polizeigewalt und Antisemitismus.
Leben
Rózsa wurde in eine jüdische Familie geboren. Elf Jahre vor seiner Geburt hatte seine Mutter, Livia Rózsa-Jurinkovits, einen Anschlag der Pfeilkreuzler knapp überlebt. Sein Vater, Egon Rózsa-Jurinkovits, entkam nur mit Mühe den Deportationen nach Auschwitz und Dachau. 1956, als Rózsa zwei Jahre alt war, kam es im Zusammenhang mit der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes zu kriegerischen Auseinandersetzungen, bei welcher eine sowjetische Granate die Wohnung der Familie traf. Die Wohnung brannte daraufhin. Da die Eltern nicht zuhause waren, wurden er und seine Schwester, Olga Majumder Rózsa, von sowjetischen Soldaten in einen Luftschutzkeller gebracht, wo sie wochenlang verharrten. Im selben Jahr beschlossen die Eltern, mit ihren Kindern von Ungarn in die Schweiz zu fliehen. Dadurch verloren sie die ungarische Staatsbürgerschaft. Nach mehreren Aufenthalten liess sich die Familie in Zürich nieder.[2]
Als Egon Rózsa-Jurinkovits eine Wiedergutmachungsrente für seine Zeit im Konzentrationslager erhielt, schickte er seinen Sohn in ein Internat für ungarische Flüchtlingskinder im deutschen Bundesland Bayern. Dort wurde dieser gemäss eigener Aussage vom Präfekten geschlagen und gedemütigt.[2]
Rózsa absolvierte eine Ausbildung als Industriefotograf an der Kunstgewerbeschule Zürich, der heutigen Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Seit 1974 war er als selbständiger Fotograf und Kameramann tätig, unter anderem für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) sowie das Schweizer Fernsehen (SRF).
Neben seiner beruflichen Laufbahn engagierte er sich als politischer Aktivist und war Vorstandsmitglied der Schweizerischen Journalisten Union (SJU) sowie Präsident der Mediengewerkschaft Comedia. Seine Arbeit konzentrierte sich insbesondere auf die Dokumentation von sozialen Bewegungen und Demonstrationen, wodurch er wiederholt mit der Polizei in Konflikt geriet.[1]
Trotz seiner langjährigen Verwurzelung in der Schweiz wurde Rózsa die Einbürgerung mehrfach aufgrund seiner politischen Aktionen oder Irrtümern verweigert. Erst durch seine Heirat zu Susann Wach Rózsa und nach einer fünfjährigen Bewährungsfrist erhielt er im Jahr 2000 die schweizerische Staatsbürgerschaft, nachdem er die ungarische bereits 1992 wieder erhalten hatte.[2]
Politisierung in seiner Jugend
Anfang der 1970er Jahre wurde Rózsa Teil des ersten autonomen Jugendzentrums (AJZ) «Autonome Republik Bunker».[3] Als der Zürcher Stadtrat dieses schloss, kam es zu einer Demonstration der Jugendlichen, an der Klaus Rózsa teilnahm. Dort wurde er ein erstes Mal von der Polizei zusammengeschlagen.[2] Ein erstes Mal verhaftet wurde er 1971 im Alter von 17 Jahren, als er durch die «Aktion Heimkampagne» mit anderen Aktivisten einigen Jugendlichen die Flucht aus der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon ermöglichte.[4][5]
Rózsa nahm fortan an vielen weiteren Kundgebungen teil und erlebte seit 1971 die Konflikte der linken Szene mit den Schweizer Behörden hautnah mit,[3] so beispielsweise 1975 bei der Besetzung des geplanten Kernkraftwerks Kaiseraugst, an der er immer mehr als Rädelsführer auftrat.[5]
Zürcher Jugendunruhen ab 1980
Im Mai 1980 bewilligte der Zürcher Stadtrat einen Kredit von 60 Millionen Schweizer Franken für die Sanierung des Zürcher Opernhauses. Jugendliche Forderungen nach alternativkulturellen Angeboten wie einem Autonomen Jugendzentrum wurden jedoch abgelehnt. Daraufhin kam es zum «Opernhauskrawall». Dieser bildete den Auftakt zu einer zwei Jahre dauernden konfliktiven Phase zwischen Jugendlichen und der Zürcher Stadtpolizei.[6] Rózsa begleitete die Jugendproteste intensiv mit seiner Kamera. Sein Fokus war die Dokumentation des polizeilichen Vorgehens gegen politische Aktionen und Proteste der Jugendbewegung.[7] Daneben griff er selbst zum Megaphon und engagierte sich für mehr kulturellen Freiraum für Jugendliche.[8]
Bei der Stadtpolizei Zürich machte sich Rózsa durch seine Aktionen nicht beliebt. Seine Aufnahmen zeigten oft Ausschreitungen, Wasserwerfer und prügelnde Polizisten. Die Polizei von Bund, Kanton und Stadt Zürich beobachtete ihn daraufhin jahrelang. Sie bespitzelten ihn, er wurde wiederholt festgenommen und geschlagen. Polizisten bedrohten ihn mit dem Gummigeschoss-Gewehr, nahmen ihm Filme ab und zerschlugen auch seine Fotoausrüstung.[3] Die Polizei rechtfertigte diese Aktionen mit dem Argument, dass Rózsa die Arbeit der Polizei in allen Einzelheiten festhalte und dadurch behindere.[4]
Als im März 1982 das AJZ abgebrochen wurde, war Rózsa ebenfalls fotografisch aktiv und verlor nach einer Verfolgungsjagd durch die Polizei das Bewusstsein. Drei Stadtpolizisten wurden zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt.[2]
Zeit nach den Jugendunruhen
Auch nach der Auflösung der Jugendbewegung blieb Rózsa aktiv. Er fotografierte bei einer Demonstration 1989 den Angriff von Polizisten auf einen Kellner und wurde dabei so stark angegriffen, dass zum zweiten Mal Stadtpolizisten wegen Rózsa bestraft wurden.[2]
Nach dem Abbruch des AJZ engagierte sich Rózsa für ein neues Jugendkulturhaus in den Räumlichkeiten seines alten Schulhauses – des Kanzleizentrums. Nach zunächst provisorischer Nutzung wurden 1990 und 1991 zwei Abstimmungen über eine definitive Nutzung mit Betriebskredit durchgeführt, in deren Rahmen Rózsa sich stark engagierte.[9] Er wurde denunziert und erhielt neben antisemitischen Drohbriefen auch Anrufe mit Morddrohungen, von denen er zahlreiche aufgrund einer Fangschaltung auf die Hauptwache der Stadtpolizei Zürich zurückführte.[2]
Rózsa fotografierte auch 2008 einen Polizeieinsatz bei der Besetzung des Hardturm-Stadions. Dabei wurde er verletzt. und es kam zu einem erneuten Strafverfahren, das er vor Obergericht verlor. Die angeklagten Polizisten argumentierten, dass Rózsa sie in ihrer Arbeit behinderte und sich renitent verhalten habe. Zudem wurde er 2010 aufgrund übler Nachrede und Beschimpfung eines Polizisten verurteilt.[2][10][11]
In späteren Jahren zog das Ehepaar Rózsa nach Budapest. Rózsa sah in Ungarn, trotz der Politik unter Viktor Orbán, mehr Freiheiten für sich als in der Schweiz, wo er wegen seiner dokumentarischen Arbeit und politischen Haltung immer wieder Anfeindungen erlebte. Dort engagierte sich Rózsa auch politisch gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus und förderte die Erinnerung an den Schweizer Diplomaten Carl Lutz, der ungarische Juden vor dem Holocaust rettete.[2]
Einzelnachweise
- ↑ a b miklós klaus rózsa. In: Theater Neumarkt. Abgerufen am 1. Februar 2025.
- ↑ a b c d e f g h i Erich Schmid: Staatenlos. Praesens-Film, Zürich 2016.
- ↑ a b c Raphael Zehnder: Neues Buch über Miklós Rózsa: Sein Vergehen war das Fotografieren. In: SRF Kultur. 9. März 2014, abgerufen am 7. Januar 2025.
- ↑ a b Adrian Riklin: Miklós Klaus Rózsa. Fotografieren als politischer Akt. In: WOZ Die Wochenzeitung. 13. Februar 2014, abgerufen am 7. Januar 2025.
- ↑ a b Simone Meier: 1980, Zürich brennt, die Bullen schiessen – Klaus R. schiesst mit der Kamera zurück. In: Watson. 2. April 2017, abgerufen am 7. Januar 2025.
- ↑ Vor 40 Jahren: Züri brännt. In: Schweizerisches Sozialarchiv. 1. März 2020, abgerufen am 29. Januar 2025.
- ↑ Dokumentation Rózsa, Miklós Klaus. In: Schweizerisches Sozialarchiv. Abgerufen am 30. Januar 2025.
- ↑ Stefan Gubser: Klaus Rózsa: Zürcher Fotograf im Fadenkreuz. In: SRF Kultur. 6. April 2017, abgerufen am 3. Januar 2025.
- ↑ Marianne Benteli: Ende für Kanzleizentrum Zürich. In: Année politique suisse. Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern, 23. September 1990, abgerufen am 7. Februar 2025.
- ↑ Corsin Zander: Oberrichter schenkt Klaus Rozsa keinen Glauben. In: Neue Zürcher Zeitung. 2. April 2016, abgerufen am 7. Februar 2025.
- ↑ Linksaktivist Rozsa wieder verurteilt. In: Neue Zürcher Zeitung. 14. April 2010, abgerufen am 7. Februar 2025.