Medizinische Gase

Medizinische Gase sind speziell für den medizinischen Gebrauch produzierte Gase. Hierzu gehören Sauerstoff (O2), medizinische Luft („Aer medicalis“), Kohlenstoffdioxid (CO2), Lachgas (N2O), Xenon (Xe), Stickstoffmonoxid (NO) sowie Helium (He) und Stickstoff (N2).[1]

Sie gelten je nach ihrer Verwendung als Arzneimittel oder Medizinprodukt und müssen entsprechend gehandhabt und hergestellt werden.

Forschungsaktivitäten mit dem Ziel einer medizinischen Nutzung gibt es für Kohlenmonoxid (CO) und Schwefelwasserstoff (H2S).[2]

Arzneimittel

Medizinische Gase für den arzneilichen Gebrauch unterliegen in Deutschland hinsichtlich Herstellung, Kennzeichnung und Inverkehrbringen dem Arzneimittelgesetz (AMG). Seit dem Inkrafttreten der 14. AMG-Novelle im Jahr 2005 sind sie als zulassungspflichtige Fertigarzneimittel eingestuft.[3] Sie müssen hohen Qualitätsansprüchen genügen. Nur technische Gase sehr hoher Reinheit sind zu medizinischen Zwecken verwendbar. Für die wichtigsten Gase ist die erforderliche Qualität in Arzneibüchern (EuAB, USP) spezifiziert.

Qualität nach Arzneibuch
Monographie[4] Gehalt (V/V) Spezifizierte Verunreinigungen
Distickstoffmonoxid min. 98,0 % CO2, CO, NO, NO2, Wasser
Helium min. 99,5 % Methan, O2, Wasser
Kohlendioxid min. 99,5 % CO, NO, NO2, HS, SO2, Wasser
Kohlenmonoxid min. 99,5 % CO2, Methan, H2, Ni(CO)4, Fe(CO)5, Wasser
(81mKr)Krypton zur Inhalation andere Radionuklide: max. 0,1 %
Luft zur medizinischen Anwendung O2: 20,4 – 21,4 % CO2, CO, SO2, Öle, NO, NO2, Wasser
Künstliche Luft zur medizinischen Anwendung O2: 21,0 – 22,5 % Wasser
Sauerstoff min. 99,5 % CO2, CO, Wasser
Sauerstoff 98 %[5] 96,0 – 99,5 % CO2, CO, SO2, Öle, NO, NO2, Wasser
Sauerstoff 93 % 90,0 – 96,0 % CO2, CO, SO2, Öle, NO, NO2, Wasser
Stickstoff min. 99,5 % CO2, CO, O2, Wasser

Mit den Anforderungen speziell an die Herstellung von Gas-Wirkstoffen und medizinischen Gasen, sofern sie berufs- und gewerbsmäßig erfolgt, befasst sich der Anhang 6 zum EG-Leitfaden der Guten Herstellungspraxis (GMP).[6] Die Herstellung erfolgt in der Verantwortung einer Sachkundigen Person gemäß AMG §15.

Medizinischer Sauerstoff ist das in Krankenhäusern am häufigsten verwendete Arzneimittel.[3] Er wird in Konzentrationen von 30 bis 100 % eingesetzt zur Behandlung und Vorbeugung von Sauerstoffunterversorgung (Hypoxie) bei beispielsweise Asthma oder COPD. Während der COVID-19-Pandemie war die Nachfrage nach medizinischem Sauerstoff stark erhöht.[7] Lachgas (Distickstoffmonoxid) wird in der Allgemeinanästhesie als Narkosegas verwendet. In einer 1:1 Mischung mit Sauerstoff ist es zur Therapie kurzzeitiger Schmerzzustände zugelassen, etwa bei kurzen schmerzhaften Prozeduren bei Kindern.[8] In Deutschland bestehen für druckverdichteten Sauerstoff und Lachgas Standardzulassungen. Luft zur medizinischen Anwendung wird in der künstlichen Beatmung eingesetzt oder als Träger- bzw. Verdünnungsgas für Inhalationstherapien oder in der Anästhesie.

Die Gase werden in für den Patienten bestimmte Versorgungseinheiten abgefüllt oder in Druckgasflaschen abgepackt.[9] Sie bestehen aus Stahl, Stahllegierungen oder Aluminium.[10] Aluminiumflaschen sind für den Einsatz in Magnetresonanztomographen (MRT) geeignet, da sie nicht magnetisch sind; Molybdän­stahl ermöglicht höhere Fülldrücke. Leichte Flaschen für hohe Fülldrücke ermöglichen Verbundflaschen aus Aluminium oder Stahl mit einer Außenhülle aus Kevlar oder Kohlefaser.[10] Gasflaschen für arzneilich eingesetzte Gase unterliegen neben den allgemeinen technischen Anforderungen an Gasflaschen (vgl. Artikel Gasflasche) auch den allgemeinen Anforderungen an Arzneiverpackungen[11] (unbedenklich, inert, rein, Schutzwirkung).[12]

Medizinprodukt

Medizinische Gase als Medizinprodukte werden im Medizinprodukterecht (in Deutschland: Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz, MPDG) geregelt. Sie müssen ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen und eine CE-Kennzeichnung tragen. Beispiele für medizinische Gase mit einem Verwendungszweck als Medizinprodukt sind etwa Kohlendioxid zum Auffüllen von Körperhöhlen zur Sichtverbesserung bei laparoskopischen, arthroskopischen und endoskopischen Eingriffen[9] oder verflüssigter Stickstoff zur Kryokonservierung von Blut, Fortpflanzungszellen (Eizellen, Sperma) und anderen biologischen Materialien.[9]

Kennzeichnung

Seit 2008 gelten für die Errichtung von medizinischen Gasanlagen die Europanormen EN 7396, EN 9170, EN 10524 und EN 5359, die auch eine verbindliche Farbkennzeichnung bestimmter medizinischer Gase verlangen.[13]

Die Flaschen für medizinische Gase haben vereinbarungsgemäß einen weißen Flaschenzylinder.[14] Die Farbcodierung für die Schulterfarbe folgt in der EU der EURO-Norm DIN EN 1089-3. (Sauerstoff: weiß, Lachgas: blau, Kohlendioxid: grau, Helium: braun, Luft: weiß/schwarz, Sauerstoff-Helium-Gemisch: weiß/braun, Sauerstoff-Lachgas-Gemisch: weiß/blau, Sauerstoff-Kohlendioxid-Gemisch: weiß/grau).[15]

Für medizinische Gase als Arzneimittel gelten die Kennzeichnungsvorschriften der Arzneimittelgesetze und sie sind auch mit einer Fachinformation ausgestattet.[3]

Einzelnachweise

  1. J. Weimann: Medizinische Gase in der Anästhesie, Intensivmedizin und Inneren Medizin. Beilage in Der Anästhesist 2008 Mai; 57(5)
  2. M.A. Gentile: Inhaled medical gases: more to breathe than oxygen. In: Respiratory Care, 2011, 56(9), S. 1341–1357. PMID 21944684
  3. a b c M. Pues: Gase haben Fachinformationen. In: pharmazeutische-zeitung.de. 13. Dezember 2023, abgerufen am 1. September 2025.
  4. European Pharmacopoeia, 10th Ed., EDQM, 2019.
  5. European Pharmacopoeia, 11th Ed., Suppl. 5, EDQM, 2024.
  6. Anhang 6 zum EG-Leitfaden der Guten Herstellungspraxis - Herstellung Medizinischer Gase (PDF-Datei) auf bundesgesundheitsministerium.de. Abgerufen am 2. September 2025.
  7. TRS 1044 - Annex 5: WHO good manufacturing practices for medicinal gases. In: who.int. Abgerufen am 2. September 2025 (englisch).
  8. B. Gensthaler: Inhalative Schmerztherapie bei Kindern. In: pharmazeutische-zeitung.de. 9. Dezember 2008, abgerufen am 2. September 2025.
  9. a b c C. Imming, P. Imming: Arzneimittel aus Luft. In: pharmazeutische-zeitung.de. 1. September 2008, abgerufen am 2. September 2025.
  10. a b D.E. Highley: Medical gases, their storage and delivery. In: Anaesthesia & intensive care medicine. 2009, Band 10, Nummer 11, S. 523–527. doi:10.1016/j.mpaic.2009.08.013.
  11. § 55 AMG, Absatz 8 (in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG)
  12. Kommentar zur Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung. Prüfung und Lagerung der Primärpackmittel, (PDF-Datei) auf abda.de, 9. Mai 2023.
  13. Neue Farbkennzeichnung medizinischer Gase (PDF; 96,5 kb). Acutronic Medical Systems, abgerufen am 17. Juni 2015.
  14. Medical Gas Cylinders Colour Coding (PDF; 0,1 MB), European Industrial Gases Association (EIGA), 2020, auf eiga.eu. Abgerufen am 2. September 2025.
  15. Informationen zur Euro-Norm DIN EN 1089-3 (PDF; 1,0 MB) auf bgrci.de. Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), 11. August 2006.