Mathias Schneider

Der Karlsdorfer Richter Mathias Schneider um 1902 mit der höchsten Klasse des österreich-ungarischen Zivil-Verdienstkreuzes auf der linken Brustseite

Mathias Schneider (* 15. Oktober 1834 in Karlsdorf; † 2. Februar 1917)[1] war ein ungarndeutscher Richter. Er wirkte als Wortführer einer donauschwäbischen Deputation bei der Auflösung der Banater Militärgrenze 1872/73. Schneider wurde 1871 in Karlsdorf (heute Banatski Karlovac, Gemeinde im Bezirk Južni) zum Richter gewählt und war dort nach dem Ende der Militärverwaltung bis 1875 die erste Person, die ein konstitutionelles Richteramt bekleidete.

Jugend

Schneider war der Sohn von Franz Schneider, eines angesehenen Karlsdorfer Bürgers, der im Ruf stand, ein „Mann des Volkes“ zu sein. In der Revolutionszeit 1848/49 geriet sein Vater wegen seiner Kontakte zu ungarischen Einheiten in den Konflikt mit serbischen Truppen. Nach einem Bericht des Lokalhistorikers Ludwig Szmida verhinderte der noch jugendliche Mathias durch eine Täuschung die Gefangennahme seines Vaters.[2]

Politische Betätigung

Karte der Banater Militärgrenze im Jahr 1849

Die Banater Militärgrenze wurde 1871/72 aufgehoben.[3] Das Gebiet war zuvor einer Militärverwaltung mit eigenem Strafrecht unterstellt, das schnelle Verfahren und harte Strafen vorsah.[4] Die Gemeinderichter wurden zwar gewählt, hatten jedoch nur eingeschränkte Kompetenzen, waren sie doch an die Militärgesetze gebunden. Schneider wurde 1871 unter diesen Bedingungen zum Richter von Karlsdorf gewählt. Als Staatsdiener in seinen Dreißigern verkörperte er den Übergang zur bürgerlichen Selbstverwaltung.[5]

Am 12. Mai 1872 reiste Kaiser Franz Joseph I. nach Weisskirchen, um die Auflösung der Militärgrenze zu verkünden. Er wurde von hochrangigen ungarischen Politikern und Juristen begleitet und vor Ort vom königlichen Kommissär Anton von Scudier empfangen. Da Offizierskreise Widerstand leisteten, setzte Scudier eine Deputation aus 24 Karlsdorfer Landwirten ein und bestimmte Schneider zum Wortführer der deutschen Gemeinden des Banats.[6]

Während des Besuchs kam es zu Auseinandersetzungen mit Offizieren, die eine Fortführung der Militärgrenze forderten. Schneider widersetze sich allerdings den Einschüchterungsversuchen der Militärs.[7]

Schließlich konnte Schneider im Stadthaus die Auflösung der Militärgrenze im Rahmen einer blumigen Dankesrede an den Kaiser proklamieren, woraufhin Franz Josef I. deren Inhalt öffentlich bestätigte.[8]

Scudier wurde nun mit der Abwicklung der Grenzverwaltung betraut. Als diese schließlich am 24. August 1873 offiziell ihr Ende fand, feierten die dafür Verantwortlichen ihr abgeschlossenes Werk der erfolgreichen Eingliederung der Militärgrenze in die Zivilverwaltung mit einem öffentlichen Festakt.[9]

Schneider war fortan konstitutioneller Richter in Karlsdorf und wurde vom Kaiser für sein Engagement auf Scudiers Vorschlag hin mit dem „Goldenen Verdienstkreuz mit der Krone“ ausgezeichnet.[10]

Einzelnachweise

  1. Die genauen Geburts- und Sterbedaten sind den Angaben seines Urenkels Horst Eberle entnommen.
  2. Ludwig Szmida hat anekdotisch Mathias Schneiders jugendliche Schläue überliefert, die offenbar sein bereits in sehr jungen Jahren vorhandenes diplomatisches Geschick gerade in heiklen Konfliktsituationen deutlich machen soll: Franz Schneider hatte 30 Schwarzenberger Ulanen bewirtet und stand deshalb als Freund der Ungarn im Ruf, mit denen sich die Serben in einer Reihe von militärischen Auseinandersetzungen befanden. Am 2. Juli 1848 zog von Alibunar aus eine größere serbische Truppe gegen Karlsdorf, um Franz Schneider deshalb gefangen zu nehmen. Franz Schneider war gewarnt, konnte sich rechtzeitig auf dem Dachboden verstecken und sein (wohl noch nicht ganz) 14-jähriger Sohn Mathias empfing die serbischen Militärs, die er als Alibunarer Schüler persönlich kannte. Er täuschte die Soldaten, indem er behauptete, sein Vater sei nach Wertschetz gereist und könne jeden Augenblick zurückkommen. Unter diesem Vorwand bewirtete er die Serben taktisch mit Speck und einer beträchtlichen Menge Wein. Da die infolgedessen bestens gelaunten Soldaten seinen Vater nicht finden konnten, ließen sie diesem lediglich ausrichten, er solle in Zukunft keine Ungarn mehr bewirten. Danach konnten die Soldaten gesichtswahrend nach Alibunar zurückkehren. Vgl. Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. S. 38.
  3. Felix Milleker: Kurze Geschichte der Banater Militärgrenze 1764–1872. Verlag der I. E. Kirchners Buchdruckerei. Werschetz 1937.
  4. Die Banater Militärgrenze wurde nicht ohne den Unmut der Teile der Bevölkerung, die einen Verlust ihrer Privilegien fürchteten, aufgelöst. Anzunehmen ist allerdings auch, dass etliche Einwohner des Grenzgebiets unter dem nach der Ungarische Revolution 1848/1849 eingeführten strengen Regiment der Militärverwaltung litten. So öffnete das spezielle Militärstrafrecht der Region willkürlichen und raschen Gerichtsurteilen Tür und Tor; Petitionen waren zudem nur in mündlicher Form zugelassen. Geldstrafen als mildere Strafmaßnahmen gab es nicht, dafür nur Haft- und Körperstrafen. Der Delinquent wurde nach erfolgtem Urteil sogleich von einer Patrouille abgeführt. Lebenslängliche Kerker- oder Todesstrafen mussten hingegen vom Kriegsministerium in Wien bestätigt werden. Vgl. Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. S. 46f.
  5. Vgl. Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. S. 50.
  6. Die kaiserlich-königliche Entourage bestand etwa aus dem ungarischen Ministerpräsidenten Graf Menyhért Lónyay, dem Landesverteidigungsminister Ungarns Gedeon Ráday sowie den Juristen Ferenc Deák und Zsigmond Ormós. Der Hintergrund für den royalen Auftritt scheint der dezidierte Widerstand innerhalb der Grenzoffizierskreise gegen die Vollstreckung der Auflösungsverordnung gewesen zu sein. Offenbar war Franz Joseph I. zu Ohren gekommen, dass die Bevölkerung der Grenzregion gegen eine Auflösung der Militärgrenze sei, weshalb er mit dieser in Kontakt kommen wollte. Die unzufriedenen Offiziere beabsichtigten infolgedessen gar, die serbische Bevölkerung dazu zu bewegen, eine größere Deputation vor dem Monarchen erscheinen zu lassen, um das Vorhaben zu verhindern. Dies wurde allerdings nicht gebilligt. Vgl. Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. S. 47f.
  7. Als die von Schneider angeführte festlich gekleidete Deputation am 12. Mai 1872 zum Aufenthaltsort des Kaisers aufgebrochen war, soll es zu emotionalen Szenen gekommen sein. Beim Pulverturm der Stadt Weisskirchen hatten 30–40 Offiziere Stellung genommen, um die Deputation banater Schwaben notfalls mit Gewalt aufzuhalten. Der das Militär kommandierende General zwang Schneider dazu, vom Wagen abzusteigen und forderte den Richter offensiv dazu auf, für ein Fortbestehen der Militärgrenze einzutreten. Hierfür wollte der General dem Richter sogar die Worte der Rede, die Schneider vor dem Monarchen halten sollte, in den Mund legen. Schneider solle beim Kaiser deutlich machen, dass bei einer Auflösung der Militärgrenze ansonsten „Blut für Blut fliessen“ würde, da der General und dessen Untergebene in jedem Fall Soldaten zu bleiben gedachten. Nachdem Schneider den General angehört hatte, entgegnete der Richter der Überlieferung zufolge mit Nachdruck: „Nein! Die Militär-Herrschaft muss ein Ende nehmen!“ Offenbar hatte dies Eindruck gemacht und so soll der General seinen Federhut auf den Boden geworfen haben, sodass die Deputation trotz der sich zum Kampf bereitmachenden Offiziere unbehelligt passieren konnte. Vgl. Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. S. 48.
  8. Vor dem Weisskirchener Stadthaus hatte sich gegen 9:00 Uhr morgens aufgrund der Ankunft des Kaisers bereits eine große Menschenmenge versammelt. Freiherr Scudier rief aus einem Fenster des Stockes den Karlsdorfern zu, wodurch die Offiziere, die sich nun auch dort positioniert hatten, die Deputation abermals passieren ließen. Scudier stellte, Schneider an der Spitze, die banater Schwaben im großen Saal des Stadthauses auf und dahinter die serbische Deputation von 54 Gemeinden. Scudier erstattete dem Monarchen in einem Hinterzimmer Bericht, worauf dieser auf der Bildfläche erschien und Mathias Schneider eine Dankesrede für die Auflösung der Militärgrenze an ihn richtete, die in einer Bestätigung der Verordnung vonseiten des Kaisers endete. Als Franz Josef I. wieder in sein Zimmer zurückgekehrt war und „den auf den Vollzug der Auflösung“ sich beziehenden „königlichen Befehl“ unterzeichnet hatte, löste sich die versammelte Menschenmenge der Serben auf. Es ist überliefert, dass Graf Lónyay wiederholt auf die Schulter Schneiders geklopft habe, „weil er seine Rolle gut abspielte“. Die Proklamation ist im Wortlaut überliefert. Mathias Schneider: „Kaiserliche und königliche Majestät! In Vertretung der deutschzungigen Inwohner der Militär-Grenze, erscheine ich vor dem hohen Angesicht Euerer Majestät, um mich für das grosse Werk der Neuorganisierung der Militär-Grenze und die allergnädigste Aufhebung der Militär-Verwaltung zu bedanken, fernerhin werden wir Euerer Majestät noch treuer sein, als wir bisher waren!“ Worauf Seine Majestät dieses antwortete: „Ja, es geschah mit Meiner Einwilligung, Ich versichere Meine Unterstützung und Meinen Schutz dem Volke dieser Gegend fernerhin in noch grösserem Masse.“ Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. (Kapitel: Die Auflösung der Militärgrenze) S. 48f.
  9. Scudier pensionierte oder versetzte die Offiziere – auch auf Bitte Schneiders, der sich von diesen bedroht sah. Ferner zog der königliche Kommissär die Waffen der Grenzer ein und hob die Militärverwaltung auf. Der abschließende Festakt wird folgendermaßen geschildert: „An diesem Tage erschien Morgens um 1/2 11 Uhr in Karlsdorf Freiherr Scudier, Obergespan Ormós und noch viele Andere im Saale des Ewinger'schen Gasthauses, allwo Freiherr Scudier als königl. Commisär, von Seite der Grenzer an Mathias Schneider, von Seite des Temeser Comitates an Obergespan Ormós eine Rede hielt und hierauf die That der Uebergabe [der Grenzregion an das Mutterland] verkündete. Ormós reichte Schneider die Hand, Freiherr Scudier salutirte mit gezogenem Säbel und goss ein Gläschen Wein aus, um hiemit den, auf die Uebergabe des grossen Landbesitzes Bezughabenden Vertrag zu bekräftigen, worauf mit zwei Gläser der Herr und der Bauer anstiessen. Ormós hielt nach dem eine grossartige Rede. Zu Mittag fand in Karlsdorf ein 80-gedeckiges Ehren-Mittagmahl statt, an welchem sich Franz Bessenyei, Ladislaus Dobó u. v. a. m. theilnahmen.“ Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. (Kapitel: Die Auflösung der Militärgrenze) S. 49.
  10. Ludwig Szmida: Geschichte der Grossgemeinde Karlsdorf im Temeser Comitate. Herausgegeben von der Karlsdorfer Gemeinde. Temesvar. Buchdruckerei J. Osendes 1902. (Kapitel: Die Auflösung der Militärgrenze) S. 47–50.