Mary Paley Marshall

Mary Paley-Marshall

Mary Paley Marshall (* 24. Oktober 1850 in Lincolnshire, Vereinigtes Königreich; † 19. März 1944 in Cambridge, Cambridgeshire, Vereinigtes Königreich) war eine britische Wirtschaftswissenschaftlerin und Hochschullehrerin. Sie gehörte zu den ersten fünf Frauen, die an der Universität Cambridge studieren durften, und wurde 1875 die erste Dozentin für Wirtschaftswissenschaften an dieser Universität.[1]

Leben und Werk

Mary Paley Marshall (zweite von rechts) als Studentin im Jahr 1871
Alfred Marshall und Mary Marshall, 1877

Marshall war das zweite von drei Kindern von Thomas Paley und seiner Frau Judith Wormald und war die Urenkelin des Theologen William Paley. Sie wurde hauptsächlich zu Hause sowohl von ihrem Vater als auch von einer deutschen Gouvernante unterrichtet. Ihr Vater ermutigte sie 1870, sich für die Cambridge Higher Local Examinations für Frauen über 18 anzumelden. Sie bestand die Prüfung so gut, dass ihr 1871 ein Stipendium für ein Studium am Newnham College in Cambridge angeboten wurde. Dort war sie eine der ersten fünf Studentinnen. Sie bestand die Prüfungen in Moralwissenschaften der Higher Locals mit Auszeichnung in Volkswirtschaftslehre und Logik, und ihr Dozent Alfred Marshall überredete sie, sich informell für die Moralwissenschaften-Prüfung anzumelden, da Frauen zu dieser Zeit keinen Anspruch auf Cambridge-Abschlussprüfungen hatten. Im Dezember 1874 legte sie als eine der ersten Frauen die Tripos-Prüfung an der Universität Cambridge ab.[2]

Anschließend war sie von Oktober 1875 bis zu ihrer Hochzeit mit Alfred Marshall im August 1877 Dozentin für Wirtschaftswissenschaften am Newnham College. Sie zog dann mit ihrem Ehemann nach Bristol, da sie Cambridge verlassen mussten, weil eine Heirat für College-Studenten gesetzlich verboten war. Ihr Ehemann wurde der erste Rektor des University College Bristol und Professor für politische Ökonomie, während sie eine der ersten Dozentinnen wurde. Obwohl das University College Bristol die erste Hochschule war, die Studentinnen zuließ, wurde ihr Gehalt aus dem Gehalt ihres Mannes bezahlt.[3][4]

Zusammen mit ihrem Ehemann arbeitete sie an einem Lehrbuch der elementaren Wirtschaftswissenschaften mit dem Titel The Economics of Industry (1879), welches neunmal nachgedruckt wurde. Das University College Bristol war das erste koedukative Universitätscollege, und sie hielt die Morgenvorlesungen ihres Mannes. Als er erkrankte, übernahm sie weitere seiner Arbeiten, darunter auch Fortgeschrittenenkurse. Als ihr Ehemann 1883 wieder nach Cambridge berufen wurde, gelang es ihm 1903, die Ökonomie als eigenständiges Studienfach zu etablieren. Sie war am Newnham College assoziierte Mitarbeiterin und von 1891 bis 1894 und von 1907 bis 1909 Mitglied des Rates des College.

1916 gab sie ihre Lehrtätigkeit auf und widmete sich die folgenden acht Jahre der Pflege ihres Mannes. Sie unterstützte ihn bei der Erstellung von Industry and Trade (1919) und bei seinem letzten Werk Money, Credit and Commerce (1923).

Bibliothekarin in der Marshall Library

Die Marshall Library entstand aus der Moral Sciences Library, die ihr Ehemann und Henry Sidgwick ab 1885 größtenteils durch die Spende ihrer eigenen Bücher für die Nutzung durch Studenten gründeten. Ihr Ehemann starb 1924 und hinterließ der Bibliothek viele seiner Bücher und Geld. Die beiden Sammlungen wurden zusammengelegt und ihrem Ehemann zu Ehren in Marshall Library of Economics umbenannt. Die Vergrößerung der Sammlung machte 1925 den Umzug in Räume des ehemaligen Balfour Laboratory erforderlich. Zehn Jahre später zog die Bibliothek in die frei gewordenen Räumlichkeiten der Squire Law Library (heute Haddon Library). Marshall war an diesen beiden Standorten fast zwanzig Jahre lang als ehrenamtliche Bibliothekarin tätig, bis sie im Alter von 87 Jahren in den Ruhestand ging. Von 1925 bis zu ihrem Tod 1944 spendete sie der Bibliothek jährlich 250 £. Darüber hinaus vermachte sie der Universität 10.000 £.[5]

Marshall starb 1944 im Alter von 93 Jahren in ihrem Haus in Cambridge und ihre Asche wurde auf dem Gelände von Balliol Croft verstreut, wo sie und ihr Mann seit ihrer Rückkehr nach Cambridge gelebt hatten.[6]

Ehrungen (Auswahl)

Veröffentlichungen

  • What I Remember. In: The Economic Journal, 1948, Volume 58, Issue 229, S. 122–124; doi:10.2307/2226358.

Literatur

  • Gill Sutherland: Faith, Duty, and the Power of Mind: The Cloughs And Their Circle, 1820–1960. Cambridge University Press, 2006, ISBN 0-521-86155-1.
  • P. D. Groenewegen: A weird and wonderful partnership: Mary Paley and Alfred Marshall, 1877–1924. In: History of Economic Ideas, 1993, 1, S. 71–109.
  • R. McWilliams-Tullberg: Women at Cambridge: a men's university, though of a mixed type. 1975.
  • R. M. Tullberg: Alfred Marshall's attitude towards the Economics of industry. In: Journal of the History of Economic Thought, 1992, 14, S. 257–270.
  • Rita McWilliams Tullberg: Marshall [née Paley], Mary. In: Henry Colin Gray Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X; doi:10.1093/ref:odnb/39167 (Lizenz erforderlich), Stand: 28. September 2006.
Commons: Mary Paley Marshall – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 13 women who transformed the world of economics. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Februar 2025; abgerufen am 5. März 2025 (englisch).
  2. Naomi Wilcox-Lee: Mary Paley Marshall. 20. Oktober 2016, abgerufen am 5. März 2025 (englisch).
  3. Rohini Pande, Helena Roy: “If You Compete with us, We Shan’T Marry You” The (Mary Paley and) Alfred Marshall Lecture. In: Journal of the European Economic Association. Band 19, Nr. 6, 1. Dezember 2021, ISSN 1542-4766, S. 2992–3024, doi:10.1093/jeea/jvab049 (oup.com [abgerufen am 5. März 2025]).
  4. Professor Sarah Smith with Mary Paley Marshall. University of Bristol, 1. Januar 2000, abgerufen am 5. März 2025.
  5. Simon Frost: History of the Marshall Library. In: marshall.econ.cam.ac.uk. 12. November 2011, abgerufen am 5. März 2025 (englisch).
  6. Mary Paley Marshall (1850-1944). In: Find a Grave. Abgerufen am 5. März 2025 (deutsch).
  7. venn.lib.cam.ac.uk