Marion Coates Hansen
Marion Coates Hansen, geborene Coates (* 3. Juni 1870 in Osbaldwick, City of York;[1] † 2. Januar 1947 in Great Ayton, North Yorkshire) war eine englisch-britische Feministin und Suffragette. Sie war ein frühes Mitglied der militanten Women’s Social and Political Union (WSPU) und Gründungsmitglied der Women’s Freedom League (WFL) im Jahr 1907. Ihr wird allgemein zugeschrieben, den Labour-Politiker und späteren Parteivorsitzenden George Lansbury, dazu bewegt zu haben, sich für das Frauenwahlrecht einzusetzen, als sie 1906 als seine Vertreterin im Wahlkampf für die Parlamentswahlen fungierte. Lansbury wurde zu einem der stärksten Befürworter der Frauenbewegung in der Zeit vor 1914. Hansen verbrachte fast ihr ganzes Leben in Middlesbrough und war aktives Mitglied der lokalen Independent Labour Party (ILP). Nach dem Ersten Weltkrieg engagierte sie sich in der Kommunalpolitik und wurde Stadträtin in Middlesbrough.
Leben
Über Hansens frühes Leben, ihre Ausbildung und Erziehung ist nur wenig bekannt. Als sie noch ein kleines Kind war, zog die Familie in den Stadtteil Linthorpe in Middlesbrough. Zu ihren Geschwistern gehörten zwei ältere Brüder: Charles und Walter, die erfolgreiche Geschäftsleute wurden und mit dem amerikanischen Industriellen und Sozialreformer Joseph Fels in Verbindung standen.[2]S. 61, 84[3] Durch die Verbindung zu Fels reiste Hansen wahrscheinlich Ende der 1880er oder Anfang der 1890er Jahre nach Philadelphia, wo sie eine Zeit lang als Kindermädchen im Haushalt der Familie Fels arbeitete.[2]S. 84 f.
Nach ihrer Rückkehr nach England wurde Hansen zu einer aktiven Verfechterin des Sozialismus und der Frauenrechte und nutzte die Seiten der radikalen sozialistischen Zeitschrift Justice, um Vorurteile hinsichtlich der Rolle der Frau in der viktorianischen Gesellschaft anzugreifen.[2]S. 39 Als ein führender Sozialist die Meinung äußerte, Frauen sollten „von den Schönheiten und Möglichkeiten des Sozialismus fasziniert und verzaubert sein“, schrieb Hansen: „Wir Frauen lassen uns nicht wie Waren kaufen […] Wir kommen als Genossinnen, Freundinnen, Kämpferinnen in einen Staat, der uns würdig ist, nicht in eine Puppenwelt“.[4] Um 1900 heiratete sie Frederick Hansen, ein Mitglied einer wohlhabenden Familie aus Middlesbrough mit sozialistischen Überzeugungen. Die Familien Hansen und Coates waren zusammen eine einflussreiche Gruppe der lokalen Independent Labour Party (ILP), nicht immer mit ungeteilter Zustimmung der eher aus der Arbeiterklasse stammenden Mitglieder. Hansen arbeitete in der Zweigstelle der ILP in Middlesbrough als Sekretärin.[2]S. 84 f.
Als 1903 die Women’s Social and Political Union (WSPU) gegründet wurde, um das Frauenwahlrecht mit aktiveren, später militanten, Methoden zu fördern, wurde Hansen als überzeugte Feministin eines der ersten Mitglieder.[5]
Hansens erster dokumentierter Beitrag zur Sache der WSPU erfolgte im September 1905. In Erwartung einer baldigen Parlamentswahl organisierte sie die Kandidatur des sozialistischen Aktivisten George Lansbury im Wahlkreis Middlesbrough, dessen Programm eine konkrete Verpflichtung zur Einführung des Frauenwahlrechts enthielt.[2]S. 84 f. Lansbury war Gemeinderat und Armenpfleger in Poplar und setzte sich unermüdlich für die Armen und Benachteiligten im Londoner East End ein.[6] Hansen lernte ihn über Joseph Fels kennen, der mit Lansbury bei der Organisation von Arbeitsprogrammen zur Unterstützung von Arbeitslosen zusammengearbeitet hatte. 1889 hatte Lansbury als Vertreter für Jane Cobden fungiert, als diese in den London County Council gewählt wurde.[7] Lansbury war auch Emmeline Pankhurst bekannt, die sich während der Parlamentswahlen 1895 im Wahlkreis Walworth für ihn eingesetzt hatte.[2]S. 45 Seit der Wahl von Cobden hatten sich Lansburys Prioritäten auf Armut und Arbeitslosigkeit verlagert.[7]
Da die lokale ILP durch einen geheimen Wahlpakt mit den Liberalen verpflichtet war, den liberalen Kandidaten Havelock Wilson zu unterstützen, konnte die ILP Lansbury nicht unterstützen. Hansen versuchte erfolglos, diese Einschränkung zu umgehen. Sie schrieb an Ramsay MacDonald und wies auf die Vorteile einer Unterstützung von Lansbury für die Arbeiterbewegung hin, aber auch MacDonald konnte nicht helfen. Lansbury kandidierte als unabhängiger Sozialist. Hansen, die als seine Wahlkampfmanagerin fungierte, überzeugte Lansbury, in seiner Wahlrede nicht nur ein Bekenntnis zum Frauenwahlrecht, sondern auch andere radikale sozialistische Politikpunkte aufzunehmen: irische Selbstverwaltung, staatliche Renten, Vollbeschäftigung und die Anerkennung von Gewerkschaften. Laut Lansburys Biograpf John Shephard zeigte sie „die wesentliche Eigenschaft eines jeden Wahlkampfmanagers: […] in allen Situationen Optimismus zu bewahren, egal wie groß die Schwierigkeiten auch sein mögen“. Frederick Hansen fungierte als Wahlkampfkassierer, und die meisten Kosten wurden von Fels und Walter Coates getragen. Lansbury verlor die Wahl jedoch deutlich mit weniger als 9 Prozent der Gesamtstimmen.[2]S. 86–88
Hansen war maßgeblich dafür verantwortlich, Lansbury mit dem Thema Frauenwahlrecht vertraut zu machen.[2]S. 89, 121 Nachdem Lansbury 1910 endlich ins Parlament eingezogen war, äußerte er gegenüber Hansen seine Skepsis gegenüber der Fähigkeit seiner Labour-Kollegen, das Frauenwahlrecht durchzusetzen, obwohl die Partei sich inzwischen offiziell dazu verpflichtet hatte. 1912 legte Lansbury sein Parlamentsmandat nieder – trotz Hansens dringlicher Bitten, dies nicht zu tun –, um sich ausschließlich für das Frauenwahlrecht einzusetzen.[2]S. 121 f. Im August 1913 wurde Lansbury wegen Aufwiegelung inhaftiert, nachdem er öffentlich die militanten Taktiken der Suffragettenorganisationen unterstützt hatte, die zu diesem Zeitpunkt bereits weit über die Grenzen der Legalität hinausgegangen waren. Obwohl er schnell wieder freigelassen wurde, schrieb Hansen ihm zustimmend: „Sie haben Großes für uns geleistet. Es […] zeigt, wie weit wir noch im Mittelalter leben, insbesondere in Fragen, die das Wohlergehen von Frauen betreffen.“[2]S. 133 Hansens Sorge um Lansbury erstreckte sich auch auf dessen Familie, insbesondere auf seine Frau Bessie, mit der sie eine herzliche und dauerhafte Freundschaft verband.[2]S. 352 f.
Im Jahr nach den Parlamentswahlen im Januar 1906, die die Liberalen mit großer Mehrheit gewannen, war die WSPU in einer Reihe von Nachwahlen aktiv. Hansen nahm an mehreren dieser Kampagnen teil. Im Wahlkreis Cockermouth kam es im August 1906 zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der WSPU darüber, ob Robert Smillie, der Kandidat der ILP, unterstützt werden sollte. Smillie befürwortete das Frauenwahlrecht im Allgemeinen, war jedoch kein erklärter Befürworter; er teilte die Ansicht der meisten Labour-Abgeordneten, dass Gewerkschaftsreformen Vorrang vor Frauenfragen haben sollten. Christabel Pankhurst und andere beschlossen eine separate Kampagne gegen alle drei erklärten Kandidaten und organisierten entsprechend konkurrierende Versammlungen. Dies stellte diejenigen wie Hansen und Mary Gawthorpe, die der ILP stark verbunden waren, vor Schwierigkeiten. Obwohl Gawthorpe sich für Smillie aussprach, folgte Hansen Pankhursts Linie, was ihre lokale ILP weiter verärgerte und zu ihrem vorübergehenden Rücktritt als Sekretärin führte.[2]S. 84 f.[8]
In ihren 1968 verfassten Memoiren gibt die Suffragette Hannah Mitchell einige Einblicke in Hansens Leben in den Jahren 1906 bis 1910. Mitchell erinnert sich an ihre Wahlkampagne während einer Nachwahl im Wahlkreis Huddersfield im November 1906; während sie eine Reihe von Versammlungen leitete, erkältete sich Mitchell: „Ich wurde so krank, dass meine Gastgeberin, Mrs. Coates-Hanson [sic!], mich sofort ins Bett brachte […] Dank ihrer Freundlichkeit schaffte ich es, alle Versammlungen zu überstehen, und sie bestand darauf, dass ich ein paar Tage zum Ausruhen blieb. Das Haus der Hansons war wunderschön, und es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich bedient und gepflegt wurde, während die schöne Höflichkeit von Herrn und Frau Hanson untereinander und gegenüber ihren Gästen diese wenigen Tage wie einen Blick ins Paradies erscheinen ließ.“[9]
1907 kam es zu einer Abspaltung von der WSPU, weil viele Mitglieder mit der autokratischen Führung durch die Pankhursts und auch der Distanz zur Arbeiterbewegung unzufrieden waren.[10] Hansen war unter denen, die die Women’s Freedom League (WFL) gründeten. Die WFL verfocht wie die WPSU eine aktionistische Agenda, verabschiedete jedoch eine demokratische Verfassung. Sie sammelte viele der Arbeiterinnen aus der WSPU und förderte bessere Beziehungen zur Arbeiterbewegung im Parlament.[10] Hansen war zusammen mit Charlotte Despard und Teresa Billington-Greig im ersten Exekutivkomitee der WFL. Trotz ihrer Rolle bei der Gründung der WFL gibt es nur wenige Aufzeichnungen über Hansens Aktivitäten für diese Organisation, obwohl ihre Korrespondenz mit Lansbury in den Jahren bis 1914 darauf hindeutet, dass sie sich weiterhin leidenschaftlich für das Frauenwahlrecht engagierte. Möglicherweise gehörte sie zu den WFL-Mitgliedern, die bei der Eröffnung des Parlaments am 29. Januar 1908 eine Petition an König Eduard VII. richten wollten, und nahm an den Massenkundgebungen vor dem Unterhaus und vor 10 Downing Street teil, die die WFL im Sommer 1909 organisierte.[5]
Die Aktivitäten von Hansens zukünftiger Schwägerin Alice Schofield (sie heiratete Charles Coates im Jahr 1910) waren öffentlichkeitswirksamer und sind besser überliefert.[5] Obwohl die beiden Frauen gemeinsame politische und ideologische Anliegen hatten, standen sie sich nicht nahe; Schofields Tochter Marion Johnson berichtete 1975 in einem Interview, dass die beiden sich nicht mochten und nach Möglichkeit Abstand voneinander hielten.[3]
Nach dem Ersten Weltkrieg, während dessen die aktivistischen Kampagnen für das Frauenwahlrecht weitgehend ausgesetzt waren, scheint Hansen ihre Aktivitäten in der WFL nicht wieder aufgenommen zu haben. 1919 wurden sie und Alice Coates als erste Frauen in den Stadtrat von Middlesbrough gewählt – Coates wurde eine Woche vor Hansen gewählt. Hansens Hauptanliegen als Stadträtin betrafen die Slumsanierung und den Wohnungsbau. In den 1930er Jahren sprach sie sich gegen die wahllose Zerstörung von Gebäuden im historischen Stadtteil St Hilda’s aus und argumentierte, dass viele der zum Abriss vorgesehenen Häuser „eine schöne Fassade und Innenausstattung hätten, die es schwierig machen, Mängel zu finden.“[11]
Ab 1911 lebte das Ehepaar Hansen, das ohne Kinder blieb, im Stadtteil Nunthorpe.[12] Später, nach dem Tod von Frederick Hansen, lebte Hansen in Great Ayton außerhalb von Middlesbrough, wo sie am 2. Januar 1947 starb.[13]
John Shephard zitiert Lansburys Beschreibung von Hansen als „eine sehr zierliche Frau: Ihr zerbrechlicher Körper besitzt einen eisernen Willen und einen mutigen Geist. Die Freiheit, für die sie kämpfte, war eine, die Körper, Seele und Geist befreien würde.“[2]S. 117 f. Shepherd bemerkt auch, dass ihr Name „in den Standardwerken zur Geschichte der Suffragettenbewegung kaum erwähnt“ wird.[2]S. 84 f. Der lokale Geschichtsverein in Nunthorpe bezeichnet sie als „eine außergewöhnliche Feministin, die von Historikern vergessen wurde“.[12]
Einzelnachweise
- ↑ Daten des Zensus England 1901.
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n John Shepherd: George Lansbury: At the Heart of Old Labour. Oxford University Press, Oxford 2002, ISBN 0-19-820164-8.
- ↑ a b Johnson, Mrs Marion. In: Oral Evidence on the Suffragette and Suffragist Movements: the Brian Harrison interviews, 1974–1988. The Women's Library, 12. April 1977, abgerufen am 8. Juni 2025.
- ↑ Karen Hunt: Equivocal Feminists. Cambridge University Press, Cambridge 1996, ISBN 0-521-55451-9, S. 201.
- ↑ a b c Elizabeth Crawford: The Women’s Suffrage Movement: A Reference Guide, 1866–1928. Psychology Press, Londin 2001, ISBN 978-0-415-23926-4, S. 130, 720 f.
- ↑ John Shepherd: Lansbury, George (1859–1940). In: H. C. G. Matthew und Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography. Oxford 28. Mai 2015, doi:10.1093/ref:odnb/34407.
- ↑ a b Jonathan Scheer: George Lansbury: Lives of the Left. Manchester University Press, Manchester 1990, ISBN 0-7190-2170-7, S. 71–75, 87.
- ↑ Andrew Rosen: Rise Up, Women! Routledge, London 2013, ISBN 978-0-415-62384-1, S. 69–71 (Erstausgabe: 1974).
- ↑ Geoffrey Mitchell (Hrsg.): The Hard Way Up, the Autobiography of Hannah Mitchell, Suffragette and Rebel. Virago, London 1968, ISBN 978-0-86068-002-4, S. 35, 88 f.
- ↑ a b Martin Pugh: The Pankhursts. Vintage, London 2008, ISBN 978-0-09-952043-6, S. 144, 163–167.
- ↑ Paul Delplanque: Over the Border. Gazette Live, 11. Juni 2010, archiviert vom am 17. Juli 2010; abgerufen am 22. August 2025.
- ↑ a b Famous people of Nunthorpe. Nunthorpe History Group, 14. November 2012, archiviert vom am 2. Dezember 2012; abgerufen am 22. August 2025.
- ↑ Name of deceased (surname first). In: The London Gazette. Nr. 38004, 1. Juli 1947, S. 3038.