Marguerite Dilhan

Plakette an Marguerite Dilhans Kanzlei in Toulouse

Julie Marguerite Dilhan (* 17. September 1876 in Miélan; † 3. März 1956 in Toulouse) war eine französische Juristin. Sie eröffnete als erste Frau eine eigene Kanzlei und trat am 26. November 1903 vor einem Cour d’assises auf.[1]

Leben

Julie Marguerite wurde 1876 in Miélan (Gers) als Tochter von Ferdinand Dilhan und Antoinette Cécile Valérie Ponsan geboren, die am 27. Dezember 1875 in Sembouès heirateten. Sie war 16 Jahre alt, als ihr Vater starb, und 18 Jahre, als ihre Mutter starb. Die Familie hinterließ drei Töchter, von denen Marguerite die älteste war.[2] Sie nahm ein Studium an der juristischen Fakultät der Universität Toulouse auf und erwarb 1902 einen Abschluss in Rechtswissenschaften.[2][3] Sie wurde zur Präsidentin der Studentenvereinigung von Toulouse gewählt und freundete sich mit Marthe Condat an, der ersten Frau, die in Frankreich Medizin studierte. Dilhan wurde am 13. Juli 1903 im Alter von 27 Jahren vereidigt.[4]

Das Gesetz vom 1. Dezember 1900 ermöglichte Frauen dank des Kampfes von Jeanne Chauvin den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts.[5] Marguerite Dilhan war die dritte Frau, die nach Olga Petit und Jeanne Chauvin vereidigt wurde.[6] Maître Dilhan war die erste Anwältin in Frankreich, die ab November 1903 in einem Mordfall vor dem Schwurgericht auftrat.[7] Dieser erste Fall wurde von den damaligen Zeitungen ausführlich verfolgt, die ihre Kleidung und ihr Aussehen kommentierten und berichteten, dass sie vom Präsidenten für ihr Plädoyer gelobt wurde.[8][9][10][11]

Im Jahr 1904 verteidigte sie die radikale Feministin Arria Ly vor dem Schwurgericht und erreichte ihren Freispruch.[4][12] Agathe Dyvrande-Thévenin lud sie ein, Mitglied der „Groupement Amical des Avocates de France“ zu werden, als Frauen noch nicht das Wahlrecht hatten. Marguerite Dilhan wurde zu ihrer Vizepräsidentin gewählt. Sie trat vor allen Gerichten auf, auch vor den Kriegsgerichten während des Ersten Weltkriegs. Sie war die Anwältin der spanischen Gemeinschaft[A 1] in Toulouse, die nach der Retirada zahlreich war.[4]

Sie engagierte sich auch stark in Wohltätigkeitsorganisationen. Da beide Eltern an Tuberkulose starben, war sie schon früh in der Liga gegen Kindertuberkulose aktiv. In Abstimmung mit ihrer Freundin Marthe Condat kämpfte sie gegen andere Hygiene- und Gesundheitsprobleme, u. a. unterstützte sie La Goutte de lait[A 2]. In Verbindung mit ihrer Tätigkeit als Anwältin war sie Sekretärin der Société de Patronage des Libérés par le Travail (Gesellschaft zur Unterstützung der durch Arbeit Befreiten). Sie war Mitglied der laizistischen Vereinigung L’École de la Paix[A 3] (Schule des Friedens).[1]

Sie war praktizierende Katholikin und wurde am 6. März 1956 in der Basilika Saint-Sernin in Toulouse in Anwesenheit zahlreicher Mitglieder der Anwaltskammer beerdigt.[4]

Ehrungen

Marguerite Dilhan wurde 1933 zum Ritter der Ehrenlegion und 1949 zum Offizier der Ehrenlegion ernannt.[13] Die Universität Toulouse ehrte sie während des Monats der Gleichheit im Jahr 2025.[14] Die Stadt Toulouse hat eine Straße nach ihr benannt und eine Tafel an der Adresse ihrer Kanzlei, 2 bis rue Gatien-Arnoult, angebracht. Auch in anderen Ortschaften, vornehmlich im Gers, wurden Straßen nach ihr benannt.

Literatur

  • Jean-Louis Debré: Ces femmes qui ont réveillé la France. Fayard, 2013, ISBN 978-2-213-67566-4 (google.de).
  • Anne Sireyjol: La première avocate; Marguerite Dilhan 1876–1956. Amazon Fulfillment, 2019, ISBN 978-1-09-348552-3 (hal.science).

Anmerkungen

  1. Siehe hierzu Diaspora espagnole en France in der frankophonen Wikipédia.
  2. La Goutte de lait (so in der französischsprachigen Wikipédia zu finden) bezeichnet eine Organisation, die sterilisierte Milch an Mütter verteilt, die ihre Kinder nicht stillen können, eine Säuglingsberatung durchführt und Müttererziehung in Säuglingspflege und Hygiene anbietet.
  3. Die École de la paix (siehe frankophone Wikipédia) setzt sich für die Förderung einer Kultur des Friedens und des Zusammenlebens ein, indem sie sich auf drei Tätigkeitsbereiche konzentriert: Bildung, Hochschulbildung und Forschung sowie internationale Vermittlung und Solidarität.

Einzelnachweise

  1. a b Literatur Debré 2013
  2. a b Bernard Magnat: Marguerite Dilhan. In: Le Journal du Gers. 8. März 2023, abgerufen am 12. Mai 2025 (französisch).
  3. Gil Blas vom 30. November 1903; Robe sur robe auf Gallica
  4. a b c d Literatur Sireyjol 2019
  5. Loi du 1 décembre 1900 ayant pour objet de permettre aux femmes munies des diplômes de licencié en droit de prêter le serment d’avocat et d’exercer cette profession. In: Légifrance. Abgerufen am 4. September 2023 (französisch).
  6. Anne Sireyjol: Marguerite DILHAN Première avocate de Toulouse et première avocate de France (Memento vom 1. Dezember 2021)
  7. Jean Cohadon: Anne Sireyjol : Marguerite Dilhan a été la première avocate à plaider. In: La Dépêche. 20. Oktober 2019, abgerufen am 12. Mai 2025 (französisch).
  8. Le Figaro vom 29. November 1903; Gazette du Tribunaux unten rechts auf Gallica
  9. L’Impartial vom 27. Dezember 1903; Informations générales auf Gallica
  10. La Justice vom 30. November 1903; Informations auf Gallica
  11. Le Rappel vom 29. November 1903; Les débuts d'une avocate auf Gallica
  12. Sylvie Chaperon, Christine Bard: Dictionnaire des féministes. France - XVIIIe–XXIe siècle. Humensis, 2017, ISBN 978-2-13-078722-8 (google.de).
  13. Dilhan. In: Base Léonore. Abgerufen am 12. Mai 2025 (französisch).
  14. En mars, UT Capitole célèbre le Mois de l'égalité ! In: Université Toulouse Capitole. Abgerufen am 12. Mai 2025 (französisch).