Magrovirales

Magrovirales

Schemazeichnung: Virion der Familie
Aoguangviridae (Querschnitt & Seitenansicht)

Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Duplodnaviria
Reich: Heunggongvirae
Phylum: Uroviricota
Klasse: Caudoviricetes
Ordnung: Magrovirales
Taxonomische Merkmale
Genom: dsDNA zirkulär unsegmentiert
Baltimore: Gruppe 1
Symmetrie: ikosaedrisch, tailed
(Siphoviren)
Hülle: keine
Wissenschaftlicher Name
Magrovirales
Links
ICTV Taxon History: 202214313 (Ord.),
202214316 (Fam.)
NCBI Taxonomy: 3044430 (Ord.)
ViralZone (Expasy, SIB): 10958 (Fam.)

Magrovirales ist eine Ordnung mariner Archaeenviren mit Kopf-Schwanz-Aufbau (englisch archaeal tailed viruses, arTVs) – diese Morphologie weist sie als Mitglieder der Klasse Caudoviricetes aus.[1][2]

Die Ordnung wurde im März 2023 vom International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) mit ursprünglich zwei Familien eingerichtet.[3][2]

Fundort

Eine Metagenomik-Analyse von Proben aus dem Oberflächenwasser des Yangshan-Tiefwasserhafens (洋山深水港 yángshān shēnshuǐgǎng, bei Shanghai) hatte zuvor eine Reihe von viralen Contigs ergeben, von denen einige offenbar vollständige Virusgenome darstellen.[1] Weitere Funde stammen aus dem Ästuar vom Brisbane Rive, Queensland (Australien).[4][5]

Genom und Proteom

Eine Clusteranalyse zeigte, dass diese in Verbindung standen zu bereits zuvor beschriebenen Viren von Archaeen-Wirten zweier Gruppen:[2]

Die Viren dieser beiden Gruppen kodieren für charakteristische Proteine der Klasse Caudoviricetes, darunter:[2]

All dies zeigt, dass sie Mitglieder dieser Virusklasse sind. Fünf der Genome vom Yangshan-Tiefwasserhafen (neben YSH_150918 noch YSH_462411, YSH_174770, YSH_922147 und YSH_1032793), konnten sogar als zirkulär geschlossene Contigs rekonstruiert (assembliert) werden. Man kann daher davon ausgehen, dass es sich um vollständige Virusgenome handelt.[2]

Das vorhergesagte Gen für den Schwanzaufbau und Organisation der Gene für die Kopf-Schwanz-Verbindung legen nahe, dass diese fünf Viren den Morphotyp der Siphoviren haben, d. h. ikosaedrische Kapside und lange, nicht kontraktile helikale Schwänze.[1]

Mögliche Wirte

Eines der ursprünglich gefundenen Viren aus China (YSH_150918) war mit marinen Archaeen der Ordnung Poseidoniales assoziiert.[A. 1] Da die Archaeen dieser Ordnung früher als englisch Marine Group II bezeichnet wurden, bezeichnet man diese Viren zusammen mit anderen informell (nicht-taxonomisch) auch als Magroviren (englisch magroviruses, ein Kofferwort aus marine group [II] viruses).

Systematik

Die Systematik der Magrovirales ist gemäß International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) mit Stand Anfang März 2025 wie folgt:[6][7]

Ordnung Magrovirales[8]

  • Familie Aoguangviridae (früher „Magrovirus B“)
  • Familie Apasviridae (früher „Magrovirus A“)
  • Familie Krittikaviridae (früher „Magrovirus E“)

Etymologie

  • Der Ordnungsname Magrovirales ist eine Verkürzung von englisch marine group [II] (dem provisorischen Namen der Euryarchaeota-Ordnung Poseidoniales), gefolgt vom Suffix ‚-virales‘ für Virusordnungen.[3][2]
  • Der Familienname Aoguangviridae ist benannt nach der mythischen Figur Ao Guang (敖廣 áo guǎng, auch 敖光 áo guāng), dem Drachenkönig des Ostchinesischen Meeres, gefolgt vom Suffix ‚-viridae‘ für Virusfamilien.[2][A. 2]
    • Der Gattungsname Aobingvirus ist benannt nach der mythischen Figur Ao Bing (敖丙 áo bǐng), dem Sohn von Ao Guang.[2][A. 3]
      • Das Art-Epitheton yangshanense ist neulateinisch und bedeutet ‚vom Yangshan [Hafen]‘ oder ‚zum Yangshan [Hafen] gehörig‘.
  • Der Familienname Apasviridae verweist auf Apas, zusammen mit Avesta dien alten Wassergöttinnen der indischen Mythologie.[11]
    • Der Gattungsname Agnivirus ist nach dem Hindu-Gott Agni benannt, da nach der alten indischen Mythologie das Feuer des Lebens auf der Erde aus Apas geboren wurde.[12]
      • Das Art-Epitheton brisbanense verweist aus den Brisbane River als Fundort des Exemplar-Virus.[12]
  • Der Familienname Krittikaviridae ist nach Krittika benannt, einer legendären Prinzessin, die nach der alten indischen Mythologie in einem indischen Fluss (Ganges) badete und eine der sechs Nymphen, die den Gott Karttikeya (alias Skanda) aufzogen.[10]
    • Der Gattungsname Velanvirus ist benannt nach Velan, dem Kind von Krittika, das der alten indischen Mythologie zufolge im Wasser geboren wurde und umhertrieb.[10]
      • Das Art-Epitheton brisbanense verweist aus den Brisbane River als Fundort des Exemplar-Virus.[10]

Anmerkungen

  1. Wenn in Metagenomik-Analysen Genome einer Organismen- oder Virenart immer zusammen mit denen einer anderen gefunden werden, dann nennt man diese Genome ‚assoziiert‘. Nur über weitere Indizien kann dann geschlossen werden, dass tatsächlich Parasitismus vorliegt, etwa eine Virus-Wirt-Beziehung, auch wenn das meist naheligt. Ein Virus könnte etwa Symbionten oder Krankheitserreger des assoziierten Organismus parasitieren, die im Metagenomik-Verfahren übersehen wurden. In seltenen Fällen könnte ein assoziiertes Virus dem zellulären Organismus auch als Nahrung gedient haben. Aus diesem Grund verwendet man in der Metagenomik lieber den neutralen Begriff ‚assoziiert‘.
  2. Mit der chinesische Bezeichnung 病毒科 bìngdúkē, deutsch ‚Virusfamilie‘, ‚-viridae‘ (vgl. 冠狀病毒科 guàn zhuàng bìngdúkē, deutsch Coronaviridae, 擬菌病毒科 nǐ jūn bìngdúkē, deutsch Mimiviridae) wäre der chinesische Ausdruck für diese Familie daher 敖光病毒科 áoguāng bìngdúkē oder 敖廣病毒科 áoguǎng bìngdúkē.
  3. Die chinesische Bezeichnung der Virusfamilie wäre damit 敖丙病毒科 áobǐng bìngdúkē.

Einzelnachweise

  1. a b c Yifan Zhou, Liang Zhou, Shuling Yan, Lanming Chen, Mart Krupovic, Yongjie Wang: Diverse viruses of marine archaea discovered using metagenomics. In: Environmental Microbiology, Band 25, Nr. 3, Februar 2023, S. 367–382; doi:10.1111/1462-2920.16287, PMID 36385454, ResearchGate:365449304, Epub 24. November 2022 (englisch).
  2. a b c d e f g h i Yifan Zhaou, Mart Krupovic, Yongjie Wang: Create two new orders, Juravirales and Magrovirales, including two and one new families of marine archaeal viruses, respectively (docx in zip). Vorschlag 2022.003A an das ICTV (angenommen), Oktober 2022 (englisch). Memento im Webarchiv vom 8. März 2023 (docx).
    Anm.: Der Name Poseidoniales ist teilweise als Posidoniales verschrieben.
  3. a b ICTV: Order: Magrovirales. 2022 Release, MSL #38.
  4. a b NCBI Nucleotide: MAG: Poseidoniales virus isolate 139572_S173_108255 …. Accession: OR863078.
  5. a b NCBI Nucleotide. MAG: Poseidoniales virus isolate 139581_S182_79954 …. Accession: PP497039.
  6. ICTV: MSL #40.v1, 3. März 2025.
  7. ICTV: Virus Metadata Resource (VMR).
  8. NCBI Taxonomy Browser: Magrovirales.
  9. NCBI Taxonomy Browser: Poseidoniales virus YSH_150918 (no rank); Nucleotide: Poseidoniales virus YSH_150918, complete genome. GenBank: ON649702.1.
  10. a b c d A. Prabhu, Christian Rinke: Create one new family in the order Magrovirales (class Caudoviricetes) and one new order, ‘Adrikavirales’ within the class Caudoviricetes. Vorschlag 2024.002A.Adrikaivirales_neworder_2newfam (zip:docx). 18. März 2024 (angenommen mit MSL#40v1).
  11. ICTV: Family: Apasviridae §Etymology of the name.
  12. a b A. Prabhu, Christian Rinke: Create one new family in the order Magrovirales (class Caudoviricetes). Vorschlag 2024.001A.Apasiiviridae_newfam.zip (zip:docx). 24. Juli 2023 (angenommen mit MSL#30v1).