Lyrbe

Gesamtansicht von Lyrbe

Koordinaten: 36° 52′ N, 31° 29′ O

Reliefkarte: Türkei
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Lyrbe

Lyrbe (altgriechisch Λύρβη) war eine antike Stadt in der kleinasiatischen Landschaft Pamphylien.

Die Ruinenstätte liegt im Bergwald rund 23 km nördlich von Side, 5 km oberhalb des Dorfes Bucak Şeyhler, das 10 km nördlich von Manavgat liegt. Sie wurde lange Zeit mit der Stadt Seleukeia identifiziert, diese lag jedoch am Meer und ist daher wohl auszuschließen. Im Ausschlussverfahren kommt daher nur die Siedlung bei Bucak in Frage.[1] Eine Inschrift mit dem Namen der Stadt ist dort bisher allerdings noch nicht gefunden worden.

Geschichte

1972 wurde hier eine sidetisch-griechisch bilingue Inschrift gefunden, die an das Ende des 4./Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. datiert wird.[2]

Der Ort wird im 2. Jahrhundert bei Dionysius Periegetes, der die Stadt in Pisidien lokalisiert[3] und Ptolemäus, der sie als Binnenstadt der zu Pamphylien gehörigen Kilikia Tracheia nennt[4], erwähnt.

Münze von Lyrbe

Lyrbe prägte von Marc Aurel bis Valerian Münzen.[5]

Im 6. Jahrhundert wird Lyrbe von Hierokles in einer Auflistung von Orten in der Provinz Pamphylia genannt.[6]

In der Spätantike war Lyrbe Bischofssitz, Bischof Gaios nahm 381 am Konzil von Konstantinopel teil, Bischof Tarianos 451 am Konzil von Chalkedon. Es wurde bis ins 12. Jahrhundert als Bistum der Pamphylia I (Metropolis Side) verzeichnet.[7]

Side war die Hafenstadt für Lyrbe, umgekehrt kontrollierten die Bewohner von Lyrbe die Straßenpässe, die nach Norden über das Taurusgebirge führten.

Archäologie

Die antike Stadt mit der gut erhaltenen Agora (Marktplatz) liegt schwer zugänglich und verschont von neuzeitlicher Besiedlung inmitten eines dichten Pinienwaldes. Die Stätte wurde Anfang der 1970er Jahre von Istanbuler Archäologen unter Leitung von Jale İnan erforscht. Dabei wurde unter anderem ein Orpheusmosaik, ein Philosophenmosaik[8] und eine Bronzestatue des Apollon gefunden, die sich heute im Museum von Antalya befinden.

Philosophenmosaik aus Lyrbe, Antalya, Museum

Überreste einer byzantinischen Kirche – in unmittelbarer Nähe des von vier ionischen Säulen umgebenen Raumes des Orpheusmosaiks an der Nordseite der Agora – zeigen, dass der Ort auch in der Spätantike noch bewohnt war. Aufgrund ihrer strategisch günstigen Plateau-Lage auf einem nach Westen abfallenden Berghang brauchte die Stadt nur im Süden durch eine auch heute noch bis zu einer Höhe von 9 Metern erhaltene Stadtmauer geschützt werden.

Die kaiserzeitliche Agora ruht, um ein ebenes Gelände zu gewinnen, im Westen auf gewaltigen Substruktionen mit Tonnengewölben, die als Magazine genutzt wurden. Im Westen erheben sich acht zweigeschossige Ladengebäude, wie sie in ihrer Erhaltung nur aus Pompeji oder Herculaneum bekannt sind. Südlich schließt sich ein kleines Odeion an.

Wenige Meter nördlich des Marktplatzes ist ein kleiner Podiumstempel mit einem ehemals viersäuligen Pronaos gut erhalten. Weiter westlich lassen sich große Thermen erkennen, deren Reste massiver Marmorauskleidungen für den ursprünglichen Reichtum der Stadt sprechen. Spätere Umbauten erfolgten dann nur noch mit dünnen Platten aus gepresstem Marmorstaub.

Literatur

  • Walther Ruge: Lyrbe. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XIII,2, Stuttgart 1927, Sp. 2498 (Digitalisat).
  • Jale İnan: Toroslar'da bir antik kent: Lyrbe? – Seleukeia? = Eine antike Stadt im Taurusgebirge. Arkeoloji ve Sanat Yayinları, Istanbul 1998, ISBN 975-7538-93-0.
  • Wolfram Martini: Seleukeia [4]. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 11, Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-01481-9.
  • Hansgerd Hellenkemper, Friedrich Hild: Lykien und Pamphylien (= Tabula Imperii Byzantini Band 8). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3280-8, S. 694–696 (Digitalisat).
  • Nazlı Yıldırım: Lyrbe Agorası. In: Uluslararası Genç Bilimciler Buluşması II: Anadolu Akdenizi Sempozyumu 04–07 Kasım 2015 Antalya Sempozyum Bildirileri. Istanbul 2018, ISBN 978-605-2116-52-4, S. 831–844 (Digitalisat).
  • Işıl Işıklıkaya: Adını Arayan Kent: Lyrbe? = The City in Search of Its Name: Lyrbe?. In: Pamphylia. Harmony of the Peoples on the Fertile Plain. Yapı Kredi Yayınları, Istanbul 2024, ISBN 978-975-08-6248-9, S. 442–459.
  • Işıl Işıklıkaya: Lyrbe (?) Archaeological Survey – 2023. In: ANMED. News Bulletin on Archaeology from Mediterranean Anatolia 22, 2024, S. 42–46 (Digitalisat).
Commons: Lyrbe – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Johannes Nollé: Forschungen in Selge und Ostpamphylien. In: VI. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 1988, S. 257–259 (Digitalisat). Siehe aber Hartwin Brandt: Geschichte und Wirtschaft Pamphyliens und Pisidiens im Altertum (= Asia Minor-Studien Band 7). Habelt, Bonn 1992, ISBN 3-7749-2554-2, S. 57–59 (Digitalisat).
  2. Johannes Nollé: Side im Altertum. Geschichte und Zeugnisse Band 2 (= Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien. Band 44). Habelt, Bonn 2001, ISBN 3-7749-2964-5, S. 640–641 Nr. S.6.
  3. Dionysius Periegetes 859; Eustathios von Thessalonike, Kommentar zu Dionysius Periegetes 368.
  4. Claudius Ptolemäus 5, 5, 8.
  5. Münzen von Lyrbe bei Roman Provincial Coinage.
  6. Hiéroklès: Le Synekdèmos d’Hiéroklès et l’opuscule géographique de Georges de Chypre. Hrsg.: Ernest Honigmann. Institut de Philologie et d’Histoire Orientales et Slaves, Brüssel 1939, S. 682, 4.
  7. Jean Darrouzès: Notitiae episcopatuum Ecclesiae Constantinopolitanae (= Géographie ecclésiastique de l’empire byzantin. Band 1). Paris 1981 (Teil 1, 199; Teil 2, 258; Teil 3, 291; Teil 4, 214; Teil 7, 243; Teil 9, 152; Teil 10, 169; Teil 13, 168).
  8. Nazlı Yıldırım: The Mosaic of the Sages from Lyrbe/Seleukeia. In: SOMA 2011. Proceedings of the 15th Symposium on Mediterranean Archaeology, held at the University of Catania 3–5 March 2011. Archaeopress, Oxford 2015, S. 617–626 (Digitalisat).