Ludwig Schongauer
Ludwig Schongauer (* vor 1450, wohl in Colmar; † 1494 in Colmar) war ein deutscher Maler und Kupferstecher der Spätgotik.
Leben
Über sein Leben ist wenig bekannt. Sein Vater Caspar war ein Goldschmied aus Augsburg, der sich 1440 in Colmar niederließ. Sein älterer Bruder ist der berühmte Maler und Graphiker Martin Schongauer. Ludwig erhielt seine Ausbildung wohl in Colmar und ging auf Wanderschaft. Er bekam 1479 das Ulmer Bürgerrecht geschenkt, was zeigt, dass man viel von ihm hielt und ihn in der Stadt halten wollte. Er heiratete in eine Ulmer Malersippe. 1486 erkaufte er sich das Bürgerrecht in Augsburg und führte dort eine Werkstatt. Nach dem Tod seines Bruders Martin 1491 übernahm er dessen Werkstatt, erwarb 1493 das Colmarer Bürgerrecht, starb aber schon 1494.
Werk
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Die Kupferstiche sind durch ein Monogramm, das dem seines bekannteren Bruders Martin nachgemacht ist, gesichert. Alle anderen Werke wurden ihm durch Stilvergleich zugeschrieben. Die Zuschreibungen sind in der Forschung umstritten,[1] da die Werke stilistisch unterschiedlich sind.
Die schwierige Forschungslage lässt sich mit den Worten zweier Kunsthistoriker prägnant zusammenfassen: „Wirklich beglaubigte Werke seiner Hand bleiben schließlich doch nur die vier Kupferstiche des Künstlers“ (Max Lehrs, 1927).[2] Und: „Die Person des Ludwig Schongauer ist ein Rätsel. Der zweite Maler der Familie muß noch entdeckt ... werden“ (Albert Châtelet, 1991).[3]
Sollten die Zuschreibungen zutreffen, muss man Ludwig Schongauer eine wichtige Rolle in der Kunstentwicklung zuschreiben: er vermittelte Errungenschaften des oberrheinischen Kunstkreises nach Ulm und dann nach Augsburg, unter anderem:
- die Belebung der dargestellten Szenen durch Gestik und Gefühlsausdruck,
- die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe der Umgebung in Bildern von Landschaft oder bürgerlicher Wohnumgebung.
In Ulm und Augsburg wurden diese Anregungen wohl intensiv aufgenommen und verarbeitet.
Tafelmalerei
Vier Tafeln eines Marienaltars, um 1475 (Ulm, Museum Ulm):[4]
- Joachims Opfer wird vom Hohepriester zurückgewiesen
- Begegnung von Joachim und Anna an der Goldenen Pforte
- Geburt Mariens
- Darstellung Mariens im Tempel
Fünf Tafeln eines Marienaltars, um 1480:
- Mariä Heimsuchung und Anbetung der hl. drei Könige (Darmstadt, Hessisches Landesmuseum)[5]
- Beschneidung Jesu (Paris, Musée du Louvre, aber seit 1967 ausgestellt in Colmar, Musée d’Unterlinden)[6]
- Mariä Verkündigung (Privatbesitz)
- Geburt Jesu (Philadelphia)
Ulmer Hausaltar(?), Passionsaltar, wohl um 1479–1486 (Schongauers Ulmer Zeit, frühestmögliches Datum nach Dendrochronologie: 1477): Drei Altarflügel sind bekannt, der vierte Flügel und der geschnitzte Schrein sind verloren.[7]
- Christus vor Pilatus und Auferstehung (New York, Metropolitan Museum of Art)
- Geißelung und Kreuztragung (Salem, Schloss, aus Kloster Salem)
- Gefangennahme und Grablegung (Brüssel, Privatbesitz)[8][9]
Außerdem wird bei den 24 Tafelbildern des Colmarer Dominikaneraltars, deren Malerzuschreibung ungeklärt ist, diskutiert, ob eine weitgehende Beteiligung Ludwigs möglicherweise gewisse stilkritische Beobachtungen erklären könnte und ob eine Zusammenarbeit der Brüder Martin und Ludwig Schongauer die Zuschreibungsprobleme lösen könnte.[10]
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Druckgraphik
Nach dem Werkverzeichnis von Max Lehrs (1927) sind vier monogrammierte Kupferstiche Ludwig Schongauers bekannt,[11] die wohl in Schongauers Colmarer Zeit (1491–1494) entstanden.[3]
- Die Kreuzabnahme (Wien)[12][13]
- Eine liegende Kuh (Basel)
- Zwei Hunde (Dresden und ein verschollenes Exemplar)
- Der Elefant mit seinem Führer (Wien)[14]
Zeichnungen
Wie die Tafelbilder sind auch die Zeichnungen dem Künstler nur durch Stilvergleich zugeschrieben. Soweit in der nachstehenden Liste nicht anders angegeben, handelt es sich um Federzeichnungen.
- Christliche Motive
- Vorbereitungen zur Kreuzigung Christi (Basel), eine großformatige (21,2 × 29,7 cm) und vielfigurige Darstellung[15][16]
- Vier Szenen der Passion Christi (Dresden): Christus und die schlafenden Jünger am Ölberg,[17] Kreuztragung,[18] Kreuzigung,[19] Grablegung[20]
- Brustbild eines Schergen (Dresden), Zuschreibung fraglich (Ludwig oder Martin Schongauer?)[21]
- Sonstige figürliche Motive
- Zwei wilde Männer und ein Kind zu Pferde (St. Petersburg)[22][23]
- Wilder Mann, auf einem galoppieenden Pferd sitzend (Basel)[24]
- Tiermotive
- Der Wolf und die Ziege (Basel)[25]
- Liegender Hirsch (Basel)[26]
- Löwe mit Helm, ein Wappen und eine Oriflamme haltend (Basel)[27]
- Angeketteter Affe vor einem Feuer (Basel). – Daran anknüpfend wird die Zuschreibung einer weiteren Zeichnung eines sitzenden Affen (New York) an Ludwig Schongauer diskutiert.[28]
Literatur
- Hubert Janitschek: Schongauer, Ludwig. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 734 f.
- Schongauer, Künstlerfamilie. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 30: Scheffel–Siemerding. E. A. Seemann, Leipzig 1936, S. 249 (biblos.pk.edu.pl – 12 Zeilen über Ludwig Schongauer gegenüber 5 Seiten über Martin Schongauer).
- Anna Moraht-Fromm: Ludwig Schongauer und die anderen … – Zum Problem des künstlerischen Austausches zwischen der schwäbischen und der oberrheinischen Kunstlandschaft. In: Spätmittelalter am Oberrhein. Teil 1: Maler und Werkstätten 1450–1525. Ausstellungskatalog (Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle). Thorbecke, Stuttgart 2001, ISBN 978-3-7995-0206-1, S. 31–40.
Weblinks
- Metropolitan Museum of Art: Christ before Pilate; The Resurrection (englisch; mit ausführlichen Angaben zu dem Passionsaltar)
Einzelnachweise
- ↑ Als Beispiel einer kritischen Stimme sei Albert Châtelet (1991) angeführt: „Die Handschrift Ludwig Schongauers ist recht willkürlich auf einem Altarbild erkannt worden, dessen noch erhaltene Flügel sich heute im Ulmer Museum befinden. Diese Gemälde weisen relativ enge Beziehungen zu den Buchillustrationen auf, die 1473 in Ulm (also vermutlich vor der Ankunft des Künstlers) von Johann Zainer herausgegeben wurden, können dafür aber nur sehr wenig mit den anderen Stichen mit der Signatur L S oder der Kunst Martin Schongauers in Verbindung gebracht werden.“ – Albert Châtelet: Ludwig Schongauer. In: „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 427–449, hier: S. 429 mit Abb. S. 430–431.
- ↑ Max Lehrs: Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert. Band 6: Martin Schongauer und seine Schule. Zweite Abteilung (Textband). Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1927, S. 55–63, hier S. 60, urn:nbn:de:bsz:16-diglit-198179.
- ↑ a b Albert Châtelet: Ludwig Schongauer. In: „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 427–449, hier S. 429.
- ↑ Inventar-Nr. 1953.8898 und 1981.9110: Gerald Jasbar, Erwin Treu: Bildhauerei und Malerei vom 13. Jahrhundert bis 1600 (= Ulmer Museum (Hrsg.): Kataloge des Ulmer Museums. Katalog 1). Ulmer Museum, Ulm 1981, S. 104–105, DNB 810971623.
- ↑ Wolfgang Beeh: Deutsche Malerei um 1260 bis 1550 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt (= Wolfgang Beeh [Hrsg.]: Kataloge des Hessischen Landesmuseums. Nr. 15). Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Darmstadt 1990, ISBN 3-926527-18-8, S. 184–186 Kat. 49 (knapper Katalogeintrag und zwei ganzseitige Schwarzweiß-Abbildungen).
- ↑ Musée du Louvre: Circoncision du Christ (französisch, englisch; knappe Katalogangaben, Provenienz, Bibliographie).
- ↑ Metropolitan Museum of Art: Christ before Pilate; The Resurrection (englisch; mit ausführlichen Angaben).
- ↑ Dieser Altarflügel wurde erst in jüngerer Zeit bekannt und 2003 in London versteigert.
- ↑ Ludwig Schongauer: Wing of an altarpiece – The Arrest of Christ. In: artnet.com. Artnet Worldwide Corporation, ehemals im (nicht mehr online verfügbar) (englisch). (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
- ↑ Albert Châtelet: Schongauer und die Malerei. In: „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 61–79, insb. S. 74–75.
- ↑ Max Lehrs: Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert. Band 6: Martin Schongauer und seine Schule. Zweite Abteilung (Textband). Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1927, S. 55–63, urn:nbn:de:bsz:16-diglit-198179.
Max Lehrs: Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert. Band 6: Martin Schongauer und seine Schule. Zweite Abteilung (Tafelband). Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1927, Taf. 150 Abb. 399–400, urn:nbn:de:bsz:16-diglit-340566. - ↑ Ludwig Schongauer – Die Kreuzabnahme. In: albertina.at. Albertina, 30. Mai 2018 (mit Abbildung).
- ↑ „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 432–433 Kat. L 1.
- ↑ Ludwig Schongauer – Der Elefant mit seinem Führer. In: albertina.at. Albertina, 9. September 2013 (ohne Abbildung).
- ↑ „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 434–437 Kat. L 2.
- ↑ Spätmittelalter am Oberrhein. Teil 1: Maler und Werkstätten 1450–1525. Ausstellungskatalog (Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle). Thorbecke, Stuttgart 2001, ISBN 978-3-7995-0206-1, S. 245.
- ↑ Inv. C 1911-17 – Christus am Ölberg (zugehörig: C 1911-18 bis 20). In: skd.museum. Staatsbetrieb Staatliche Kunstsammlungen Dresden (mit Abbildung).
- ↑ Inv. C 1911-18 – Kreuztragung (zugehörig: C 1911-17, -19, -20). In: skd.museum. Staatsbetrieb Staatliche Kunstsammlungen Dresden (mit Abbildung).
- ↑ Inv. C 1911-19 – Die Kreuzigung Christi (zugehörig: C 1911-17, -18, -20). In: skd.museum. Staatsbetrieb Staatliche Kunstsammlungen Dresden (mit Abbildung).
- ↑ Inv. C 1911-20 – Die Grablegung (zugehörig C 1911-17-19). In: skd.museum. Staatsbetrieb Staatliche Kunstsammlungen Dresden (mit Abbildung).
- ↑ Inv. C 1890-22 – Brustbild eines Schergen. In: skd.museum. Staatsbetrieb Staatliche Kunstsammlungen Dresden (mit Abbildung).
- ↑ Inv. ОР-14339 – Wild People on Horseback. In: hermitagemuseum.org. State Hermitage Museum (englisch, mit Abbildung).
- ↑ „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 438–439 Kat. L 3.
- ↑ „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 448–449 Kat. L 8.
- ↑ „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 440–441 Kat. L 4.
- ↑ „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 442–443 Kat. L 5.
- ↑ „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 444–445 Kat. L 6.
- ↑ „Der hübsche Martin“ – Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer (ca. 1450–1491). Katalog zur Ausstellung im Unterlinden-Museum, Colmar. Valblor, Straßburg 1991, ISBN 2-902068-11-5, S. 446–447 Kat. L 7.