Ludwig Röhrscheid

Bonn, Am Hof 28/Ecke Fürstenstraße: ehemaliger Sitz von Ludwig Röhrscheid, später von Bouvier (2015)

Ludwig Röhrscheid war eine Buchhandlung mit Antiquariat und Verlag in Bonn. Der Sitz befand sich Am Hof 28 in Bonn.

Geschichte

Zum 1. Juli 1891 übernahmen Ludwig Röhrscheid (* 7. September 1856 in Rinteln; † 19. Juni 1921 in Bonn), der dort seit 1883 als Gehilfe tätig gewesen war, und Hugo Ebbecke (* 1857) in Bonn das Sortimentsgeschäft von Emil Strauß (Strauss’sche Buchhandlung und Antiquariat), das auf die am 23. Januar 1818 gegründete Buchhandlung Adolf Marcus zurückging, und führten es unter dem Namen Röhrscheid & Ebbecke weiter. Zum 1. August 1904 wurde Ludwig Röhrscheid alleiniger Inhaber; 1906 wurde der Name in Ludwig Röhrscheid GmbH geändert. Er erweiterte das Geschäft um Verlag, Antiquariat, Bahnhofsbuchhandlung und Leihbücherei. Nachdem sein Sohn Ludwig Röhrscheid jun. 1918 gefallen war, nahm er zum 1. Juli 1919 Kurt Schröder aus Leipzig als Teilhaber auf, der die Firma ab 1921 zusammen mit Berta Hartdegen, geb. Röhrscheid, weiterführte. 1925 schied Berta Hartdegen aus. Zum 1. Juli 1926 erwarb Hermann Stilke (1870–1928), Inhaber von Verlag und Bahnhofsbuchhandlungsgruppe Georg Stilke, die Firma, der die Inhaberschaft zum 1. Juli 1928 an seine Kinder Madaleine von der Heydt, geb. Stilke (1902–), und Georg H. Stilke (1904–1974) abtrat. Zeitweise unterhielt die Firma Filialen in Köln (Ubierring 52) und Trier (Brückenstraße 13, gegründet 1924). 1925 vermittelte das Antiquariat das Exemplar der Gutenberg-Bibel aus der Stiftsbibliothek Melk[1]. Nach 1926 wurde auch das Verlagsgeschäft wieder intensiviert. Langjährige Prokuristen (Geschäftsführer) waren Walter Kramer (seit 1922, zuvor seit 1913 Leiter des Sortiments) und Emil Semmel (* 19. März 1897; zuständig für das Antiquariat)[2], ab 1938 waren die beiden zeitweise Gesellschafter der Firma, da die Geschwister Stilke als „Halbjuden“ galten. 1944 wurde das Geschäftshaus Am Hof 28 ausgebombt. Ab 1955 war die Familie Stilke wieder Eigentümer der Firma. 1956 wurde Karl Gutzmer Geschäftsführer der Verlagsbuchhandlung Ludwig Röhrscheid. Im April 1959 konnte der Neubau an der alten Adresse Am Hof 28 bezogen werden. Gutzmer blieb Geschäftsführer als die Buchhandlung 1982 an die benachbarte Buchhandlung Bouvier, im Besitz der Familie Grundmann, verkauft wurde, bis zu seinem Ausscheiden in den Ruhestand 1987. 1992 wurden die beiden Firmen räumlich, personell und organisatorisch vereint, der Name Röhrscheid verschwand.

Mögliche Rolle beim NS-verfolgungsbedingten Entzug von Büchern

In zwei Projekten sucht die Stadtbibliothek Hannover in ihren Beständen nach NS-Raubgut. Jenka Fuchs kommt mit Blick auf die 157 geprüften Zugänge aus Käufen vom Antiquariat Ludwig Röhrscheid auf 61 Bücher mit Spuren, „die auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug schließen lassen“, weshalb sie schlussfolgert: „Diese relativ hohe ‘Treffer’-Quote lässt vermuten, dass Röhrscheid in größerem Stil mit Raubgut gehandelt haben könnte.“ … „Um gesicherte Kenntnisse darüber zu gewinnen, in welchem Umfang dies geschah und welche Bezugsquellen das Unternehmen hierfür hatte, ist weitere Forschung notwendig.“[3]

Literatur

  • Theodor Anton Henseler: Beiträge zur Geschichte des Bonner Buch- und Zeitungsverlages 2. Buchhandlung und Verlag Ludwig Röhrscheid, vormals Adolph Marcus und Emil Strauß. In: Bonner Geschichtsblätter Bd. 6, 1952, S. 61–86.
  • Buchhandlung und Verlag Ludwig Röhrscheid in Bonn 150 Jahre. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel Bd. 24, 1968, S. 864–865.
  • Otto Wenig: Buchdruck und Buchhandel in Bonn. Ludwig Röhrscheid Verlag, Bonn 1968, S. 267–301. 434–445.
  • Reinhard Würffel: Lexikon deutscher Verlage von A–Z. 1071 Verlage und 2800 Verlagssignete vom Anfang der Buchdruckerkunst bis 1945. Adressen, Daten, Fakten, Namen. Verlag Grotesk, Berlin 2000, ISBN 3-9803147-1-5, S. 713–714.
  • Dagmar Olzog, Johannes Hacker (Hrsg.): Dokumentation deutschsprachiger Verlage. 14. Ausgabe, verlag moderne industrie, Landsberg am Lech 2001, ISBN 3-478-38764-7, S. 55–56.
  • Karl Gutzmer: Der Bonner Buchhandel im Überblick mit besonderer Berücksichtigung des Dritten Reichs. In: Helmut Heyer: Kultur in Bonn im Dritten Reich (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn. Bd. 62). Bonn 2002, S. 289–324, hier S. 289–293.
  • Karl Gutzmer: Röhrscheid, Ludwig. In: Lexikon des gesamten Buchwesens. 2. Auflage, Band 6, Hiersemann Stuttgart 2003, S. 331.

Einzelnachweise

  1. Rudolf Stöweland: Der heutige Bestand der Welt an Gutenbergbibeln. In: Archiv für Schreib- und Buchwesen. 2, 1928, S. 67. Heute Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University.
  2. Emil Semmel. Zum 65. Geburtstag des Bonner Buchhändlers, Antiquars und Verlegers am 19. März 1962. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1962, S. 728–729.
  3. Jenka Fuchs: Antiquariat Ludwig Röhrscheid: Eine Drehscheibe für NS-Raubgut? Neue Erkenntnisse aus der Provenienzforschung der Stadtbibliothek Hannover. In: hypotheses.org vom 10. April 2024. Zuletzt abgerufen am 29. Juli 2025; vgl. auch die Zusammenstellung Käufe der Stadtbibliothek Hannover vom Antiquariat L. Röhrscheid (Bonn) aus dem Jahr 1944: Übersicht prägnanter Provenienzen und Verdachtsmomente. Zuletzt abgerufen am 29. Juli 2025.