Lown-Klassifikation

Die Lown-Klassifikation[1][2][3][4] (auch: Lown-Klassifizierung[5][6]) wurde in der Medizin zur Einteilung von tachykarden ventrikulären Extrasystolen (VES) angewandt. Das 1971 von dem US-amerikanischen Kardiologen Bernard Lown an der Harvard Medical School in Boston[7] eingeführte Schema sieht eine Einteilung in fünf Kategorien vor, die auch als Lown-Klassen (oder als Grade, Schweregrade, englisch Lown grade) bezeichnet werden.[8] Grundlage der Lown-Klassifizierung war die Erkenntnis, dass das Ausmaß einer bereits eingetretenen Herzschädigung auch ohne eine Koronarographie sowie das Risiko für einen plötzlichen Herztod[9] bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit anhand der Art und Häufigkeit von VES in einem Langzeit-EKG grob vorhergesagt werden können.[10][11]

Klassifikation

Klasse Häufigkeit und Art der VES
0 keine VES
1 gelegentliche, einzelne VES (<30/h)
2 häufige (monomorphe) VES (> 30/h)
3
  a
  b
polymorphe (polytope) VES
  einzeln
  ventrikulärer Bigeminus
4
  a
  b
repetitive VES
  Couplets
  Salven
5 früh einfallende VES (R-auf-T-Phänomen)

Dabei werden die römische Zahlschrift und die indische Zahlschrift gleichberechtigt genutzt.

Eine andere Systematik kennt sechs Klassen mit anderer Nummerierung. Danach werden Klasse IIIa zu Klasse 3, IIIb zu Klasse 4, Klasse IVa zu Klasse 5 und Klasse IVb zu Klasse 6 ("Triplets und Salven, Kammertachykardien"). Die Klassen 0 und V fehlen.[12]

Bedeutung

Das Klassifikationssystem nach Lown wurde bereits frühzeitig kritisiert.[13] Klare Behandlungsrichtlinien wurden gefordert.[14] Trotzdem wurde besonders noch in den 1980er Jahren in der zusammenfassenden Beurteilung von 24-Stunden-Elektrokardiogrammen als Therapiegrundlage das Ausmaß der ventrikulären Extrasystolie regelmäßig in Lown-Graden angegeben. Diese Einteilung gilt heute als veraltet. Teilweise wird inzwischen sogar vor der unkritischen Interpretation der Lown-Klassifikation gewarnt.[15] Ebenso gilt heute eine gezielte antiarrhythmische Medikation[16][17][18][19] bei ventrikulärer Extrasystolie als obsolet.

„Die Bedeutung ventrikulärer Extrasystolen hängt von der klinischen Situation ab und wird nicht mehr nach der Lown-Klassifikation bemessen.“[20] Früher galten dagegen „maligne ventrikuläre Rhythmusstörungen der Lown-Klassen III bis V“ noch als Indikation für die regelmäßige Teilnahme in einer Herzinfarkt-Übungsgruppe (Koronar-Übungsgruppe) bei einer körperlichen Belastbarkeit zwischen 25 und 50 Watt.[21] Damals glaubte man, „nur auf der Basis einer Quantifizierung der Arrhythmie zum Beispiel nach dem Lown-Schema [sei] eine Differentialtherapie mit den geeigneten Antiarrhythmika möglich.“[22] Mitunter wurde bei der Klassifizierung unterschieden, ob die Rhythmusstörungen „bei ambulatorischer Überwachung mittels 24-Stunden-Bandspeicheraufzeichnung [oder] bei Ergometerbelastung“ auftreten.[23]

Einzelnachweise

  1. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 267. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2017, ISBN 978-3-11-049497-6, S. 1068.
  2. Maxim Zetkin, Herbert Schaldach: Lexikon der Medizin. 16. Auflage. Ullstein Medical, Wiesbaden 1999, ISBN 3-86126-126-X, S. 1192.
  3. Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage. Urban & Fischer, München / Jena 2003, ISBN 3-437-15156-8, S. 1130.
  4. Lexikon Medizin. 4. Auflage. Elsevier Verlag, München ohne Jahr [2005], ISBN 3-625-10768-6, S. 1024.
  5. Peter Reuter: Springer Lexikon Medizin. Springer-Verlag, 2004, ISBN 3-540-20412-1, S. 1270 (mit Tabelle).
  6. Peter Reuter: Springer Klinisches Wörterbuch 2007/2008. 1. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-34601-2, S. 1078.
  7. Myron G. Sulyma (Hrsg.): Wörterbuch der Kardiologie. Band III, Medikon-Verlag, München 1983, ISBN 3-923866-07-0, S. 437.
  8. Bernard Lown, M. Wolf: Approaches to sudden death from coronary heart disease. (Memento vom 16. Oktober 2008 im Internet Archive) In: Circulation. Band 44, 1971, S. 130–142.
  9. Bernard Lown: Sudden Cardiac Death – Management of the Patient at Risk. In: Current Problems in Cardiology. Volume 4, Nummer 12, 1980, S. 51–62.
  10. Bernard Lown et al.: Monitoring for serious arrhythmias and high risk of sudden death. In: Circulation. Band 52, 6 Suppl, 1975, S. III 189-198. PMID 52414.
  11. Gerd Harald Herold: Innere Medizin 2020. Selbstverlag, Köln 2019, ISBN 978-3-9814660-9-6, S. 277: "Die Lown-Klassifikation hat keinen großen prognostischen Wert."
  12. Hans Hochrein, Palle Bentsen, Cornelius Langescheid, Detlev Nunberger: Checkliste Kardiologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart / New York 1988, ISBN 3-13-719901-8, S. 77.
  13. J. Thomas Bigger Jr, Francis M. Weld: Analysis of prognostic significance of ventricular arrhythmias after myocardial infarction. Shortcomings of Lown grading system. In: Heart. Band 45, Nr. 6, 1981, S. 717–724, doi:10.1136/hrt.45.6.717.
  14. Rainer Klinge: Das Elektrokardiogramm. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart / New York 1987, ISBN 3-13-554005-7, S. 198.
  15. Thomas Budde: Kardiale Erkrankungen. In: Peter Berlit (Hrsg.): Klinische Neurologie. 2. Auflage. Springer, Heidelberg 2005, ISBN 978-3-540-01982-4, S. 1247 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. Georg Schmidt: Antiarrhythmische Therapie. Schattauer Verlag, Stuttgart / New York 1989, ISBN 3-7945-1317-7.
  17. Martin Schlepper, Bertil Olsson (Hrsg.): Kardiale Rhythmusstörungen. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1983, ISBN 3-540-12148-X.
  18. Fred Sesto, Herbert Müller-Peltzer, Gerda von Philipsborn, Astrid Fischer (Hrsg.): Rytmonorm – Propafenon – Antiarrhythmikum, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / Tokio 1985, ISBN 3-540-13838-2.
  19. Fred Sesto: Arrhythmie-Kompendium. 4 Bände, Band I, 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / Tokio 1987, ISBN 3-540-17460-5.
  20. Wolfgang Piper: Innere Medizin. Springer-Lehrbuch, Springer-Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-33725-6, S. 114.
  21. W. Geißler: Rehabilitation von Patienten mit ischämischer Herzkrankheit. In: Gerhard Brüschke (Hrsg.): Handbuch der Inneren Erkrankungen. Band 1, Teil 2: Bernd Heublein, Wolfgang Mucke (Hrsg.): Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart / New York 1986, ISBN 3-437-10968-5, S. 105.
  22. J. Mönnich, Otto A. Brusis: Therapie. In: Otto A. Brusis, H. Weber-Falkensammer (Hrsg.): Handbuch der Koronargruppenbetreuung. 2. Auflage, Perimed Verlag, Erlangen 1986, ISBN 3-88429-073-8, S. 134.
  23. Hassan Ardjah: Kompaktwissen praktischer Kardiologie. Perimed Fachbuch-Verlagsgesellschaft, Erlangen 1985, ISBN 3-88429-232-3, S. 233.