Louise Beck

Louise Beck im Kreis ihrer Familie (sitzend rechts)

Louise Beck (* 19. April 1822 in Altötting; † 9. August 1879 in Gars am Inn) war eine bayerische Ekstatikerin und Visionärin, die mit ihren Weisungen aus dem Jenseits erheblichen Einfluss auf Ordensobere und hohe Würdenträger der katholischen Kirche in Bayern ausübte.[1] Sie wirkte in Altötting als katholische Seherin, fiel durch stigmatische Phänomene auf und wurde seit den 1840er Jahren als religiöses Medium bekannt.[2] Zentral wurde sie als „Kind“ der sogenannten Höheren Leitung, einem katholisch-spiritistischen Gefüge, das Marienfrömmigkeit und Jenseitsbotschaften verband und dessen „Mutter“ – ein als Schutzgeist verstandener Verstorbener – als Quelle unfehlbarer Weisungen galt.[2] Über dieses Netzwerk gewann Beck im Umfeld der bayerischen Redemptoristen und befreundeter hoher Kleriker zeitweise erheblichen Einfluss.[2]

Leben

Beck war das fünfte Kind eines in Altötting ansässigen Gerichtsarztes und Apothekers; die Familie gehörte zur lokalen Oberschicht.[2] Louise Beck war das fünfte und jüngste Kind des Altöttinger Gerichtsarztes und Apothekers Benno Beck.[3] Die neurotische Frau wähnte sich mit Seherkraft begabt und behauptete, Visionen über Schutzengel, Arme Seelen und Heilige zu haben.[1] Nach Abschluss einer Ausbildung bei den Barmherzigen Schwestern in Burghausen kehrte sie 19-jährig nach Altötting zurück.[3] Seit 1843 hatte sie eine enge Beziehung zu dem jungen protestantischen Grafen Clemens von Schaffgotsch, der sie 1847 schwängerte.[1] Die Schwangerschaft endete mit einer Totgeburt.[1] Während dieser Zeit litt sie an somnambulischen Erscheinungen und einem heftigen Nervenfieber.[3] Nach dem Tod ihres Bruders Benno im Jahr 1845 und inmitten einer schwierigen Liebesaffäre erlitt sie Depressionen, Nervenfieber, Krämpfe und somnambule Zustände; zudem zeigte sich eine kreuzförmige Wunde an ihrer linken Seite.[2] An ihrer linken Brust entstand eine Wunde.[3] Zugleich gab sie an, von Dämonen gequält zu werden.[3] Ihr Beichtvater, der Redemptorist Franz Seraph Ritter von Bruchmann, deutete die Leiden als dämonische Angriffe und führte mit Mitbrüdern einen Exorzismus durch.[2] Sie offenbarte sich dem Oberen des Altöttinger Redemptoristen-Klosters P. Franz von Bruchmann, der daraufhin mit zwei weiteren Patres mehrmals einen Exorzismus an ihr vornahm.[3] Daraufhin sollen die Dämonen verschwunden sein.[3] Im März 1847 erschien ihr erstmals ein „seliger Geist“, der sich als Bruchmanns verstorbene Frau Juliane ausgab und von Bruchmann wie von weiteren Geistlichen als echt anerkannt wurde.[2] Stattdessen erschien der Visionärin angeblich seit 1848 eine Lichtgestalt, die sich als verstorbene Frau des P. Bruchmann kundgab und Weisungen für diesen und andere Obere der Redemptoristen mitteilte, die Louise in ekstatischem Zustand niederschrieb oder mündlich weitergab.[3] Die Führung aus dem Jenseits wurde von den Eingeweihten die Höhere Leitung genannt.[3] Die aus dem Jenseits führende Frau Bruchmann nannten sie die Mutter.[3] Louise Beck hieß das Kind, die Anhänger des Geheimkultes nannten sich Kinder der Mutter.[3] Sie selbst hatte seit 1858 engen Kontakt mit der Ekstatikerin Maria von Mörl.[4] 1862 zog sie mit ihren beiden Begleiterinnen in einen Flügel des Klosters Gars am Inn, welches die Redemptoristen wenige Jahre zuvor erworben hatten und wohin ihr Seelenführer Carl Ehrhard Schmoeger versetzt worden war.[4] Als sie am 9. August 1879 starb, äußerte sich der Regensburger BischofIgnatius von Senestrey, er wisse nun nicht mehr, wie er die Diözese leiten solle.[3][5]

Wirken

Die Kommunikation „der Mutter“ (des Schutzgeistes) mit „dem Kind“ (Beck) und „den Kindern“ (Anhängerkreis) wurde als Höhere Leitung bezeichnet, ein Hybrid aus katholischem Marienkult und spiritistischer Praxis.[2] Becks Seelenführer wechselten von Bruchmann über Johann Baptist Schöfl zu Carl Erhard Schmöger; das Dominanzverhältnis zwischen Beck und den jeweiligen Führern blieb ambivalent.[2] Louise Beck unterstand seit 1858 der Gewissensleitung durch Carl Ehrhard Schmoeger, der durch seine Veröffentlichungen über Anna Katharina Emmerick bekannt wurde.[6][3] Um Beck sammelte sich eine verschworene Gefolgschaft aus Redemptoristen-Oberen, adeligen Unterstützerinnen (etwa Bertha von Pranckh und Leopoldine von und zu Löwenstein) sowie den hohen Kirchenmännern Karl August von Reisach und Ignatius von Senestrey.[2] Bald bildete sich ein Zirkel von Anhängern: Obere des Redemptoristenordens und einige Laien, darunter die Verwandte Louise Becks, Bertha von Pranckh, Schwester des bayerischen Kriegsministers Siegmund von Pranckh und die Fürstin Leopoldine von und zu Löwenstein, eine Tante des Katholikenführers Karl Heinrich zu Löwenstein.[1] Beide Damen waren die ständigen Begleiterinnen und Geldgeberinnen Louises.[1] Seit Anfang 1848 standen der Münchener Erzbischof und spätere Kurienkardinal Karl August von Reisach und sein Generalvikar Friedrich Windischmann, auch in kirchenpolitischen Fragen, unter der Führung der Seherin.[1] Beck übermittelte diesen Kreisen – angeblich im ekstatischen Zustand diktierte – schriftliche Weisungen, die innerordentliche Personal- und Disziplinarfragen ebenso betrafen wie religiös-theologische Entscheidungen.[2] Die Höhere Leitung vertrat dabei einen ausgesprochen konservativen, ultramontanen Kurs und betrieb sogar – letztlich erfolglos – die römische Verurteilung des Theologen Johann Michael Sailer.[2] 1872 unterstellte sich dann Ignatius von Senestrey der Gewissensführung durch die Mutter, die ihm befahl, in Rom die Verurteilung der Schriften seines Vorgängers Johann Michael Sailer zu erreichen, ein Vorhaben, das jedoch scheiterte.[3] Trotz entschiedener Gegner überstand die arkan organisierte Gemeinschaft mehrere Untersuchungen, arbeitete mit erheblichem Druck und löste sich erst nach Becks Tod auf.[2] Schmöger selbst – später Provinzial der oberdeutschen Redemptoristen – wird in der Forschung zugleich als strenger Ordensleiter und als Seelenführer Becks greifbar, was die Nähe zwischen Ordenspolitik und der von Beck vermittelten Jenseitsautorität illustriert.[6][2]

Literatur

  • Otto Weiß: Die Redemptoristen in Bayern (1790–1909). Ein Beitrag zur Geschichte des Ultramontanismus (Münchener Theologische Studien, I. Hist. Abt., Bd. 22). Eos Verlag, St. Ottilien 1983, ISBN 3-88096-122-0.
  • Otto Weiß: Weisungen aus dem Jenseits? Der Einfluss mystizistischer Phänomene auf Ordens- und Kirchenleitungen im 19. Jahrhundert. Pustet, Regensburg 2011, ISBN 978-3-7917-2389-1.
  • Otto Weiß: Die Macht der Seherin von Altötting. Geisterglaube im Katholizismus des 19. Jahrhunderts. Verlagsgemeinschaft topos plus, Kevelaer 2015, ISBN 978-3-8367-1054-1; E-Book (PDF), ISBN 978-3-8367-5051-6; E-Pub, ISBN 978-3-8367-6051-5.
  • Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 9. Dezember 2011: Ich sehe deine Seele. Die Geschichte der Louise Beck.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Otto Weiß: Die Macht der Seherin von Altötting. Geisterglaube im Katholizismus des 19. Jahrhunderts, Kevelaer 2015.
  2. a b c d e f g h i j k l m n Karl Baier: Katholische Seherinnen der frühen Moderne. In: In: Lukas K. Pokorny / Leona Mörth-Nicola / Kerstin Tretina (Hg.), Blicklichter und Grenzgänge. Interdisziplinäre Perspektiven auf Religion, Gender und das Lebensende. 2025, abgerufen am 2. September 2025.
  3. a b c d e f g h i j k l m n Otto Weiß: Weisungen aus dem Jenseits? Der Einfluss mystizistischer Phänomene auf Ordens- und Kirchenleitungen im 19. Jahrhundert, Regensburg 2011.
  4. a b Otto Weiß: Die Redemptoristen in Bayern (1790–1909). Ein Beitrag zur Geschichte des Ultramontanismus (Münchener Theologische Studien, I. Hist. Abt., Bd. 22), St. Ottilien 1983.
  5. Louise Beck und Ignatius von Senestréy. In: home.vrweb.de. Archiviert vom Original am 14. Februar 7; abgerufen am 2. September 2025.
  6. a b Otto Weiß: Schmöger, Karl. In: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 256–257. 2007, abgerufen am 2. September 2025.