Liga für Völkerfreundschaft

Die Liga für Völkerfreundschaft war eine Dachorganisation von Freundschaftsgesellschaften und -komitees in der DDR. Im Juni 1990 wurde sie umgebildet in den Verein Liga für Völkerverständigung, Interessenverband von Gesellschaften für Zusammenarbeit und Freundschaft mit anderen Ländern und Völkern, der sich im April 1992 auflöste.

Die Liga für Völkerfreundschaft war eine vom Zentralkomitee der SED politisch gesteuerte Organisation, arbeitete eng mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR zusammen und stand unter dessen Anleitung und Kontrolle.

Die Liga für Völkerfreundschaft der DDR veröffentlichte die Monatszeitschriften DDR in Wort und Bild in fünf Sprachen (Deutsch, Chinesisch, Polnisch, Russisch, Tschechisch), DDR-Revue in neun Sprachen (Deutsch, Arabisch, Dänisch, Englisch, Finnisch, Niederländisch, Französisch, Schwedisch, Spanisch), zusätzlich das monatliche „Informationsbulletin“ für internationale Medien, verbreitete Broschüren sowie Bild- und Aufsatzmaterialien und betreute ausländische Gäste.

Die Adresse für den Hauptsitz war Unter den Linden 10, 1080 Berlin. Nebensitz war an der Otto-Nuschke-Straße 59-60, 1080 Berlin. Die Otto-Nuschke-Straße[1] wurde nach der Wende in Jägerstraße zurückbenannt.

Journalistische und wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Liga für Völkerfreundschaft die ausländischen DDR-Freundschaftsgesellschaften und -komitees sowie Vereinigungen verdeckt finanziell unterstützte. Dies widerlegte nicht nur deren nach außen dargestellte Unabhängigkeit,[2] sondern ermöglichte es der Liga auch, gleichzeitig als getarnte Türöffner und Einflusskanal zu ausländischen politischen Kreisen zu fungieren. Als entscheidendes Beispiel für diesen „Pfad zu Politikern“ dient das Auftauchen von Namen wie Piet Burggraaf (PvdA), Dick Tommel (D66) und Frans Uijen (PvdA) als Vorstandsmitglieder der „Vereinigung Niederlande-DDR“.

Darüber hinaus ist durch die Aufarbeitung von Stasi-Akten bekannt geworden, dass beispielsweise drei niederländische Inoffizielle Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) in die Vereinigung Niederlande-DDR angeworben worden waren.[3] Der Allgemeine Nachrichten- und Sicherheitsdienst der Niederlande (AIVD) hat jedoch entschieden, die Namen dieser Personen nicht zu veröffentlichen.[4] Frits Hoekstra (2004) schreibt das die AIVD, damals hies er BVD, bereits beim Gründungsstatut involviert war.[5]

Akten der Liga für Völkerfreundschaft befinden sich im Bundesarchiv (SAPMO) in Berlin unter der Signatur BArch DY 13. Ergänzend gibt es eventuell Material im Bestand der SED, Abteilung Internationale Verbindungen.

Geschichte

Älteste Freundschaftsgesellschaften in der SBZ bzw. der DDR waren die im Juni 1947 gegründete Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und die im August 1948 gegründete Hellmut-von-Gerlach-Gesellschaft.

Am 7. Juni 1952 wurden alle bestehenden Freundschaftsgesellschaften in der DDR in der Dachorganisation Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland vereint. Aus ihr ging am 15. Dezember 1961 die Liga für Völkerfreundschaft hervor.

Präsidenten, Generalsekretäre und Bezirkskomitees

Präsidenten

Generalsekretäre

Bezirkskomitees[6]

Die Bezirkskomitees bestanden in jedem Bezirk der DDR, die hauptamtlichen Mitarbeiter waren dem Rat des Bezirkes unterstellt. Durch diese Komitees, denen zwischen 15 und 20 ehrenamtliche Mitglieder angehörten, erfolgte die Gewinnung der Referenten und Gesprächspartner für die im Bezirk vorgesehenen Begegnungen mit ausländischen Freundschaftsgesellschaften und -Komitees, sowie die Auswahl der gewünschten Besichtigungsobjekte. Darüber hinaus organisierten die Bezirkskomitees Begegnungen und Gespräche mit Reisegruppen, die über das Reisebüro der DDR einreisten und neben ihrem Besichtigungsprogramm Informationen über politische Fragen wünschten. Von Januar bis September 1989 fanden solche Begegnungen mit 234 Gruppen und 3900 Teilnehmern statt. Als Vorsitzende der Bezirkskomitees fungierten beispielsweise:

Freundschaftsgesellschaften und -komitees und Vereinigungen

Gemäß ihrer Aufgabe, das internationale Ansehen der DDR mit dem Ziel zu befördern, die völkerrechtliche Anerkennung der DDR und die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu allen Staaten zu erreichen, war die positive Darstellung der Entwicklung der DDR die wohl wichtigste Seite der Arbeit der nationalen Freundschaftsgesellschaften und -komitees und Vereinigungen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass dies glaubwürdiger von den ausländischen Sympathisanten der DDR erfolgen kann, als von der DDR selbst oder ihren „Gesandten“. Die Bildung der nationalen Freundschaftsgesellschaften und -komitees wurde daher durch die Staatsführung vielfältig unterstützt. Die Palette reichte von gezielten Einladungen zu DDR-Aufenthalten, regelmäßigen – mindestens jährlichen – Zusammenkünften mit den Präsidenten und Generalsekretären, die Entwicklung einer umfangreichen Delegationsarbeit sowie die Versorgung mit Ausstellungen, Filmen und Publikationen.[8]

Zuletzt (1987) waren in der Liga 48 Freundschaftsgesellschaften organisiert.[9]

Beispiele für Freundschaftsgesellschaften und -komitees und Vereinigungen, die in der Liga zusammengefasst waren:

Die jeweiligen Freundschaftsgesellschaften wurden regelmäßig auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen tätig.

Gesellschaft Italien-DDR

So schloss die Liga für Völkerfreundschaft mit der Gesellschaft Italien-DDR 1979 eine solche Vereinbarung, die für die die ostdeutsche Seite durch den Präsidenten der Freundschaftsgesellschaft DDR-Italien Heinrich Toeplitz und für die Gesellschaft Italien-DDR durch deren Präsidentin, die Senatorin Tullia Romagnoli Carrettoni unterzeichnet wurde. Inhalt der Vereinbarung war zum Beispiel in Ziffer 3, dass die Gesellschaft Italien-DDR die kommerziellen Gastspiele der Dresdner Philharmonie vom 5. bis 15. Oktober 1979 und des Dresdner Kreuzchores vom 8. bis 21. Oktober 1979 in Italien zu jeweils einem Konzert im Rahmen der „Woche der DDR“ nutzen durfte. Die Freundschaftsgesellschaft DDR-Italien verpflichtete sich unter Ziffer 1.1, eine Studiendelegation vom 6. bis 13. Juli 1979 zum Thema „Architektur und Städtebau in der DDR“ sowie unter Ziffer 1.4 eine Studiendelegation christlicher Persönlichkeiten vom 4. bis 11. Mai 1979 zum Thema „Stellung, Verantwortung und Beitrag der Christen für die sozialistische Gesellschaft in der DDR“ zu empfangen.[12]

Die Gesellschaft Italien-DDR bildete darüber hinaus mit einem Gründungskongress am 11. Dezember 1984 im Palazzo Braschi ein eigenes Komitee Rom. Am Gründungskongress nahmen 80 Personen teil, darunter neben Mitgliedern der IKP auch Sozialisten, Christdemokraten, Gewerkschafter und Parteilose. Für das Ostberliner Bezirkskomitee war dessen Vorsitzender Karl-Heinz Röder anwesend, der in seinem Reisebericht an den Generalsekretär der Liga für Völkerfreundschaft Horst Brasch u. a. auch festhielt, dass mehrere Redner ihren Unmut darüber äußerten, dass es in der DDR Beschränkungen der Demokratie gebe. Der Bericht Röders gibt auch eine Diskussion bei der Wahl der Komiteemitglieder darüber wieder, ob auch in Italien lebende ausländische Bürger Mitglied des Komitees Rom werden könnten. Diese Frage war von anwesenden Bundesbürgern gestellt worden, die in Rom arbeiteten. Unter Hinweis auf das Statut der Freundschaftsgesellschaft Italien-DDR sei dann darauf hingewiesen worden, dass nur italienische Staatsbürger Mitglied werden, interessierte ausländische Bürger aber mitarbeiten könnten. Das neu gewählte Komitee umfasste sodann 20 Mitglieder, darunter neben Kommunisten auch Sozialisten und Christdemokraten.[13]

Literatur

  • Gerhard Kasper, Bernhard Köcher: Die Liga für Völkerfreundschaft der DDR 1961–1990. AGEF, Berlin 2003

Einzelnachweise

  1. Otto-Nuschke-Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins
  2. Rob Bruins Slot: De Vereniging Nederland-DDR. anderetijden.nl (niederländisch).
  3. Beatrice de Graaf: Stasi Operations in the Netherlands, 1979–89. In: Studies in Intelligence, Extracts, März 2008, Vol. 52, No. 1 (englisch); cia.gov (PDF; 0,3 MB).
  4. Pieter Janssen: Ijzeren Gordijn. Een Stasi-spion in Nederland. In: pieterjanssen.eu. 31. Dezember 2020, abgerufen am 1. Juli 2025 (niederländisch).
  5. Frits Hoekstra: In dienst van de BVD. Spionage en contraspionage in Nederland. (PDF; 8,0 MB) stichtingargus.nl, 2004, S. 89 (niederländisch).
  6. Gerhard Kasper, Bernhard Köcher: Die Liga für Völkerfreundschaft der DDR 1961–1990. AGEF, Berlin 2003, S. 42 ff.
  7. Gerhard Kasper, Bernhard Köcher: Die Liga für Völkerfreundschaft der DDR 1961–1990. AGEF, Berlin 2003, S. 42 ff.
  8. Gerhard Kasper, Bernhard Köcher: Die Liga für Völkerfreundschaft der DDR 1961–1990. AGEF, Berlin 2003, S. 26 ff.
  9. Rezension des Buches Verordnete Völkerfreundschaft. Das Wirken der Freundschaftsgesellschaft DDR-Großbritannien und der Britain-GDR-Society – Möglichkeiten und Grenzen. (Memento vom 28. Juni 2007 im Internet Archive) bundestag.de
  10. Ed Bruinvis: Arnhem Mondiaal 1976–2016. Veertig jaar samenwerkende vredes- en ontwikkelingsorganisaties in Arnhem (Stichting Doca). (PDF) In: arnhemmondiaal.nl. 2019, S. 225, abgerufen am 1. Juli 2025 (niederländisch).
  11. Frits Hoekstra: In dienst van de BVD. Spionage en contraspionage in Nederland. (PDF; 8,0 MB) stichtingargus.nl, 2004, S. 90 (niederländisch).
  12. Gerhard Kasper, Bernhard Köcher: Die Liga für Völkerfreundschaft der DDR 1961–1990. AGEF, Berlin 2003, S. 161 ff.
  13. Reisebericht von Karl-Heinz Röder über die Dienstreise nach Rom (Italien, 8.–12.Dezember 1984) an Horst Brasch vom 17. Dezember 1984. In: Gerhard Kasper, Bernhard Köcher: Die Liga für Völkerfreundschaft der DDR 1961–1990. AGEF, Berlin 2003, S. 165