Lew Dockstader

Lew Dockstader, gelegentlich Lew Dockstadter (geboren am 7. August 1856 als George Alfred Clapp in Hartford, Connecticut; gestorben am 26. Oktober 1924 in New York City, New York) war ein US-amerikanischer Sänger, Komiker und Star des Vaudeville um die Wende zum 20. Jahrhundert.
Dockstader war für seine Auftritte als Blackface in seiner eigenen Minstrel-Show und für seine Parodien der US-Präsidenten Benjamin Harrison, Grover Cleveland und Theodore Roosevelt bekannt. Ein im Mai 1904 gedrehter Kurzfilm mit Dockstader als Booker T. Washington und einem Mitglied seiner Truppe als Roosevelt, die Kinetoscope Fakes, fanden im Vorwahlkampf zur Präsidentschaftswahl große Beachtung.

Leben
Bereits als Kind zeigte Dockstader großes musikalisches Talent, spielte ein halbes Dutzend Musikinstrumente und trat in einer Amateur-Minstrel-Gruppe mit älteren Jugendlichen auf. 1873 begann er seine berufliche Laufbahn als Mitglied einer reisenden professionellen Minstrel-Show.[1]
Seit 1876 trat er mit Charles Dockstader, zu dem er keine verwandtschaftliche Beziehung hatte, als „Dockstader Brothers“ auf. Zu dieser Zeit nahm er den Künstlernamen Lew Dockstader an, den er seit 1887 auch im bürgerlichen Leben führte. 1886 gründete er in New York City auf dem Broadway ein eigenes Theater, das drei Jahre lang bestand. Es folgte nach weiteren Jahren mit seiner nun wieder reisenden Truppe 1898 eine Partnerschaft mit George H. Primrose, zuvor Partner der bekannten Minstrel-Truppe Primrose and West. 1903 wurde Dockstader auch hier alleiniger Inhaber und ging für mehrere Jahre auf Tourneen.[1]
Dockstader gewann 1904 durch den Skandal um die Kinetoscope Fakes stark an Popularität. Er konnte seine Karriere als Star der Minstrel-Show für einige Jahre fortsetzen und ging schließlich mit ungebrochenem Erfolg zum Vaudeville. Dort trat er bis wenige Monate vor seinem Tod in den Shows von Benjamin Franklin Keith und seiner Nachfolger auf.
Eine seiner beim Publikum beliebtesten Rollen waren die Parodien der US-Präsidenten Benjamin Harrison, Grover Cleveland und Theodore Roosevelt. Er sprach dabei auf der Bühne lange Monologe und ahmte übersteigert und bis ins letzte Detail Gestik, Mimik und Redestil seiner Vorbilder nach.[1] Als Theodore Roosevelt erschien er meistens in Anspielung auf dessen Militärdienst als Oberst im Spanisch-Amerikanischen Krieg in einer Rough-Riders-Uniform. Dockstader passte sich an, zur Zeit der Smithsonian-Roosevelt African Expedition trat er als Großwildjäger mit Tropenhelm auf.[1] Unverzichtbares Requisit waren sein strahlend weißes falsches Gebiss, mit dem er Roosevelts allen Zuschauern bekanntes breites Lachen nachahmte.[2]
Lew Dockstader starb im Oktober 1924 in New York City, vier Jahre nach seiner Ehefrau, nach langer Krankheit an Knochenkrebs. Er hinterließ eine Tochter und einen Enkel und wurde auf dem Kensico Cemetery in einem für Mitglieder des Actors' Fund of America und der National Vaudeville Association reservierten Bereich bestattet.[2]
Film

Die Kinetoscope Fakes (1904)
1904 wollte Dockstader das neue Medium Film für seine Auftritte nutzbar machen. Vor dem Kapitol der Vereinigten Staaten in Washington, D.C. fanden am 19. Mai 1904 die Dreharbeiten mit Edwin S. Porter an der Kamera statt. Dockstader führte einen Sketch mit Bezug auf Booker T. Washingtons zweieinhalb Jahre zurückliegendes Abendessen mit Theodore Roosevelt im Weißen Haus auf. Washington wurde von dem Blackface Dockstader als völlig betrunken dargestellt, und ein Mitglied seiner Truppe spielte Roosevelt.
Durch Augenzeugen wurden die Dreharbeiten der Presse bekannt. Das gemeinsame Abendessen von Roosevelt und Washington hatte schon 1901 äußerst heftige Reaktionen in den Medien der Südstaaten hervorgerufen. Dort weckten die Berichte von den Filmaufnahmen alte Erinnerungen und entsprechend harsche Kommentare. In der Presse Washingtons und New Yorks waren die Reaktionen zurückhaltender. Doch auch hier kursierten absurde Verschwörungstheorien. Eine Zeitung behauptete, dass die Demokratische Partei Dockstader 4 Millionen US-Dollar gezahlt habe, um mit dem Film während des Präsidentschafts-Wahlkampfs Roosevelts Streben nach Rassengleichheit zu belegen.[3]
Auch das Weiße Haus, Präsident Roosevelt selbst eingeschlossen, unterstellte Dockstader politische Motive und fürchtete, dass Vertreter der Demokratischen Partei oder Roosevelts innerparteiliche Gegner die Auftraggeber seien. Die Polizeibehörden von Washington und New York City fahndeten mit Unterstützung des United States Secret Service nach Dockstader. Er wurde in seinem Hotelzimmer in New York festgenommen und im Polizeipräsidium vernommen. Unter Druck gab er das Filmmaterial heraus, das nach Washington gebracht und dort vernichtet wurde.[4][5] Einer anderen Version zufolge wurde nur eine unbelichtete Filmrolle übergeben, das nie aufgeführte Original wurde von Porter einbehalten und ging etwa zehn Jahre später bei einem Brand verloren.[6]
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Minstrel Mishaps (1906)
Die Kinetoscope Fakes waren nicht der einzige Kontakt Dockstaders mit der Filmindustrie. Im Herbst oder Winter 1905 wurde die Filmkomödie Minstrel Mishaps (deutsch: Missgeschicke beim Minstrel) gedreht, Kameramann war wiederum Edwin S. Porter. Der Film wurde von Dockstader in Auftrag gegeben, der auch Produzent war. In jeder Szene ist Dockstader zu sehen, der verspätet zum Auftritt erscheint, mit dem Manager des Theaters in Streit gerät und schließlich mit seiner Truppe alles im Tumult untergehen lässt.
Dockstader hatte Minstrel Mishaps wiederum nur als Teil seiner Shows vorgesehen und ihn seit dem Frühjahr 1906 auf diese Weise verwendet. Ende 1907 verkaufte er Abzüge an Filmverleiher. Ein Jahr später kaufte Edison die Negative und veröffentlichte den Film am 20. Oktober 1908 im regulären Programm.[7][8]
Dan (1914)
Dan ist der einzige Film mit Lew Dockstader, der von vorneherein für den Vertrieb bestimmt war. Regie führten George Irving und Jack Pratt, das Drehbuch stammt von Hal Reid. Dockstader spielt als Blackface den Sklaven Dan, der dem Sohn seines Eigentümers im Sezessionskrieg beisteht. Als dieser den Bruder seiner Verlobten, einen Soldaten der Nordstaaten, aus der Gefangenschaft befreit wird er als Verräter zum Tode verurteilt. Stonewall Jackson, ein Freund der Familie, will sich um einen Aufschub der Hinrichtung bemühen. Unterdessen überredet Dan seinen Master, sich das Gesicht zu schwärzen und seinen Platz einzunehmen. Stonewalls Intervention scheitert und Dan wird erschossen.[9]
Der Jazzsänger (1946)
Mehr als 20 Jahre nach Lew Dockstaders Tod wurde er dem Publikum noch einmal in Erinnerung gebracht. In der US-amerikanischen Filmbiografie Der Jazzsänger, die das Leben des jüdischen Jazzsängers Al Jolson zeigt, wird er in einer Nebenrolle von John Alexander dargestellt.[10]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d James C. Young: Dockstader Made America Laugh. Great Minstrel's Coat and Shoes Were Broad, and So Were His Jokes. In: The New York Times. 2. November 1924, XX, S. 2.
- ↑ a b Lew Dockstader, Minstrel, is Dead. Famous Comedian Succumbs to a Bone Tumor at His Daughter's Home at 68. In: The New York Times. 27. Oktober 1924, S. 19 (nytimes.com [abgerufen am 5. September 2025]).
- ↑ Willard B. Gatewood: Theodore Roosevelt and the ‘Kinetoscope Fakes’: An Incident in the Campaign of 1904. In: Mid-America. Band 49, 1967, S. 190–199 (hier s. 193-196).
- ↑ Washington Police Seize bogus Roosevelt Films. Minstrel Denies intention to Stir Up the Negro Question. In: The New York Times. 21. Mai 1904, S. 9.
- ↑ Dockstader's Films Gone. Washington Police Destroy Them to Save President's Feelings. In: The New York Times. 22. Mai 1904, S. 3.
- ↑ Terry Ramsaye: A Million and One Nights: A History of the Motion Picture. Taylor and Francis, Hoboken, NJ 2012, ISBN 978-1-136-24737-8, S. 434–439 (hier S. 439).
- ↑ Charles Musser: Before the Nickelodeon. Edwin S. Porter and the Edison Manufacturing Company. University of California Press, Berkeley, Los Angeles, Oxford 1991, ISBN 0-520-06080-6, S. 321–322.
- ↑ Next Week's Subjects. In: Variety. Band XII, Nr. 6, 17. Oktober 1908, S. 31 (Digitalisat – Anzeige der Edison Manufacturing Company).
- ↑ Dan (1914). Internet Movie Database, abgerufen am 5. September 2025.
- ↑ Der Jazzsänger. Internet Movie Database, abgerufen am 5. September 2025.